Tichys Einblick
Union begräbt Kernkraft-Wiedereinstieg

Bei Illner: Schwarz-Grünes Koalitionsvorspiel

Friedrich Merz kritisiert Robert Habecks Wirtschaftspolitik scharf. Merz und Habeck fordern die Abschiebung von Schwerstkriminellen. Und die Union begräbt den Wiedereinstieg in die Kernkraft. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Wenn in einem Talk-Format der Chef der größten Oppositionspartei auf ein Regierungsmitglied trifft, erwartet der Zuseher deftigen politischen Disput. Bei Illner aber bekommt er die meiste Zeit nicht mal einen Dialog. In endlosen Monologen beantworten Merz und Habeck die von Illner gestellten Fragen und kommunizieren mit der eigenen Blase vor dem Schirm und nicht miteinander.

Erst gegen Ende der Sendung, als es um Wirtschaftspolitik geht, kommt es zu einer lebhaften Auseinandersetzung und gegenseitiger Attacke. Ansonsten gibt es irritierend wenig Dissens. Weder bei Kernkraft noch bei Migration greift der CDU-Chef die Grünen besonders scharf an. Man kann erahnen, dass Friedrich Merz sich die Grünen gerne als Partner warmhalten möchte. In jedem Fall verkommt die groß angekündigte Auseinandersetzung von Merz und Habeck zu einer zähen Nummer, mit wenig politischer Action.

Karren im Dreck

Ökonomisch steht die deutsche Volkswirtschaft im internationalen Vergleich miserabel da. Gerade einmal 0,3 Prozent Wachstum wird der Wirtschaft in diesem Jahr prognostiziert. Die Prognose ist für die derzeitige Regierung kein Ruhmesblatt. In puncto Wirtschaft lässt Friedrich Merz seine Beißhemmung fallen. „Sie fahren den Karren in den Dreck“, attackiert Merz Habeck persönlich. Er fügt hinzu: „Sie haben vom ersten Tag an die falsche Richtung genommen.“ Statt sich um Wirtschaft zu kümmern, habe sich Habeck mit dem Heizungshammer befasst. Offenbar ist Merz nicht gewahr, dass die Grünen das Wirtschaftsministerium zum Klimaschutzministerium gemacht haben. Habeck und die Grünen haben infolgedessen den Graichen-Clan und ein ideologisches Umfeld im Ministerium installiert.

Das Scherbengericht des Börsenchefs:
„Es ist eine schiere Katastrophe“
Der Kampf gegen die Erderwärmung hatte und hat die oberste Priorität. Der Minister wollte Klimapolitik machen und muss sich jetzt notgedrungen um Wirtschaftspolitik kümmern. Weder er selbst noch seine Berater sind dazu in der Lage. Merz fasst es so zusammen: „Ihre Wirtschaftspolitik ist ein Desaster.“ Für Robert Habeck ist klar, dass er die Schuld gerne auf die Union und äußere Faktoren abwälzen möchte. „Wir als Regierung haben strukturelle Probleme geerbt“, verteidigt er sich. Er und die Regierung könnten nichts für den demographischen Wandel und die marode Infrastruktur.

Damit hat er noch nicht einmal unrecht, was die Regierungsbeteiligung von Grünen und FDP angeht. Was Habeck vergisst, ist, dass die Kanzlerpartei SPD seit 1998 eine einzige Legislaturperiode lang nicht an der Regierung beteiligt war. Die Grünen regieren derweil in den Ländern fleißig mit. Natürlich hat die Union Angela Merkels das Land in einem erbarmungswürdigen Zustand hinterlassen, aber es kam von grüner Seite zu keiner Zeit große Kritik daran. Vielmehr waren die Grünen sogar aus der Opposition eine wichtige Stütze der Kanzlerin. Die Habecksche Wirtschaftspolitik ist eine Fortführung von Merkels falscher Politik.

Das größte Problem für Robert Habeck ist nicht Friedrich Merz, sondern die Schuldenbremse. Denn das Bundesverfassungsgericht bereitete, mit seinem historischen Urteil, Habecks Politik ein Ende. Der Wirtschaftsminister hatte fest geplant, der Industrie jegliche Unannehmlichkeiten mit der grünen Transformation durch saftige staatliche Subventionen auszugleichen. Doch Karlsruhe schob diesem Plan den Riegel vor. „Nach dem Urteil aus Karlsruhe war das Geld weg“, muss der Minister einräumen. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet ein Gericht, das den Kampf gegen die Erderwärmung zur staatlichen Aufgabe macht, nun der Regierung dafür das Geld streicht. Passt aber irgendwie auch gut zu einem Land, das seinen Kompass verloren hat.

Der Mannheim-Schock

Die brutale Bluttat von Mannheim hat der Bevölkerung einmal mehr vor Augen geführt, dass ungesteuerte Migration tödlich sein kann. Deshalb überbietet sich die politische Klasse momentan darin, der Bevölkerung große Versprechungen zu machen. Kanzler Scholz persönlich verkündete im Bundestag, dass er Schwerstkriminelle und Terroristen auch nach Syrien und Afghanistan abschieben will. Selbst der grüne Wirtschaftsminister ist für Ausweisungen. „Jeder, der auf diese Weise gegen das Gesetz verstößt, muss Deutschland verlassen“, fordert Habeck. Allerdings ist diese Forderung nicht zu allen Grünen durchgedrungen.

Sicherheitsrisiko Baerbock
Baerbock will ihre Afghanistan-Asylpolitik fortsetzen und jede Kritik abwürgen
Außenministerin Baerbock, die zwar jederzeit Afghanen aus dem Taliban-Land einfliegen kann, weigert sich, mit den Taliban über Rückführungen zu sprechen. „Warum geben wir den Taliban 400 Millionen Entwicklungshilfe, wenn wir sie nicht anerkennen?“, fragt Friedrich Merz völlig zurecht. Es besteht von deutscher Seite in der Regel kein großer Wille, Abschiebungen zu vollziehen. „Wir müssen auf die Abschiebehindernisse schauen“, mahnt der CDU-Chef an. In Deutschland wird der Rechtsweg für jeden Asylbewerber selbst in der Abschiebehaft offengehalten. Deshalb ist es unter diesen momentanen Verhältnissen auch nicht möglich, die abgelehnten Migranten wieder in ihre Heimat zu bringen.

Der Mannheimer Fall steht exemplarisch dafür. Der Täter ist ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan. 2014 wurde sein Asylantrag abgelehnt. Und doch war er geduldet und hat mittlerweile Kinder mit einem deutschen Pass. „Diesen Mann können wir nicht mehr abschieben“, muss Merz feststellen. Einen Vater kann man so nicht von seinen Kindern trennen. Doch das ist nur das Ergebnis einer zehn Jahre lang verschleppten Abschiebung. Außerdem versäumt die Politik es völlig, die Pull-Faktoren zu verringern.

Maßgeblich, weil sich die Grünen mit Händen und Füßen gegen alles wehren, was die Migration verringern könnte. Die flächendeckende Bezahlkarte wird von den Grünen ausgebremst; erste Versuche mit dem Modell zeigen, dass die Flüchtlinge entweder Arbeit finden oder den jeweiligen Landkreis verlassen. Leider geht Merz beim Thema Migration insgesamt zu wenig in die Offensive. Man wird das Gefühl nicht los, dass der Sauerländer die Grünen schonen möchte. Machttaktische Spielchen sind seine oberste Priorität. Merz will Kanzler werden und zwar egal mit wem. Inhalte stören dabei nur.

Union schließt das Kapitel Atomkraft

Es sind oft die Zwischentöne, die im Eifer des Gefechts untergehen, aber die Union hat in Sachen Kernkraft aufgegeben. „Da sind wir uns doch einig”, sagt Friedrich Merz zu Robert Habeck auf die Frage, ob es einen Wiedereinstieg in die Kernkraft in Deutschland gibt. Die Union sagt leise Servus zu einer nuklearen Zukunft. Damit hat sich das Theater um einen Atom-U-Ausschuss als fauler Wahlkampf entpuppt. Der Ausschuss hat damit keinen wirklichen Sinn. Selbst wenn heraus käme, dass die Grünen aus ideologischen Gründen die Kernkraft abgeschaltet haben, will die Union sie in Zukunft ja gar nicht mehr nutzen. Da ist der Verbleib von drei Atomkraftwerken mehr oder weniger am Netz eigentlich egal. Diese Anzahl kann man auch durch Gas- und Kohlestrom ersetzen.

Die für die Zukunft interessante Entwicklung von Mini-Reaktoren, die Kernfusion und die Verwendung von Atommüll zu unterlassen, ist der wahre politische Fehler. Deutschland verpasst den technologischen Anschluss. Weltweit werden Atommeiler genehmigt, geplant und gebaut. Die Bundesrepublik ist international gesehen ein energiepolitischer Geisterfahrer. Irgendwann muss das Land die Technologie teuer aus dem Ausland importieren. Sinnvoller wäre es, wenn das eigene Know-how die Republik aus der politisch-gemachten Energiekrise holen könnte. Daraus wird leider nichts werden, weil die Politik die Forschung vergrault.

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