Tichys Einblick
Manche lernen nie

Bei Illner: Riesen-Staatsmann Gabriel

Donald Trump machte alles falsch, und das musste natürlich im ZDF besprochen werden. Gottseidank weiß der erfahrene Staatsmann Sigmar Gabriel alles besser.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Wer fehlte mit seinen beliebten wie bekannten Analysen? Auf jeden Fall Norbert Röttgen, Wolfgang Ischinger und Markus Feldenkirchen. Dafür war als würdiger Ersatz SPD-Staatsmann Sigmar Gabriel, früher deutscher Außenminister für europäische Interessen, Menschenrechte und Weltfrieden, jetzt Sprecher der Anti-Trump-Fraktion hüben wie drüben, der Atlantikbrücke. Dann der Donald-Trump-Beobachter des ZDF, Elmar Theveßen. Das Wort für die deutschen Kurden und Jesiden führte Düzen Tekkal und mit Ulrike Becker wie Daniel Gerlach saßen zwei Experten gemeinnütziger Organisationen am Tisch, die man auf die Schnelle leider nicht ausreichend analysieren kann.

Für Gabriel war klar, Trump hat mit dem Tötungsbefehl für Suleimani nur auf TV-Bilder der Angriffe auf die US-Botschaft im Irak reagiert. Quasi wie ein Pawlowscher Hund. Dabei wusste Trump wohl nicht mal, dass Suleimani heimlicher Verbündeter der USA gegen den IS war, wie Gabriel dem staunenden Publikum erklärte. Und ZDF-Mann Theveßen wiederholte, „Trump hat nicht nachgedacht“.

Stabile Labilität dient allen
Iran: Trump und Putin gegen zu viel iranisches Öl
Gabriel und Theveßen hätten das selbstgefällige Zwei-Personen-Stück ‘Trump der Depp‘ wohl ohne Schwierigkeiten die ganze Sendung durchgezogen, hätten sie nicht überraschend Feuer von der gemeinnützigen Historikerin Ulrike Becker bekommen. Der Tod des Kriegstreibers Suleimani habe im Nahen Osten auch spontane Freude ausgelöst, weil ein Peiniger verschwunden sei. Darüber würde bei uns nicht berichtet. Außerdem solle man aufhören, die Vertreter des verbrecherischen Mullah-Regimes hier ständig als Partner zu sehen. Und Tekkal berichtete von Trauerfeiern für den Terroristen in Berlin und Hamburg. Wahrscheinlich wurde auch in Schloss Bellevue eine Träne verdrückt.

Da analysierten Gabriel und Theveßen lieber, wie es weitergeht. Ob der Rachedurst des Iran nun gestillt sei nach den paar Raketen, die nichts Wichtiges trafen. Moment mal. Und der Abschuss der ukrainischen Boeing mit über 100 Toten? Der sei wohl möglicherweise „aus hoher Nervosität heraus“ passiert. Uns Laien erinnerte das an den Abschuss einer niederländischen Maschine in der Ukraine, der sofort und ohne Beweise zu Sanktionen gegen Russland führte, aber in diese Richtung mochten sich Gabriel und Theveßen nicht äußern, haben sie ja noch viel vor mit dem Iran.

Denn nun könnte „die Stunde Europas“ schlagen, träumte der Amtsvorläufer von unserem Heikos Maa. „Wir müssten jetzt…“, sagte er, weil wohl die Amis auf jeden Fall aus dem Wespennest aussteigen wollen, und meinte mit „wir“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die doch schon den großartigen Atomdeal ausgehandelt hätten – der auch die Unterschrift Frank-Walter Steinmeiers trägt –, der sich im Verlauf der Debatte aber als großer Schmu herausstellte. Denn der Deal sei mitnichten ein Schutz für Israel vor der iranischen A-Bombe. Schließlich seien keine militärischen Inspektionen erlaubt, schimpfte Frau Becker, „wir wissen doch gar nicht, was da ist.“

Moment, sagte Gabriel, die Internationale Atombehörde habe festgestellt, alles sei in bester Ordnung, aber das glaubte nicht mal sein Freund Theveßen, der stattdessen zum Besten gab, der Iran habe getrickst und getäuscht.

Erdogan macht die Rechnung ohne den Wirt
Wie Krieg unvermeidbar wird – das türkische Libyen-Experiment
Also die Europa genannte EU soll es richten, dieses stolze Schaukelpferd. Frankreich hat Interessen in der Region, Großbritannien sowieso, aber Deutschland? Hat Politiker, die gerne Weltpolitik spielen. „Eine Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland“ gebe es nicht, beklagte Theveßen, und Gabriel meinte, das ginge ja auch gar nicht – was leider nicht vertieft wurde. Da traf Düzen Tekkal die Sache auf den Punkt: „Die Deutschen haben keine Interessen, deshalb sind sie ja so beliebt.“ Beliebt wie der trottelige Patenonkel, solange er Geschenke bringt und sich für Mancherlei einspannen lässt. Und dann kam Frau Tekkal mit dem Zaubersatz der deutschen TV-Unterhaltung: „Wenn wir die Migration steuern wollen, dann müssen wir …“ Lächerlich. Inzwischen kommt längst Schwarzafrika, wir steuern gar nichts mehr.

Natürlich musste die moralische Frage geklärt werden, ob Trump mit der Liquidierung des Terroristen Völkerrecht verletzt habe. Sicher, sagte Sigmar Gabriel. Das habe Obama auch, kam von Elmar Theveßen, der habe völkerrechtswidrig Cyberangriffe gegen den Iran unternommen und Atom-Wissenschaftler in die Luft gesprengt. Außerdem habe Suleimani auf der Terrorliste auch der EU gestanden (was aber nichts Vergleichbares heißt), genau wie IS-Chef Baghdadi oder Bin Laden. Die Damen waren sich einig, dass der Schlag der USA eine Abschreckung erreicht habe wie lange nicht mehr. Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt.

Cummings sucht Querdenker
Großbritanniens Regierung will »echte Diversität im Denken«
Gabriel erzählte dann breit von den Untaten „des Westens“ im Iran, von Mossadegh und den Ölquellen bis zu Saddams geduldetem Giftgaskrieg – hier fühlt sich wohl die deutsche Gerechtigkeitspartei gefordert, obwohl keine deutschen Täter beteiligt waren. „Ihre Intention Wandel durch Handel, als Sie 2015 mit einer Handelsdelegation in den Iran reisten“, konterte Frau Becker, ist ja wohl gescheitert. Stimmt ja gar nicht, so Gabriel trotzig, und der Herr Gerlach hatte sogar Zahlen parat, denen zufolge die Anschläge der Hisbollah abgenommen hätten seit Gabriels Reise. „Weil sich der Iran auf Syrien fokussierte“, schlug Frau Becker zurück.

Jedenfalls bleibt die Lage explosiv, solange sich Sunniten und Schiiten in der Region hasserfüllt gegenüberstehen, da können Gabriel, Merkel und Maas sich auf den Kopf stellen. Die Kurden nutzen vielleicht die vermeintliche Gunst der Stunde und erklären ihren Teil des Irak für unabhängig, sobald sich der Türke in Libyen eine blutige Nase geholt hat, wenn ihn da nicht der Franzose vor bewahrt.

Gabriel von der Atlantikbrücke musste dann noch auf Wladimir Putin hinweisen. „Der wird kommen“, sei schon auf dem Vormarsch, verkaufe allen Flugabwehrraketen, werde immer wichtiger, wenn die Amerikaner die Region verlassen. „Wie lange wollen Sie an der Seite des Iran-Regimes bleiben, das gerade bei Protesten 1.500 Demonstranten umgebracht (Suleimani soll daran beteiligt gewesen sein!) und 7.000 in Folter-Gefängnisse geworfen hat?“ fuhr ihm Frau Becker in die Atlantikbrückenparade. Da blieb Gabriel eine Antwort schuldig. Außerdem hatte sein Bundespräsident gerade erst den Mullahs zum Machtjubiläum gratuliert.

Nein, Gabriel setzt seine ganze Hoffnung auf den November, dass die Amerikaner dann wieder eine vernünftige Außenpolitik bekommen. Darauf hoffen, wie beim letzten Mal, auch das ZDF, die ARD und alle, die guten Willens sind. Amen.

Lesen Sie Stephan Paetow auch auf
https://www.spaet-nachrichten.de/


Die mobile Version verlassen