Für ihren krönenden Abschluss vor der Sommerpause haben Illner und ihr Team sich einen großen Knaller zurechtgelegt: Olaf Scholz ist zu Gast – aber nicht im Anne-Will-Style im Vier-Augen-Jubel-Gespräch. Nein, Olaf Scholz wird in dieser Talkshow mit dem einfachen Volk konfrontiert. Okay, jetzt mal halblang, nicht dass sie jetzt noch in Begeisterung ausbrechen: Das einfache Volk durfte natürlich nicht einfach so vorbei kommen, das wäre ja noch schöner. Dann müsste man danach alles putzen und wenn sich so viele Leute im Studio tummeln, weckt das den Karl Lauterbach im ZDF-Abstellraum auf, der hat nämlich einen leichten Schlaf. Nein – die Vertreter der Bürgerschaft wurden natürlich penibel vorausgewählt.
Da ist Ralf Berning, der gleich zwei verstoßene Berufsgruppen repräsentiert: Einerseits ist er Intensivpfleger, andererseits Zeitsoldat. Außerdem Social-Media-Persönlichkeit und bekennender Sozialdemokrat, aber das wird bei Illner nicht erwähnt. Jackpot für die Illner-Redaktion, so kann man einen weniger einladen von diesen Normalos und Sendezeit sparen. Und super für Scholz ist es auch – zwei komplexe und schwer umstrittene Themengebiete in einem Abwasch abgehakt. Im Gespräch kommt dann raus: Familienvater wird er auch noch (herzlichen Glückwunsch an den werdenden Papa). Familienministerium, Gesundheitsministerium und Verteidigungsministerium – die drei wackeligsten Posten in der Scholz-Regierung, alle zuständig für Millionen von Menschen. Doch in dieser Sendung sitzt Berning nur Scholz gegenüber und der ist der Aufgabe, muss man leider sagen, nicht gewachsen. Seine Frage an den Bundeskanzler: „Auf was muss ich mich vorbereiten, was kommt auf mich zu? Und lohnt es sich für mich in der Zukunft überhaupt noch, voll arbeiten zu gehen?“
Dazu gesellen sich Cornelia und Steffen Stiebling, die zusammen eine Familienbäckerei in Thüringen leiten. Aus irgendeinem Grund sind in solchen „volksnahen“ Folgen von Talkshows immer, wirklich immer, Vertreter aus handwerklichen Betrieben entweder aus Sachsen oder aus Thüringen dabei. Nicht dass ich etwas gegen diese Personengruppe hätte, ganz im Gegenteil. Ich frage mich nur, wie dieses Muster entsteht. Werden die gecastet? Ist das ein Specialeffekt für die Zuschauer aus der Großstadt? „Oh wie süß, ich hab‘ noch nie so normale Menschen gesehen, die gehen ja noch richtig arbeiten und so. Schatz guck mal, so wohnen die Menschen auf dem Land. Glaubst du, die haben fließendes Wasser, da wo die herkommen?“
Seine Antwort: „Wir haben gerade heute viele Beschlüsse gefasst, dass wir Strom aus erneuerbaren Energien produzieren wollen, damit dauerhaft billiger sein wird“, direkt mit dem Anhang, dass das ja noch dauern werde, bis man das im Preis merkt.
Wenn Sie gestern Abend ein lautes Klatschen gehört haben, dann war das wahrscheinlich das Geräusch, das meine Hand gemacht hat, als ich sie mir gegen die Stirn geschlagen habe. Es ist zum wahnsinnig werden. Gerade gibt er noch zu, dass wir diese Probleme haben, weil wir uns von den Falschen abhängig gemacht haben. Und im nächsten Satz haut er dann raus, dass sein super toller Lösungsvorschlag eine unausgereifte Technologie ist, die ohne Subventionen auf dem Markt nicht überleben kann und überhaupt der Grund ist, weshalb wir uns von dem Falschen abhängig gemacht haben?
Undercover-Aktivistin als ganz normale Jugendliche
Dann ist da noch Rifka Lambrecht, ihres Zeichens Politik-Studentin. Also Achtung, Verwechslungsgefahr: Bei dieser Lambrecht handelt es sich nicht um eine gewisse, besonders inkompetente Ausgabe einer Verteidigungsministerin, auch nicht um einen Sprössling eben jener Helikoptermutter. Na, können Sie sich schon denken warum und wofür wohl eine Studentin in diese Sendung eingeladen wurde? Wenn Sie jetzt denken: „Die kommt mir jetzt aber nicht mit der Klimakrise“, muss ich Sie direkt enttäuschen – denn ja, sie kommt Ihnen mit der Klimakrise, und wie Sie Ihnen mit der Klimakrise kommt. „Es gibt Hilfen für Familien, es gibt Hilfen für große Unternehmen, es gibt Hilfen für den Transport und das Bewegen – tauchen in all den Dingen irgendwie auch Sie und Ihre Generation auf?“, fragt Illner Fräulein Lambrecht (wobei sie meiner Meinung nach den Spannungsbogen etwas überzieht.) Rifka antwortet: „Also außer dem 9€-Ticket ist bei mir persönlich nichts angekommen, aber das ist nicht meine größte Sorge…“ So hier muss ich sie mal direkt unterbrechen. Liebe Rifka, gerade weil es nicht deine größte Sorge ist, ist bei dir auch noch nix angekommen. Es ist schon so absurd, dass es fast wirkt, als hätte die gute Maybrit sie in die Falle tappen lassen. Die Bäckers Familie lässt Sätze fallen wie „Es ist ein Wunder, dass wir noch da sind“ oder „Wir wissen nicht, wie lange wir noch durchhalten“, und dann kommt die Rifka freudestrahlend um die Ecke, mit einer „Also bei mir läuft alles super, ich wollt nur mal fragen, warum Sie uns noch nicht alle Freiheiten geraubt haben, um die Erde in 100 Jahren ein bisschen kälter zu machen“-Einstellung.
Zu guter Letzt war dann auch Kateryna Mishchenko im Studio, eine ukrainische Verlegerin und Autorin, die aus Kiew geflüchtet ist. Sie wird von Scholz abgekanzelt mit leeren Worten über Demokratie und Frieden.
Also da haben wir‘s: Unsere Gesellschaft wird im ZDF vertreten durch zwei Quoten-Thüringer, einem Herren, der drei Schwerpunkte in einem verkörpern sollte, aber wenn es hoch kommt, fünf Minuten Sendezeit hat, einer Ukrainerin und einer Undercover-Aktivistin. Und Scholz, dem damit alle Vorlagen auf dem Silbertablett serviert wurden, kommt selbst dann noch ins Stottern. Fördermöglichkeiten, Subventionen – der Krisenbewältigungswortschtz von Olaf Scholz läuft irgendwie immer auf sozialistische Maßnahmen hinaus, die massiv in den Markt eingreifen. Das Wort „Steuersenkung“ kommt jedenfalls nicht vor – aber wie soll es auch? Denn Steuersenkungen kann Deutschland sich nicht leisten, jetzt wo unsere Volksvertreter sich gerade die Diäten erhöht haben.