Die US-Wahl nimmt neue Fahrt auf. Präsident Joe Biden wurde von seiner Partei aus der erneuten Kandidatur gedrängt. Monatelang hielt die Partei zu ihm und ließ die berechtigte Kritik an seinem Alter abperlen. Doch wegen des nahenden Wahltermins und der desolaten Umfragen kommt die Kehrtwende. In einer wohl orchestrierten Palastrevolte stürzte das Partei-Establishment den Präsidenten aus dem Amt. Mit der schwarzen Frau Kamala Harris haben die woken Demokraten ihre absolute Wunschkandidatin. Über ihren Minderheiten-Bonus kam sie zum Posten des US-Vize, jetzt soll sie so ganz nach oben gespült werden.
Trotz aller Vorschusslorbeeren geht sie nicht als Favoritin ins Rennen. Zwar löst ihre Kandidatur in der liberalen Presse Amerikas einen immensen Hype aus, doch ein Wahlkampf ist ein Stahlbad. In Amerika wird während eines Wahlkampfs alles durchleuchtet. Es bleibt abzuwarten, ob Harris nicht noch die ein oder andere Leiche im Keller hat. Auch die Runde bei Illner lässt sich zum großen Teil von der Harris-Euphorie anstecken. Wenngleich sich mehr Realismus in der deutschen Politik durchgesetzt hat. Im politischen Berlin hält man fest die Daumen für Harris und hofft, um eine Trump-Strategie herumkommen zu können. Deutsche Außenpolitik heißt, im November auf das Happy End zu warten. Wenn sich die Runde da mal nicht täuscht.
Der König fällt, die Dame triumphiert
Wer in der US-Politik etwas werden will, der braucht einen langen Atem und ein Gespür für Timing. Kamala Harris scheint beides zu haben. Nachdem der gebrechliche Joe Biden eine PR-Panne nach der anderen hinlegte, konnte Harris jetzt zuschlagen. Die Parteigranden der Demokraten hatten schlichtweg genug von einem Tattergreis als US-Präsident. Es fiel eine Last von der Partei ab und Harris machte einen perfekten Einstand als kommende Kandidatin.
Auch in der Illner-Runde findet die Kandidatur von Harris Anklang. „Den Republikanern wurde der Wind aus den Segeln genommen“, berichtet der CNN-Journalist Frederik Pleitgen. Die Kandidatur letztes Wochenende ins Rollen zu bringen und das Aufgeben von Joe Biden sind sicherlich kein Zufall. Die Republikaner hatten ihren großen Auftritt auf ihrem Parteitag letzte Woche. Es ging um Trump und das Attentat. Alle Scheinwerfer der Medien waren auf den Parteitag gerichtet.
Dieser Rummel ist jetzt erstmal vorbei. Die Medien sind jetzt voll von Harris. Trump und sein Running-Mate J.D.Vance sind außen vor. „Harris hat die Kraft, junge Wähler und Frauen zu mobilisieren“, meint die Vertreterin des Berliner Ablegers der demokratischen Partei Constance Chucholowski. Die Frage ist aber, ob das für die Demokraten zum Sieg reicht? CDU-Mann Jens Spahn will sich für keinen der beiden Kandidaten aussprechen. „Ich wünsche den USA einen Präsidenten, der das Land eint“, meint der frühere Gesundheitsminister. Spahn war beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee. „Aus nationalem Interesse müssen wir mit allen sprechen“, erklärt er.
Dieser diplomatische Grundsatz ist in den heutigen Zeiten eher zu einer Floskel verkommen. Es wäre zu begrüßen, wenn die Politik wieder zu den Wurzeln der Diplomatie zurückkehrt und tatsächlich ernsthafte Gespräche führt. Spahn ist sein Bemühen, gute Kontakte zu den Republikanern zu knüpfen aber durchaus abzunehmen. Anders sieht es mit der derzeitigen Bundesregierung aus. Olaf Scholz hielt es nicht mal für nötig, Donald Trump persönliche Genesungswünsche am Telefon mitzuteilen, als dieser nach seinem überlebten Attentat im Krankenhaus lag.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil war ebenfalls in den Staaten. Er sei klar für Kamala Harris als nächste Präsidentin, bekundet der Minister. Man habe einen guten Draht zur US-Regierung, so Heil. Immerhin spricht auch der linke Sozialdemokrat mit Republikanern auf seiner Reise. Was aber sowohl Spahn als auch Heil vermissen lassen, ist ein Plan für eine mögliche Regierung Trumps. Es ist eine Schwäche der Sendung, dass die Moderatorin nicht nach einem solchen nachfragt. Konkret werden beide nicht, was eine Präsidentschaft Trumps für Deutschland bedeutet. Der ökonomische Aspekt einer Trump-Regierung wird völlig ausgespart. Dabei drohte Trump mit Strafzöllen.
Trump, der Dealmaker
Wie geht es für die Ukraine nach der US-Wahl weiter? „Bei Donald Trump ist es möglich, dass er am ersten Tag Friedensgespräche führt“, mutmaßt CDU-Vize Jens Spahn. Donald Trump dürfte sicherlich daran gelegen sein, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Schließlich pumpen die USA viele Milliarden Steuergeld in die Ukraine. Mit mäßigem Erfolg, wie der Kriegsverlauf beweist.
Jens Spahn findet in der Sendung die Zeit, um über Trumps durchaus ansehnliche Außenpolitik zu sprechen. Der Republikaner habe mit seiner Iran-Politik im Nachhinein recht behalten, findet Spahn. Im Vergleich zu dem deutschen Desaster auf der außenpolitischen Bühne der letzten Jahre macht Trump in der Tat eine gute Figur. Spahn erinnert an den peinlichen Auftritt von Minister Heiko Maas, als dieser über Donald Trump bei der UN-Vollversammlung lachte. Dabei hatte Trump mit seiner Warnung vor einem russischen Abhängigkeitsverhältnis nur die Zukunft vorweggenommen.
Aber es herrscht auch Furcht in der deutschen Politik vor einem unberechenbaren Trump. Dieser könne über die Köpfe von Ukrainern und Europäern hinweg entscheiden, mahnt Minister Heil. Für die USA liegt der Fokus allerdings jenseits von Europa. „China ist der Hauptgegner“, erläutert Jens Spahn. Die USA sind in einem Wettstreit mit dem Reich der Mitte. Da sind sich Republikaner und Demokraten einig. Egal, wer ins Weiße Haus einziehen wird. Der Krieg in der Ukraine wird sich dem Ende zuneigen. Für Europa bedeutet die strategische Ausrichtung der USA, dass es in Zukunft sehr viel mehr für die eigene Sicherheit ausgeben muss, als es bisher der Fall ist.
Die Brandmauer führt zu amerikanischen Verhältnissen
Die amerikanische Gesellschaft ist tief zerrissen und gespalten. Der Grund liegt an der unversöhnlichen Haltung, in der sich die politischen Lager gegenüberstehen. Auch in der Bundesrepublik ist der Ton rauer geworden. Es liegt an neuen aufmüpfigen Parteien, die der Regierung das Wasser abgraben. Die AfD und das BSW sind für ihre politische Konkurrenz ausgemachte Feinde. Im Falle der AfD wird sogar jedwede Zusammenarbeit verweigert. Genau diese Haltung der Parteien führte in Amerika zu einer Spaltung, die in den deutschen Talkshows oft beklagt wird.
Wenn also Hubertus Heil sagt: „AfD und BSW dürfen das Land nicht regieren“, dann schließt der Sozialdemokrat viele Millionen Wähler aus. In den USA wurde von Washington aus ebenfalls mit dieser Attitüde regiert. Donald Trump nutzte genau diese ignorante Haltung der etablierten Politiker für seinen Aufstieg. Deutschland ist zwar in vielem nicht so extrem wie die USA, aber auch hier gibt es eine Polarisierung und eine Entgleisung der politischen Kaste. „Wir kennen die Wortwahl in Deutschland nicht“, meint Jens Spahn zur aufgeheizten Rhetorik in den USA.
Ob er sich da sicher ist? „Nazis“, „Nazi-Partei“ oder „Verfassungsfeinde“ sind Titulierungen seines CDU-Parteifreundes Hendrik Wüst über die AfD. Auch in Deutschland verroht die Debatte. Im Kampf um die politische Macht sinkt die Bereitschaft, das Niveau zu wahren. Nicht nur der US-Wahlkampf wird schmutzig. Nächstes Jahr wird der Bundestagswahlkampf ebenfalls ziemlich unsauber werden. Dafür sorgt die Brandmauer.