Heute beginnen wir mit dem zugeschalteten, rasenden Reporter Theo Koll, der einen SPD-Stimmungsbericht lieferte von einem Ort, den er so beschrieb: „Ganz nah am Kanzleramt, wo ansonsten Kabarett gespielt wird“. Da hat er ein feines Witzle gemacht, der Theo Koll, fast wie in der „Heute Show“. Um einiges besser war da allerdings der Scherz, der im Laufe des Tages die Runde machte. Ein Youtuber namens Klemens Kilic hatte sich als Norbert Walter-Borjans ausgegeben und den SPD-Chefkandidaten Ralf Stegner (er kam als 14. durchs Ziel) angerufen und gefragt, ob Stegner als Nachfolger von Olaf Scholz als neuer Finanzminister zur Verfügung stünde. Zutrauen würde er sich das, so Ralf selbstkritisch, aber er müsse das erst mit seiner Frau besprechen.
Ja, die Spezialdemokraten sind ordentlich durch den Wind, wie Rebhühner, die in einen Windkraftanlagenstrudel geraten sind, und da ist jederzeit alles möglich. Wohl um die Gemüter der alten Genossen, die vor lauter Klima und Digitaloffensiven vollends die Parteiorientierung verloren haben, etwas zu beruhigen, hatte Maybrit Illner die SPD-Legende Kurt Beck eingeladen – Sie erinnern sich, Nürburgringdesaster, Arbeitslose sollen sich erst mal vernünftig rasieren, etc. –, der frisch gefönt und rasiert sozialdemokratische Zuversicht personifizieren sollte.
Nun weiß auch Kurt Beck, dass seine Sozialdemokratie derzeit ein gäriger Haufen ist, wo alles möglich scheint, aber er beschwört den Erhalt der Groko, „weil es um Menschen geht“, vor allem anscheinend um Friseusen, weil er die extra hervorhob. Außerdem guckt er in die Welt und sieht „gigantische Herausforderungen“, in Schie-lé zum Beispiel, da müssen wir „ernsthaft drüber reden“ in der Groko. Und dann sind da „die Kräfte außerhalb des Spektrums“ (Sie wissen schon, wen er meint, jedenfalls nicht die Linksradikalen von der SED N.O.).
Als Tanit Koch, die zwei Jahre Chefredakteurin der „Bild“-Zeitung war, „das drittklassige Chefpersonal der SPD“ beklagte, da konnte Kurt noch mal zeigen, was in ihm steckt.
„Schwer erträglich“ sei das, polterte er, „neu antretende Leute als drittklassig zu benennen!“
Aber Tanit Koch ließ nicht locker. Nowabos Schuldenhaushalte in NRW könne man ja wohl nicht erstklassig oder zweitklassig nennen.
„Sie behaupten hier in aller Öffentlichkeit…“, zürnte Beck weiter, der Herr Borjans sei ein „exzellenter Finanzfachmann“. So könne man „Menschen nicht runtermachen“.
„Und Sie hätten Olaf Scholz nicht so runtermachen dürfen“, trotzte Tanit Koch zurück, wobei sie nicht Beck meinte, sondern die Linken in der SPD.
Ein wenig Schattenboxen, das war‘s dann auch schon. Denn die Spezialdemokraten haben längst Angst vor der eigenen Courage, und ihre vollmundigen Erpressungsversuche des Koalitionspartners gleich zu Beginn ihres Parteitages schnell eingestellt. Zu groß ist die Gefahr, dass die Union hart bleibt und die Genossen einen sprunghaften Anstieg beim arbeitslosen Führungspersonal anzumelden haben.
Deshalb „kommt der Antrag der Linken auf eine Beendigung der Groko wohl nicht“, so Beck. Spannend soll es für Leute, die so was spannend finden, werden, wenn es um die Wahl der Chefstellvertreter geht. Eine Frau ist gesetzt, jetzt geht es nur noch um die Frage „Kommt Kevin?“ Oder wird’s Hubertus Heil, der als Gegenkandidat geschickt wurde. Wahrscheinlich beide, wie man die Sozis kennt.
Nur Johanna Uekermann von Bayerns SPD – in Bayern steht die SPD, weil vom Aussterben bedroht, unter Artenschutz, so dass in diesem Klima besonders bunte Vögel gedeihen konnten – drohte noch ein wenig mit Koalitionsaustritt, „wenn sich nichts bewegt“. Sie träumt von Rot-Rot-Grün, wofür es zwar „im Moment“ keine Mehrheit gebe, aber Johanna ist da nicht so pessimistisch. Wo doch die SPD so „tolle Ideen hat, Kindergrundsicherung, Vermögenssteuer…“ „Es gibt auch ein Leben nach der Groko“, behauptet die Bayerin forsch, aber sie hat leicht reden, gibt es doch in Bayern für die SPD nur ein Leben in der Opposition.
Markus Feldenkirchen vom Spiegel, der durch sämtliche Staatsfunktalkshows weitergereicht wird wie Florian Silbereisen durch die Schlagershows, ist ein wenig traurig, dass es nicht zur Revolution gekommen ist. „Sollte die Wahl eine Revolution gewesen sein, hat die Konterrevolution begonnen“, so der offenbar belesene Mann. Von weichgespülten Leitanträgen war dann die Rede, und dass auch die Revisionsklausel – laut der die Groko in der Halbzeit prüft, ob’s weitergeht, zwar „von der SPD erfunden, aber nicht ernst gemeint gewesen“.
Die Illner-Redaktion frotzelte dann den Gast Herrn Hans von der CDU-Saar mit Zitaten wie, die CDU liege „stabil unter 30 Prozent“ und Merkels „Ich bin dabei“, aber der AKK-Nachfolger im Saarland war die Ruhe selbst. Vielleicht war‘s auch die Schilddrüse. Ein paar Grokobinsen von der Art: „nur noch fünf Punkte abarbeiten“, „wir brauchen Investitionen in die Stahl- und Autoindustrie“. Danke. Beifall bekam er für die Feststellung „Was mit der SPD ist, interessiert die Menschen nicht!“, und Beck schaute traurig. Uekermann hatte dann noch ein Zitat von AKK falsch verstanden, fand es aber trotzdem „widerlich“.
Vielleicht sollte ja die CDU aus der Groko aussteigen? Hmm, sagte Markus Feldenkirchen, nur wenn SPD und CDU gemeinsam sagen „isch over“, könnte es AKK nützen. Die hatte immerhin schon mal im Saarland dem Koalitionspartner FDP die Brocken hingeworfen, aber „das war anders“, so Herr Hans, der im übrigen findet, „die Menschen haben das Recht, regiert zu werden“. Aber nicht die Pflicht, Herr Hans.
Eine Minderheitsregierung fand nur Herr Feldenkirchen gut, Herr Hans nicht, obwohl die Union dann 15 Minister stellen könnte. „Erst das Land, dann die Partei“, sagte Herr Hans, ohne rot zu werden. Und eine schwarz-grüne Regierung sei „auch nicht das Paradies“, fand Herr Beck. Und Frau Uekermann warf noch ein, dass ja demnächst eintausend Milliarden Euro für die EU bereitgestellt werden müssten, da wäre die SPD schon gerne dabei.
Warum Tanit Koch dann noch unbedingt ein besonders Lob für Merkels „Flüchtlingspolitik” unterbringen musste, weiß der Teufel. Das sei „eine Notlage gewesen“ so die Frau, die mit ihrem damaligen Chef Diekmann bei Bild die „Refugees Welcome“-Fanfaren blies, bis das Blatt einen Großteil seiner Auflage verlor. Die Notlage bezog sich vielleicht auf einen kleinen Teil der paar Tausend Migranten, die in Ungarn gestrandet waren, nicht aber auf die Millionen, die danach ins Land strömten. Wie gesagt, keine Ahnung, warum Tanit Koch das aufs Tapet brachte, denn eigentlich ging es ja um eine andere Problemgruppe. Die Spezialdemokraten. Weil sie auf der Flucht sind vor sich selbst?
(Für einen Ring-Fehler in einer frühmorgendlichen Fassung entschuldigen wir uns)
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