Tichys Einblick
Atomkraft-Debatte ausgegrenzt

Bei Illner: Reißt euch zusammen, Putin spricht Deutsch und könnte zusehen!

Bei Illner diskutiert eine lustlos zusammengewürfelte Truppe über Ukraine, Energie und Atomkraft. Wirklich etwas tun, will mal wieder keiner - darum überbietet man sich mit leeren Kampfansagen. Ob man Putins Lachen bis Berlin hörte, wenn er so eine Sendung sieht?

Screenshot ZDF: MAybrit Illner

So langsam bin ich die falschen Versprechen leid. Letzte Woche hat man schon die Illner-Belegschaft Last Minute umgeworfen, dieses Mal schon wieder. Angekündigt für die Folge: „Krisengipfel gegen Putin – wie lange hält der Westen durch?“ war eigentlich Maggus Maximus Söder. Und ich habe gewartet und gewartet, aber er ist nicht gekommen. Schade, sehr schade, so hätte sich mein Artikel von alleine geschrieben. Aber der Markus S. gehört jetzt endlich zu den coolen Kids. Er stand neben Biden, hat festgestellt, dass er größer ist als er, hat die schönsten Frauen seines schönen Bayerns mit Blumen im Dekolleté zur Schau gestellt und war zum ersten Mal so richtig wichtig – an Olaf Scholz hat niemand mehr gedacht. Wer einmal Bundeskanzler-Luft geschnuppert hat, der kommt nicht mehr zu Illner, es sei denn, er darf sich von der Air Force One aus zuschalten.

Doch Söder wird dennoch ausgiebig gewürdigt. Als Ersatzmann Manfred Weber (CSU) auf die „steile Lernkurve“ von Rot-Grün hinweist, droht Illner, sie könne ja „auch mal zu zitieren, was Markus Söder irgendwie alles gesagt hat.“ Das wäre sein politisches Ende …

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Bei einer kurzen Atomkraft-Debatte meint Grünen-Chef Nouripour: „Ich würde gerne hören, ob in der CDU/CSU wirklich die Meinung da ist, wir machen einfach keinen TÜV, 18 Jahre lang!“. Eine Atomkraft-Debatte hält er für absurd: „Und das in Zeiten, in denen die Welt die Luft anhält, wenn die russischen Streitkräfte in Tschernobyl vorbeifahren! Eine groteske Situation, die nur dazu da ist, damit Herr Söder im Winter sagen kann, das hab‘ ich euch doch gesagt!“ so Nouripour.
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Auf einmal wieder NATO

Während ganz Deutschland sich über bayrische Trachten aufgeregt hat, hat keiner mitbekommen, was beim großen NATO-Treffen beschlossen wurde – aber hallo, wurde da was beschlossen. Die schnelle Eingreiftruppe der NATO soll  auf über 300.000 Soldaten verstärkt werden. Dazu will Deutschland 15.000 Soldaten, 60 Flugzeuge und 20 Marineschiffe betragen. Tja, da tut mir die NATO-Truppe ja jetzt schon leid. Ich hoffe, man hat vorher auch vertraglich festgehalten, dass die Flugzeuge fliegen und die Schiffe schwimmen können müssen, sonst könnte das zu Überraschungen führen. Zum Glück hat man sich wohl davor geschmissen, bevor Deutschland noch Panzer spendieren will, denn so viele schwangere Soldaten wird es an der Front nicht geben.

Ich bin ja immer wieder überrascht, wie ernst Deutschland noch genommen wird. Gerade bei so Themen wie Verteidigung – ein Blick auf unsere Verteidigungsministerin und jede ausländische Macht müsste sich doch denken: „Kommt schon, die wollen doch angegriffen werden“. Trotzdem kann sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ohne zu lachen hinstellen und Illner gegenüber Deutschlands Rolle bei der strategischen Neuausrichtung des Verteidigungsbündnisses würdigen.
Der NATO-Chef gibt sich jedenfalls zuversichtlich: „Dieser Krieg wird wahrscheinlich am Verhandlungstisch enden. Und wir wissen, dass es eine enge Beziehung gibt zwischen dem, was man bei Verhandlungen am Tisch erzielen kann, und der Stärke und der Position auf dem Gefechtsfeld.“

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Es ist „die wahrscheinlich größte Krise seit dem zweiten Weltkrieg“, sagt Illner auch – irgendwo habe ich das doch schon mal gehört. Hmm vielleicht bei jeder anderen Krise, die wir vor dieser hier hatten? Aber gut, dann ist das jetzt eben so. Dann frage ich mich aber doch: wo zur Hölle ist unsere Verteidigungsministerin? Die ganze Welt hat jetzt den Ministerpräsidenten von Bayern gesehen, aber warum sieht man Lambrecht nicht, ausgerechnet dann, wenn Deutschland sich verpflichtet extra 15.000 Soldaten zur Verfügung zu stellen und was sonst nicht noch alles? Ist das geplant? „Haltet bloß die Olle von dem Kameras fern, schickt die nach Sylt oder was auch immer. Ihr ganzes Erscheinungsbild ist eine Gefahr für die Nazionale Sicherheit!“. Tja, alles Probleme, die man nicht hätte, wenn man sich mal hingesetzt und vor sich hin philosophiert hätte, für welche exotischen Fälle bitte ein Verteidigungsminister gut ist. Aber unsere Regierung vergibt ja Posten wie Plätze in der Achterbahn.

Die einzigen, die gerade auch noch mit massiven Personalproblemen zu kämpfen haben, sind die USA. Sogar Claus Kleber meint bei Illner: „Zunächst mal ist Joe Biden ein außerordentlich schwacher Präsident im Inneren. Seine Umfrage- und Beliebtheitswerte, die nicht unwichtig sind, sind auf Rekord-Tiefständen. Er hat es nicht geschafft, auch für seine Partei eine Perspektive über sich selbst hinaus auch nur anzudeuten. Es gibt innerhalb der demokratischen Partei im Moment keinen Hoffnungsträger, keine Hoffnungsträgerin – die Vize-Präsidentin zum Beispiel ist es sicher nicht. Das taumelt in Richtung Konkurs.“ Ein Rundumschlag gegen die ganze Belegschaft der US-Demokraten. Um die Kurve zu kriegen, schwurbelt Kleber dann über die Rechte, die in Amerika schon lange die Demokratie zermürbe – aber die wahre Botschaft wird klar, auch Claus weiß das tief in sich drin: Bei Trump hätte sich der Putin das nicht getraut.

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Aber was wäre eine Illner-Sendung ohne sozialistische Umverteilungsfantasien? Ganz richtig, unter Genossin Maybrit gibt es sowas nicht. Und deshalb bekommt die Sendung dann auch noch die wohl verdiente Wendung hin zum Gas. „Friedensforscherin“ Nicola Deitelhoff findet, wenn es soweit ist, sollte eine kluge Politik dafür sorgen, „sodass eben diejenigen, die auch mehr Lasten tragen können, diese tragen“. Manfred Weber – ja den gibt‘s noch – findet derweil, dass wir einen Rückfall in „nationale Egoismen“ für den Fall, dass Russlands Präsident Wladimir Putin im Herbst die europäische „Solidarität in Energiefragen“ testen könnte, auf jeden Fall vermeiden müssen. Was doch schon etwas nachdenklich macht, bedenkt man, dass Habeck die Alarmstufe ausgerufen hat und unsere Politiker nicht einmal sicher sind, ob sie uns im Winter versorgen können.
EVP-Chef Weber setzt noch einen drauf: „Wir sind heute natürlich nicht Kriegspartei, aber wir sind Kriegsziel!“

„Das alles soll Putin beeindrucken und diesen Krieg beenden“, sagt Illner über diese Aufrüstung. Ganz ehrlich, es macht mir verdammt Angst, dass Putin so gut Deutsch spricht. Jeder andere Despot, bräuchte Dolmetscher und müsste überhaupt erstmal darauf kommen, sich einfach mal unsere Presse durchzulesen, ist ja eigentlich alles frei verfügbar. Die könnte man vielleicht beeindrucken, wenn man als Deutschland mit Schiffen und Soldaten um die Ecke kommt. Aber bei Putin kann ich mir gut vorstellen, wie der an seinem riesigen Tisch sitzt und sich morgens die FAZ bringen lässt oder tatsächlich die eine oder andere Talkshow einschaltet. Und wenn er das tut, dann sind wir echt am Ende, denn der Tag an dem man mal im Ausland mitbekommt, was hier in unserem Land so abgeht, wird kein schöner Tag für uns sein. Dann sind wir vogelfrei.

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