Jetzt ist auch Illner aus der Winterpause wieder zurück. Für den Tagesspiegel wohl eine Erleichterung. Der hat nämlich zum letzten Heiligabend im Artikel „Fernseh-Weihnacht in Corona Zeiten: Warum Anne Will zu Aschenbrödel gehört“ gefordert, dass Talkshows wie Anne Will, Maybrit Illner und Frank Plasberg nicht in die Winter-Ferien gehen, denn: „Die Talkshows in ARD und ZDF formen in den Pandemie-Zeiten das Meinungsbild über die geeigneten und ungeeigneten Maßnahmen mit, hier wird diskutiert, was in manchem Querdenker-Hirn schlichtweg abgeblockt wird.“ Heiligabend ist auf einen Donnerstag gefallen, also den Tag, an dem Illner läuft – da ist es natürlich unzumutbar, Aschenbrödel auszustrahlen, wenn man den Menschen zur Bescherung unter dem Weihnachtsbaum die Todesstatistiken rezitieren hätte können. Die Redakteure der Sendung scheinen sich die Kritik zu Herzen genommen zu haben. Und so haben sie, wohl als Wiedergutmachung, gestern das größte irgend mögliche Aufgebot zusammengefahren.
Bei dieser Corona-Elite darf natürlich zu allererst Gesundheitsminister Jens Spahn nicht fehlen (dass Karl Lauterbach da ist, muss nicht extra erwähnt werden). Spahn konnte nicht lange bleiben, doch in den wenigen Minuten, die er da war, hat er den Satz „Wir haben kein Mengenproblem“ (bei der Impfung) bestimmt drei Mal gesagt. Gerade gestern hat Israels Gesundheitsminister bekannt gegeben, dass Israel ab nächster Woche palästinensische Gefangene impfen will. In Deutschland sind wir nicht einmal mit den Altenheimen durch. Jens Spahn sagt dazu: „Wir haben kein Mengenproblem, wir haben ausreichend Impfstoff bestellt. Das Thema jetzt ist die Knappheit zu Beginn, das hätte auch keine größere Bestellung verhindert.“ Alles klar.
Apropos Drama und Entertainment. Nicht Karl Lauterbach legte an diesem Abend den lächerlichsten Auftritt hin, aber dazu gleich.
Im vergangenen Jahr hielt Lauterbach den Rekord für die meisten Talkshowauftritte und er scheint diesen Titel emsig verteidigen zu wollen. Aber dabei geht es ihm natürlich nicht um sich selbst oder gar den Wahlkampf, erklärte er vor wenigen Tagen auf Twitter. Der Grund warum er vor jede Fernsehkamera hüpft, die ihm in den Weg kommt, sei angeblich um „einen kleinen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie zu leisten“.
Nun entweder es ist die selbstlose Opferung für den guten Zweck, oder vielleicht auch die Sehnsucht nach sozialen Kontakten. Wie auch immer: Er ist nicht gekommen, um Freundschaften zu schließen. Er ist gekommen, um zu warnen, dass die Mutation des Virus gefährlich ist. Selbst wenn die nicht tödlicher ist, würde sie mehr Tote fordern, weil das Virus ansteckender sei. Auf die Spitze treibt er es, als er sagt „Es ist fast so, als wenn da eine neue Pandemie starten würde.“ Sollte das geschehen, so Lauterbach, wären selbst die Lockdown-Methoden, die wir bis jetzt angewandt haben (den jetztigen Lockdown bezeichnete er dabei als „halbherzig“) nicht mehr ausreichend. Auch Impfen wäre dann nicht mehr hilfreich, weil man nicht mehr hinterher kommen könnte. Zusätzlich zu diesem wunderbaren Ausblick, dass wir unser freies Leben wahrscheinlich nie wieder erhalten werden, erklärte er auch äußerst lebhaft, dass alte Menschen so schnell sterben, dass sie es gar nicht aus dem Pflegeheim raus in die Intensivstation schaffen. Also im Grunde nichts neues von der Lauterbach-Front außer vielleicht eine Sache – und zwar, dass die Aussagen tatsächlich von einem Gast übertroffen werden.
Hirschhausens Anti-Fake-News Schutztruppe
Noch kurz zu den beiden weiblichen Gästen der Sendung. Von denen war keine besonders redselig. Vor allem Claudia Kade nicht, die Ressortleiterin Politik bei der Welt. Sie hat ein wenig kritisiert, ein wenig widersprochen aber vor allem geschwiegen. Bei dem zweiten weiblichen Gast handelt es sich um Eva Hummers, Mitglied der ständigen Impfkommission. Sie war auf der Mission – was man sich ja denken kann – , den Impfstoff hochzujubeln. Das gelang ihr aber besonders an einer Stelle nicht, als sie versichern wollte, dass die Bewohner der Altenpflegeheime sich besonders über die Impfung freuen. Sie erklärte nämlich, dass besonders die Alten sich für die Impfung bedanken würden – „so sie in der Lage sind“. So sie in der Lage sind, bedanken sie sich, so sie etwas anderes sagen, sind sie nur nicht in der Lage. Geht’s noch kälter?
Aber nun zum Star des Abends: seine Exzellenz, Herzog aller dritten Programme, Oberster Medizinmann des Stammes der Samstagabend-Quizshowzuseher, Omas Lieblingsschamane und ungefragter Beschützer ihres Cholesterinspiegels, Dr. Eckart von Hirschhausen. Er sorgt bei Illner für die volle Dröhnung.
Er ist jetzt Proband einer Impfstudie, das macht ihn natürlich zum ganz großen Corona-Experten und wenn man kurz dachte, er macht etwas Uneigennütziges: Über Eckarts Selbstexperiment läuft natürlich eine Sendung zur Primetime in der ARD – die er groß und breit ankündigt und bewirbt. Wahrscheinlich ist er nur deshalb gekommen. Aber an diesem Abend hat er zusätzlich beschlossen, alle Themen unter der Sonne abzudecken – aber das macht er ja sowieso immer, er ist schließlich Experte ohne Geschäftsbereich.
Aber wem selbst das noch zu soft ist, der sei beruhigt. Denn Eckart denkt auch an die wirklich wichtigen Katastrophen der Welt – den guten alten Klimawandel. Er befürchtet, dass Corona davon ablenken könnte. Das wäre seiner Meinung nach furchtbar, denn es breche ja jetzt das Jahrzehnt an, in dem sich entscheidet, ob wir auf diesem Planet bleiben können. Und außerdem gab es im Sommer ja auch mehrere Tausend Hitzetote.
„Das ist die wahre Übersterblichkeit“. Weil Menschen, die an einem Hitzeschlag sterben, ja auch direkt auf den Klimawandel zurückzuführen sind – klar, und alle, die an einem Stromschlag sterben, sind Opfer der Energiewende …
Immerhin eines muss man Illner aber zu Gute halten: Es war keine Sendung zum Einschlafen.