Tichys Einblick
Brexit-Poker – Schrecken ohne Ende?

Bei Illner: Mau Mau am Pokertisch

Illner über den Brexit-Poker? Sie kennt offensichtlich die Pokerregeln nicht und hat auch noch nie vom Bluffen gehört. Die Sendung mit 5 Stühlen und 1 Meinung erinnerte eher an Mau Mau.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Was haben sie sich bei der Abteilung Agitation und Propaganda mit dieser Sendung nur gedacht? Keine grünen Belehrungen, keine roten Forderungen – ist das nicht eine Verschleuderung teurer Werbezeit so kurz vor den EU-Wahlen? Die einzige Erklärung, die wir finden konnten, wäre diese: Man will dem Zuschauer die Überlegenheit unserer Demokratie mit ihren folgsamen und im Gleichschritt denkenden Parlamentariern aufzeigen, im Vergleich zu dem unordentlichen Haufen englischer Abgeordneter, die offensichtlich mächtig Freude an Streit und Widerspruch haben.

Die Briten haben schon gewonnen – wetten?
Brexit: die ungeordnete Verlängerung als Chance
Entsprechend zusammengeschnitten war ein Filmbeitrag aus dem englischen House of Commons mit ihren lauten „Nays“ und „Yeahs“. Und wenn Britannien in Scherben fällt – ein neues Referendum wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Undenkbar bei der EU Auffassung von Demokratie, wo so lange gewählt wird, bis es passt. Entlarvend der Wortbeitrag eines Tories aus London: Bewegt sich die EU jetzt noch einmal ein bisschen, dann klappt der geordnete Brexit schon beim nächsten Mal.

Auch wenn der Schonklod noch so laut tönt, natürlich wird sich die EU „bewegen“ und am Ende sitzen wir da in Brüssel, ohne die Briten und mit mehr Problemen als zuvor. Dass die EU sich bewegt, glaubt auch Alexander Graf Lambsdorff, der Neffe vom alten Otto und einer dieser Namenserben, der bei Illner neben Susanne Schmidt saß, der Tochter von unserem großen Helmut (Generationsgefälle). Derek Scally schreibt für die „Irish Times“ und durch ihn lernten wir, dass die Iren beleidigt sind wie eine vernachlässigte Ehefrau, weil England und vor allem auch die englische Presse sich kein bisschen für die grüne Insel interessiert hätten. Ganz anders als die Kontinentaleuropäer, so der enthusiasmierte Ire, mit Brüssel sei es harmonisch wie in einer Jazzkapelle.

Eine neue Stimme in der EU
Kurz: Brexit zwei Jahre später?
Neffe Lambsdorff schlug vor, die Außengrenze der EU einfach in die irische See zu verlegen, weil er als guter Deutscher bei Grenzen eh nicht so pingelig ist, aber da bekam er schon von Anne McElvoy vom „Economist” Contra. Anne, gekleidet mit dem eigensinnigen Geschmack der britischen Hausfrau, sollte dann die britische Position gegen alle anderen verteidigen, obwohl sie bestimmt ein Remainer ist, aber sie machte das doch recht gut. „Was hätten wir denn besser machen sollen?“, fragte Lambsdorff, sicher, dass es nichts besser gemacht zu haben gäbe. So ist es eben, geistig mittellose Namenserben können nicht so gut zuhören, sie wissen, wie es geht. „Der Ton“, war die Antwort, mit dem als Seitenhieb zu verstehenden Hinweis auf Italien. Und komisch, wir müssen da immer an Großmäuler wie Schulz denken und automatisch nicken.

Apropos: Auch im heute völlig anders besetzten Publikum wurde viel genickt. Heute saßen da vor allem ältere Herrschaften und eine Dame im Hijab, und die üblichen Claquere von Rot-Grün fehlten.

Dietrich von Gruben, Unternehmer im Sanitärbereich, saß am Tisch, weil Britannien sein Haupt-Absatzmarkt ist. Und er sagte, was er wohl schon seit 2016 sagt, nämlich, es sei besser, wenn die Briten blieben, was aber nicht hilft.

Brexit: Der Deal ist noch lange nicht tot
Geht es Ihnen, verehrte Leser, auch schon so wie Franz Josef Wagner, dem verrückten Franz von der „Bild“, der schrieb „Wenn im Radio, im Fernsehen Brexit vorkommt, schalte ich weg. Es interessiert mich nicht.“? Und in der Tat, selbst mit unseren üblichen Tricks der Zuspitzung und Verkürzung fällt es schwer, über diesen Abend einen Krimi zu schreiben. Interessant vielleicht noch, dass, wenn sich die Chose noch lang genug hinzieht, die Briten sogar bei der EU-Wahl teilnehmen könnten.

Susanne Schmidt, deren „Herz ein wenig links schlägt“, klärte uns dann noch über die stalinistisch geführte englische Sozialdemokratie auf, und Lambsdorff steuerte zwei hübsche Sprachbilder zum Abend bei. Einmal die Schiffe aus Hongkong, die nicht wüssten, ob sie nun in England Zoll zahlen müssten, und dann, dass die Engländer ja nicht ablegen und wegrudern, um dann in Manhattan wieder anzulegen.

Das führt uns kurz zu Donald Trump, der aus Washington hatte verlauten lassen, es hätte überhaupt nicht so weit kommen müssen wie heute, wenn „Teresa May auf mich gehört hätte“. Das wiederum führt uns zum Titel der Sendung, nämlich „Brexit-Poker“, und wir können uns nicht helfen, aber wir glauben nach wie vor, dass die Briten ein besseres Blatt auf der Hand haben. Good Night.

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