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Erstarrte Linien im Studio

Bei Illner: Haben Friedensverhandlungen eine Chance?

Bahnt sich eine diplomatische Lösung für den Krieg in der Ukraine an? Wohl kaum. Die Ukrainer leisten noch Widerstand gegen den russischen Traum vom Imperium. Selenskyj hat einen geheimen Siegesplan. Von Fabian Kramer

Screenprint ZDF

Wie in einer Endlosschleife dreht der militärische Konflikt in der Ukraine seine Kreise. Der große militärische Befreiungsschlag will der Ukraine nicht gelingen. In politischen Kreisen wird deshalb über eine Friedenskonferenz mit Russland nachgedacht. Kanzler Olaf Scholz stellte den Gedanken im Sommerinterview in den Raum. Aber wie realistisch ist die Chance auf eine schnelle diplomatische Beilegung des Konflikts?

Beide Seiten versuchen nach wie vor, ihre Verhandlungsmasse auf dem Schlachtfeld festzulegen und nicht an einem Tisch in einem noblen Hotel. Der Kanzler ist ein Getriebener der öffentlichen Meinung. Die Stimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung hat sich verändert. Immer neue Waffenlieferungen und immer neue angebliche Offensiven der Ukrainer haben keinen entscheidenden Fortschritt für eine starke Position der Ukraine bewirkt. Die Deutschen sind deshalb skeptisch geworden, was weiteres militärisches Säbelrasseln angeht. Obwohl die Ukraine mehr westliche Waffen verwenden kann als zu Beginn des Krieges, kommen die Ukrainer nicht voran, Gebiete zurückzuerobern. Unter hohen Verlusten sichern sich die Russen immer mehr Teile der Ostukraine.

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Eigentlich bedarf es keiner neuen Talk-Runden zur Ukraine. Illner lädt trotzdem dazu ein. Geladen sind die immer gleichen Politiker, an diesem Abend Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Gregor Gysi, und die immer gleichen „Experten“. Von den Freunden der Waffenlieferungen erklingen die immer gleichen Durchhalteparolen, doch kann keiner irgendeinen Fortschritt seit den Lieferungen benennen.

Auf der anderen Seite sitzen die Diplomatie-Verfechter und wollen möglichst schnell Frieden, obwohl Putin sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen hält. Der Gebührenzahler bekommt für sein Geld sich in sich selbst erschöpfende Runden, in denen seit mehr als zwei Jahren dieselben Standpunkte durchgekaut werden. Es wäre eine vernünftige Idee, erst wieder über die Ukraine zu sprechen, wenn es konkrete Entwicklungen gibt. Alles andere ist reine Verschwendung von Sendezeit.

Der Kanzler spricht von Frieden

Weil Wahlen im Osten anstehen und es sich dort besonders gut macht, wenn ein Politiker von Frieden spricht, teilte Olaf Scholz im ZDF-Sommerinterview vor einer Woche seine Hoffnung auf eine Friedenskonferenz mit Russland der Öffentlichkeit mit. Sehr realistisch ist diese Idee im Moment nicht. Von Deutschland aus wird wahrscheinlich auch keine ernstzunehmende Initiative ausgehen. „Größte Hoffnung ist, dass Joe Biden noch eine Friedenskonferenz macht“, meint die Osteuropa-Expertin Sabine Adler. Joe Biden? In weniger als zwei Monaten wird in den USA gewählt und Biden zeichnet sich nicht gerade durch bestechende Virilität aus. Alle Kraft, die er noch aufbringen kann, wird in den Wahlkampf investiert.

Für den Alt-Linken Gregor Gysi hingegen ist eine Friedensverhandlung mit Russland die einzige Lösung des Konflikts. „Die Ukraine und Russland können beide nicht auf dem Schlachtfeld gewinnen“, vermutet er. Er dürfte damit richtig liegen. Der blutige Abnutzungskrieg wird auf absehbare Zeit keinen großen Sieger hervorbringen. Allerdings sind sowohl Kiew als auch Moskau gewillt, den Preis für Verhandlungen in die Höhe zu treiben.

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Der Westen könnte aber den Druck auf Putin für schnellere Verhandlungen erhöhen, findet Frank Sauer von der Bundeswehruniversität in München. Er fordert: „Wir müssen Putin unter Zugzwang setzen.“ Eine reaktive Politik sei nicht der richtige Weg, so Sauer. Man müsse klar machen, dass der Westen seine Waffenlieferungen unterlässt, sollte Putin damit aufhören, zivile Ziele zu bombardieren, ist seine Strategie. Sollte sich Putin nicht daran halten, müsse der Westen mit Waffen von längerer Reichweite drohen.

Waffenbefürworterin Strack-Zimmermann glaubt nicht an solche Zuckerbrot-und Peitsche-Methoden. Sie will die Ukraine lieber gleich bis an die Zähne aufrüsten. „Putin muss spüren, dass er verwundbar ist“, argumentiert die EU-Abgeordnete. Aus Sicht von Strack-Zimmermann dürfe es keine roten Linien geben. Diese Haltung ist nicht sonderlich überraschend, ist Strack-Zimmermann doch die glühendste Treiberin der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine, obgleich die militärischen Erfolge spärlich ausfallen. Ihre Haltung wirkt nach all den Jahren verbissen und unreflektiert. Der deutsche Steuerzahler muss diese Waffen finanzieren und bekommt als Argument Durchhalteparolen von der FDP-Politikerin zu hören, die den meisten Bürgern zu den Ohren herauskommen dürften.

Der geheime Siegesplan der Ukraine

Alles steht und fällt mit den USA. Deutschland und die EU können in diesem Konflikt wenig über die Haltung des Westens mitbestimmen. Die USA sind der größte Geldgeber und Waffenlieferant für die Ukraine. Deshalb will der ukrainische Präsident den USA noch vor den anderen westlichen Staaten seinen geheimen Siegesplan enthüllen. „Die Ukraine möchte weiter die Initiative haben“, erklärt der ehemalige Chef der Münchener Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger. Es könnte vermutlich darum gehen, dass die Ukraine ihre Operationen im russischen Kernland erweitern möchte. Selenskyj dürfte auf Waffen mit einer größeren Reichweite pochen und weitere Angriffe auf russische Gebiete planen. Ischinger erklärt: „Seine Erwartungen sind riesig.“

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Die Lage der Ukraine erinnert ein wenig an den Vietnamkrieg. Dort baten die südvietnamesische Führung und die US-Militärs in Vietnam auch immer in Washington um mehr Bomben und eine Ausweitung der Kämpfe, weil dies angeblich den Sieg bringen könnte. In Wahrheit gab es nie eine realistische Siegchance in Vietnam für den Süden. Es gibt auch keine realistische Siegchance für die Ukraine. Einzig und allein die Kampfhandlungen werden verlängert. Dieses Ziel dürfte die ukrainische Seite verfolgen. „Verhandlungen mit Russland sind ein Zeichen von Schwäche“, meint der Berater des ukrainischen Präsidenten Michajlo Podoljak. Sein Land wolle die Russen auf militärische Weise an den Verhandlungstisch zwingen, so Podoljak.

Die Fronten bleiben verhärtet. Eine Deeskalation ist nicht in Sicht. Länger als der Krieg in der Ukraine zieht sich nur diese Illner-Folge hin. Nicht ein Argument wird vorgebracht, das in den letzten Jahren nicht schon gehört wurde. Die trügerische und naive Hoffnung auf baldige Friedensgespräche auf der einen Seite werden genauso stur verteidigt wie die absolute Unterstützung einer militärischen Lösung auf der anderen Seite. Die deutschen Bürger dürften in dieser Gemengelage zusehends verzweifeln. Man erwartet von der Politik kein festgefahrenes Baukasten-Denken, sondern pragmatische Lösungen. Diese Erwartung wird in der Sendung zu keinem Zeitpunkt erfüllt.

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