Es gab eine Phase im Wahlkampf, da dachte man “Verdammt, jetzt kriegen wir eine grüne Kanzlerin. Wer wandert mit mir in irgendein weniger kommunistisches Land aus – Kuba, Venezuela, oder so?” und dann gab es eine Zeit, in der man sich gefragt hat, ob man sich überhaupt die Mühe machen soll, wählen zu gehen – Laschet wird ja eh gewinnen und dann lautet die Ansage “Weiter so!”. Und auf einmal kommt die SPD und sagt ihre eigene, schon festgeplante und vorbereitete Beerdigung wieder ab. Und jetzt sitzen sie da im Studio bei Maybrit Illner, Friedrich Merz und Robert Habeck.
Sie haben einiges gemeinsam: Zum Beispiel, dass beide gegen eine Frau verloren haben, gegen die man eigentlich nicht verlieren konnte. Beide haben eine große Anzahl an Unterstützern hinter sich, die immer noch vollkommen von ihnen überzeugt sind, beiden wurden gute Chancen zugesprochen, beiden wäre der Sieg leicht gefallen – wenn sie im entscheidenden Moment nur Pieps gesagt hätten. Doch die beiden Herren von und zu wollen sich nicht die Hände schmutzig machen – wenn sie die Trauben nicht auf dem Silbertablett serviert bekommen, sind sie ihnen eh viel zu sauer. Und danach ist das Geschrei groß. Mi-mi-mi …
Aber in der Talkshow tun dann beide so, als wäre nichts gewesen. Dann erzählt Friedrich Merz von seinen Erfahrungen vom Wahlkampf wie Opa vom Krieg: „Ich habe genug Erfahrungen, wie Wahlkämpfe laufen und wie kurzfristig Wahlkämpfe entschieden werden können. Es wird am Ende abgerechnet und nicht einen Monat vorher.“
Die Pläne für die Regierung, sollte die CDU gewinnen, lässt Merz lieber weg. So sagt er einerseits: „Das Programm der Grünen ist für den Mittelstand eine ernsthafte Bedrohung.“ Klar, da würde ich mitgehen. Aber was will Merz, beziehungsweise die CDU dagegen tun? „Wir wollen – wenn es geht – die sehr hohe Steuerbelastung im sogenannten Mittelstandsbauch absenken. Aber so schnell wird das nicht gehen.“ Wie könnte man Friedrich Merz besser charakterisieren als mit diesem Einschub: „Wenn es geht“? Was soll das bitte heißen, warum sollte das denn nicht gehen? Es gab mal eine Zeit, da war die CDU Volkspartei. Das hat sie sicher nicht geschafft, indem sie gesagt haben: „Naja, also wir werden mal gucken ob es sich einrichten lässt, aber garantieren können wir nix.“
Auch wenn man ihnen das Amt des Bundeskanzlers nachtragen würde – es würde nichts bringen
In der Jungen Union ist die Begeisterung für Friedrich Merz groß, in der CDU scheint seine Beliebtheit ungebrochen. Wem nützt es aber, wenn er bei Illner ganz große Sprüche klopft, wenn er sich wegduckt, wenn entschieden wird? Wenn er Rückendeckung von allen Seiten bekommt, dann traut er sich seinen Gegner von hinten anzugreifen. Aber wenn der sich plötzlich umdreht und ihm einmal direkt in die Augen schaut, fällt er auf die Knie und macht Zugeständnisse.
Auch er beglückt seine Fans. Mit nackter Traumtänzerei: „Wir unterstützen freies Unternehmertum, die Märkte sollen entscheiden, wohin es geht.“ sagt er in einem Atemzug mit „Steuern für Unternehmen zu senken, halte ich für eine Schnapsidee. Damit wird die Innovationsfähigkeit nicht größer.“. Er wechselt minütlich von FDP- zu Linkspartei-Positionen. Und ohnehin, bezahlbar ist eh alles, auch die geplanten Billionen für den Klimaschutz – mit Schulden und Wirtschaftswachstum und so, ganz ohne Einschränkungen und indem man die Wirtschaft ankurbelt, mit Lastenfahrrädern.
Liest man sich die Kommentarspalten zur Sendung durch, so sind 50 Prozent der Kommentare in etwa so: „Robert Habeck hat Friedrich Merz heute deklassiert. So geht Wirtschaftskompetenz“. Die andere Hälfte findet: „Friedrich Merz hat Robert Habeck heute deklassiert. So geht Wirtschaftskompetenz“. Beides ist nicht ganz falsch und eigentlich doch.
Ihren Fanclub haben sie behalten. Eigentlich sitzen da aber nur zwei Geschlagene, die Ablenkung von ihrer Demütigung suchen und den treuen Parteisoldaten mimen müssen.