Tichys Einblick
Maybritt Illner

Bei Illner: Europa völlig hilflos ohne die USA

Der Westen bereitet sich langsam auf eine ukrainische Niederlage vor. Bröckelt die deutsche Solidarität zu Israel? Von Fabian Kramer

Screenprint / ZDF Maybritt Illner

Die Welt ist aktuell voll von militärischen Konflikten. Die Europäer und der Westen als Ganzes wirken zunehmend überfordert und schwach. Noch schwächer stünde Europa da, hätte es die USA nicht. Ohne den großen transatlantischen Bruder geht in der Sicherheitspolitik nichts. Weder in der Ukraine noch im Nahen Osten hat die EU oder Deutschland einen spürbaren Einfluss. Weil Joe Biden wegen eines Sturms in den Staaten verbleibt, wird sogar ein geplantes Treffen zur Ukraine abgesagt. Die USA sind der Koch und Europa der Kellner.

An diesem Abend thematisiert die Talkrunde bei Illner Krieg und Frieden. Die Gäste sprechen erstaunlich vernünftig über die internationalen Konflikte. Es wird mit Siegesmärchen rund um den Krieg in der Ukraine aufgeräumt und die völlige Hilflosigkeit der Bundesrepublik in der internationalen Sicherheitspolitik eingeräumt. Selbst die Gewissheit einer ukrainischen Gebietsabgabe wird anerkannt. Die bedingungslose Kriegstreiberei in deutschen Talkshows neigt sich dem Ende zu. Eine positive Entwicklung.

Frieden in der Ukraine nur mit USA

Der blutige und zerstörerische Krieg Russlands gegen die Ukraine zieht sich wie zäher Kaugummi. Die Stimmung in den westlichen Gesellschaften hat sich deutlich verändert. Die Bürger sind müde, ob der unveränderbar schlechten Lage der Ukraine und den endlosen Wünschen nach Waffen. Einem Land kommt dabei große Bedeutung zu. Das Ende des Krieges geht nur über das Weiße Haus. Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet formuliert es so: „Die Europäer können nicht ohne die USA.“

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Ein lobenswertes Eingeständnis. Viele deutsche Politiker leugnen oftmals, dass die USA die Linien vorgeben und stellen Europa als gleichwertigen Partner auf Augenhöhe dar. Dem ist natürlich nicht so. Deutschland unterstützt die Ukraine nur, weil es die USA tun. Umgekehrt würden die USA nie die Ukraine unterstützen, nur weil Berlin es für nötig hält. Deshalb ist der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil merklich geknickt, dass Joe Biden wegen eines Hurrikan in Amerika bleibt und nicht zu einem Ukraine-Treffen nach Europa kommt. Seine Forderung für die Zukunft sei, dass Europa mehr Verantwortung tragen müsse.

Wie immer bleibt die Forderung im Raum, ohne ausformuliert zu werden. Es ist ein Fehler der öffentlich-rechtlichen Talkmaster, die Politiker mit diesem gut klingenden Satz davonkommen zu lassen. Was bedeutet dieses Vorhaben denn konkret? Woher kommt die Manpower und das Geld, um die USA militärisch ersetzen zu können? Und wer koordiniert überhaupt das Vorgehen in Europa?

Es ist stark anzunehmen, dass kein europäischer Politiker dieses Vorhaben jemals in die Tat umsetzen möchte. Die Zumutungen für die Bevölkerung wären gewaltig. Auch mit Amerika ist die Lage des Westens geschwächt. „Der Westen ist auf einem absteigenden Ast“, analysiert die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff die Lage. Ein treffendes Statement.

Gebietsverlust in der Ukraine

Die deutsche Debatte über den Krieg in der Ukraine ist die meiste Zeit schwarz-weiß. Besonders die Abtretung von Gebieten an die Russen von Seiten der Ukraine wird von der öffentlichen Meinung als Nähe zu Putin verunglimpft. Stattdessen phantasieren prominente Hardliner wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Roderich Kiesewetter gerne von einem Sieg. Dabei kann ein Land wie die Ukraine nicht gegen eine Atommacht gewinnen. Zumindest nicht auf ganzer Linie, egal wie viele Waffen aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden.

Es ist wohltuend, dass in der Illner-Runde an diesem Abend die Realität nicht geleugnet wird. „Wenn man Gebietsverluste angesprochen hat, wurde man als Putinfreund beschimpft“, beklagt sich Armin Laschet. Aus der Sicht des letzten Kanzlerkandidaten der Union ist ein Gebietsverlust sehr wahrscheinlich. Man könne über die abgetretenen Gebiete möglicherweise international am grünen Tisch neu verhandeln, meint Laschet. Nach seiner Auffassung sei dies aber eher mit einer anderen russischen Regierung möglich als heute mit Putin.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sieht die Entscheidung über die Gebietsabtretung in ukrainischen Händen. Man dürfe nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg entscheiden, sagt Klingbeil. Am Ende entscheidet vor allem der nächste US-Präsident, wie es mit der Ukraine weitergeht. Wenn ein Donald Trump die Militärhilfen komplett einstellen würde, müssten die Ukrainer aus einer sehr schwachen Position verhandeln und große Kröten schlucken.

Hält Deutschland noch zu Israel?

Es ist die symbolisch wichtigste internationale Beziehung für Deutschland. Die Freundschaft zu Israel und die Unterstützung des Staates im Nahen Osten bezeichnete Angela Merkel einst als deutsche Staatsräson. Der Militärexperte Carlo Masala hält nichts von dem Begriff. Dieser sei nicht aus einer demokratischen Zeit, sondern stamme aus undemokratischer Vorzeit, so Masala. Wenn schon nicht Staatsräson, was dann? Wie wichtig ist uns die Sicherheit Israels?

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Die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff hat Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten. „Es ist vernünftig, einen Waffenstillstand zu fordern“, findet sie. Daran kann man berechtigte Zweifel haben. Nach wie vor sind die Feinde Israels nicht besiegt, geschweige denn nicht mehr kriegsfähig. Der Iran, die Hamas und die Hisbollah sind nach wie vor eine Bedrohung für den Staat und zeigen durch fortdauernde Angriffe, dass sie nicht an Frieden interessiert sind.

Armin Laschet glaubt nicht an ein Ende der Kämpfe von israelischer Seite aus. „Netanyahu ist innenpolitisch stärker geworden“, erklärt Laschet. In der Tat hat Netanyahu im Moment des Triumphs keinen Grund für ein Ende des Kampfes gegen die Feinde seines Staates. Die präzise Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah ist ein persönlicher Sieg für den Premier. Durch diesen Erfolg lassen sich auch weitere Kampfhandlungen rechtfertigen.

Für seinen Kampf benötigt Israel Waffen, auch aus Deutschland. In letzter Zeit ist unklar, ob Deutschland die von Israel gewünschten Waffen liefert. Im Bundestag entbrannte eine Redeschlacht zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz. Leider kommt die Moderatorin nicht konkret darauf zu sprechen, ob beispielsweise Lars Klingbeil Kenntnisse über verweigerte Waffenlieferungen habe. In der Tat ist es eine interessante Frage, wie sich Deutschland positioniert.

Alles in allem ist festzuhalten, dass die Politiker ihren Sound bezüglich der Ukraine deutlich gemäßigt haben. Ein krawalliges Kriegsgeheul in der Sendung bleibt aus. Eine Entwicklung, die sich gerne verstetigen kann.

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