Tichys Einblick
Gauland, Gysi, Kühnert & Co.

Distanzierungstango bei Illner: Wie erziehen wir die Ossis richtig?

Bei Maybrit Illner bleibt das Thema der Sendung diffus. Irgendwas mit Nazis, Rechtsruck und Ostdeutschland. Und abgesehen von parteipolitischem Kleinklein sind mal wieder alle gegen den AfDler im Raum.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Mit „Vertrauen verloren, Kurs gesucht – Wahlen ohne Merkel?“ ist die gestrige Illner-Sendung überschrieben. Ein gänzlich seltsam gewählter Titel. Dem Sendungsinhalt entsprechen würde eher so etwas wie: „Vom Linksruck zum Rechtsruck – Warum sind die Ossis bloß so Nazi?“ Das war – angelehnt an das jüngste Statement von Marco Wanderwitz und die Wahlen am Sonntag in Sachsen-Anhalt – nämlich das grobe Thema. Was das genaue Thema war: Tja das weiß niemand so genau.

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Was ist bloß los im Osten? Um diese Frage zu klären, hatte Illner, die ja selbst Ostdeutsche ist, sich aus dem Thema aber ganz objektiv rausgehalten hat, eine sehr bunte Mischung an Gästen herbei geholt. Links von ihr sitzt ein sichtlich braun gebrannter Gregor Gysi. Die Klatsch-Tante in mir, fragt sich da jetzt natürlich: Sprüh-Bräune oder unsolidarischer Urlaub in Kuba? Eher blass um die Nase ist Kevin Kühnert, der auf der anderen Seite Platz genommen hat. Zugeschaltet ist Paul Ziemiak und neben Kevin Kühnert sitzt überraschenderweise mit Alexander Gauland jemand von der AfD. Lauter große Namen – da bekam Melanie Amann vom Spiegel, die ebenfalls von der Partie war, wohl Komplexe, so viel wie sie um sich gebissen hat. Doch so nervig ihr zickiger Ton auch ist, so lustig finde ich einen Satz, den ich gestern von ihr aufgeschnappt habe. Denn der Satz, „Das ist kein Unsinn, das sind rechtsextreme Positionen“, lässt sich so herrlich aus dem Kontext reißen.

Aber zu den wichtigen Anwesenden. Nach zig elendig eintönigen Coronasendungen, war es meiner Meinung nach sehr erfrischend zu sehen, wie ca. fünf Personen gleichzeitig abgehackte Sätze brüllten – auch wenn die Diskussion meist vier gegen einen lief, wie für Sendungen mit AfDlern üblich. Gauland schien sehr in sich gekehrt und sagte von allen am wenigsten, obwohl er der Mittelpunkt der Sendung war. Das mag einerseits daran liegen, dass die anderen Gäste sich ihre Meinung zu ihm und seinen Positionen schon längst gebildet hatten und lieber über ihn redeten, als mit ihm. Andererseits scheinen Talkshows auch nicht so sein Format zu sein.

Kevin K. spricht bei den Schwiegereltern vor

Kevin Kühnert versteht sich hingegen hervorragend auf Politsprech. Seine Einleitung ist so diplomatisch, als würde er bei den Schwiegereltern vorsprechen. Talkshows sind sein Gebiet, denn da geht es nicht um Inhalte, sondern ums talken und das hat Kevin drauf, das ist wohl die Übung. Wer öfter eingeladen wird, hat am Ende auch den Dreh raus. Kevins Selbstbewusstsein mag zwar so gar nicht zu den 14 Prozent, bei denen die SPD aktuell steht, passen, aber was macht das schon. Dann zählt er allerdings Franziska Giffey als die beispielhafte Vorzeigepolitikerin der SPD auf und man wird wieder daran erinnert, warum die SPD so abschmiert.

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Dann muss sich Paul Zimiak aufeinmal für die WerteUnion rechtfertigen. Nervig – trotzdem hätte er sich vielleicht eine bessere Strategie gegen die Vorwürfe von einem CDU-internen Rechtsruck überlegen sollen, als einfach nur zu sagen, dass die WerteUnion nicht zur CDU gehört und dass man ihm erstmal beweisen müsse, dass die Mitglieder überhaupt CDUler sind. Das überzeugt doch nichtmal die, die auf seiner Seite sind.

Während Paul Ziemiak den Distanzierungstango tanzt, geht es einem Gast ganz besonders gut, nämlich dem guten alten Gysi. DDR ist ja eh ein Thema, mit dem er sich wohlfühlen kann, wenn man sich seinen Lebenslauf anschaut – schließlich hatte er damals nichts zu befürchten, und hier, heute interessanterweise auch nicht. Er bekommt von allen am wenigsten Kritik ab. Selbst Gauland sagt zu ihm: „Herr Höcke ist kein Rechtsradikaler Herr Gysi, ich würde Sie doch auch nicht als Kommunisten bezeichnen.“ Schade eigentlich. Gysi macht es sich zwischen den anderen Gästen gemütlich. Während „Paul“ und „Kevin“, sich permanent unterbrechen und sich gegenseitig sagen, dass das ja nicht gehe und man dies ja nun wirklich nicht sagen kann und „Kevin, lass mich bitte aussprechen“, kann sich Gysi ganz bequem als moralisches Gewissen der Nation aufführen. Sein Rezept, um die Ossis auf Linie zu bringen: „Wenn man sich die DDR angesehen hätte, um einiges zu übernehmen für das ganze Land, wäre das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen gestiegen“. Is klar.

Dass das vom Ex-Vorsitzenden der SED kommt, wird nicht als groß anstößig empfunden, dieser Kontext wird dem Zuschauer gar nicht geboten. Insofern hatte ich anfangs wahrscheinlich doch unrecht, als ich hervorgehoben habe, dass Illner zu diesem Thema so objektiv wäre. Solchen Kontext zurückzuhalten, ist nämlich zusätzlich ein starkes Stück, wenn man selbst eine SED-Vergangenheit hat.

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