Tichys Einblick
Können wir schon lockerlassen?

Bei Illner: Die neue FDP. 
„Ein Leben in Freiheit. Mit Corona.“

Können wir schon lockerlassen? Was sagen Sie, Herr Lindner, Herr Söder, Herr Drosten? Herr Yogeshwar, wissen Sie’s? Und Sie auch nicht, Christiane Hoffmann? Lindner hat immerhin schon mal den Slogan für die neue Zeit.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Dem armen Christian Lindner müssen sie „nach Thüringen“ ordentlich den Marsch geblasen haben, heute durfte er immerhin mal wieder in eine Talkshow, obwohl die Kernkompetenz der FDP doch weit weg vom Viralen liegt. Auch zum Thema „Konsequent gegen Corona – können wir schon lockerlassen?“ erwartet man eigentlich schon lange keine liberalen Ansätze mehr, oder? Christian Lindner hätte vielleicht die Problematik der Einschränkung der Grundrechte in Krisenzeiten ansprechen können, so dass einige ältere Herrschaften im Heim ihren Mit-Zuschauern Bescheid stoßen könnten: Siehst Du! Dafür brauchen wir die Liberalen!

Die Lockerungsbeschlüsse von Bund und Ländern
Aber der arme Lindner (siehe erster Satz) sprach nur anerkennend von der „Handlungsfähigkeit unseres politischen Systems“, als habe er nicht mitbekommen, dass  dasselbe nicht mal genügend Masken für Krankenhäuser beschaffen konnte. „Die Demokratie funktioniert“, behauptete er dann ungefragt, ohne irgendeinen Beleg zu liefern. Dann sprach er „der staatlichen Verantwortungsgemeinschaft“ ein dickes Lob aus, und ab da machten wir uns ernsthaft Sorgen um den Mann. Googeln Sie das mal! Da landen Sie im linken Irgendwo. Schließlich, und damit wollen wir es dann auch gut sein lassen, ist Lindner überzeugt, dass wir alle dank Corona „einen Crashkurs in Sachen Hygiene“ gemacht hätten – das heißt auch bei Lindners werden jetzt wohl die Hände gewaschen.

Ganz zu Beginn der Sendung wurde Angela Merkel eingeblendet, die auf ihre unnachahmliche Weise dem Virus zu Leibe rückte. Es ging um eine Ansteckungsrate von 1,2 oder 1,1 und die Frage, ob einer vier ansteckt, oder fünf stecken sechs an. Im Grunde ist es aber gleich, außerdem ist sie Physikerin. Aber hier konnten wir wieder einmal erleben, warum Professor Christian Drosten bei Medien und Politik so beliebt ist. Der erklärte nett und freundlich, wie er fast immer ist, der Moderatorin Illner, die Merkels Berechnungen wohl auch nicht verstanden hatte: Die Kanzlerin hat das richtig erklärt – Ein Mensch steckt einen Menschen an.

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Aus Bayern zugeschaltet, Sie ahnen es, der strenge Landesvater Söder, der sich gegen die jüngsten Lockerungen und mit einer Maskenpflicht bundesweit nicht durchsetzen konnte. Sanft wie selten, traute sich Illner nicht, den Franken zu reizen mit ein paar Laschet-Anspielungen, so dass der von sich aus ein paar Spitzen setzen musste. NRW sei da etwas zurückhaltender, aber „wir machen‘s in Bayern dann später“ mit der Maskenpflicht. Wie der Zufall es wollte, hatte der Söder Markus dann eine Maske in bayerischem Weiß-Blau, den ihm ein weiblicher Fan gebastelt hatte (oder war’s Dobrindt?), für die Kamera dabei.

Für die kritische Begleitung aller Regierungsmaßnahmen braucht es eine freie und starke Presse, steht sicherlich irgendwo, und deshalb saß Christiane Hoffmann vom Spiegel am Tisch. Die schimpfte denn auch streng: „Mir fehlt die Leidenschaft für die Maskenempfehlung. Ich möchte Frau Merkel beim Einkaufen mit Maske sehen.“ Das wird sich ja wohl bewerkstelligen lassen. Wie Herr Lindner von der Opposition hinterfragte sie die Zahl 800 bei den geplanten Ladenöffnungen bis 800 Quadratmetern und was mit dem Möbelhaus am Stadtrand sei. Und hier sei auch das ernste Argument von Lindner nicht verschwiegen, der noch von einem Gespräch mit einer jungen Frau betroffen war, die sich mit einem Café selbständig gemacht hatte. „Es gibt auch ein Gesundheitsrisiko aus der Seele!“ Trotzdem werde es nie wieder wie früher. Lindner hat dafür sogar schon den passenden Slogan: „Ein Leben in Freiheit. Mit Corona.“ Und mit Maske, würden wir als Ergänzung für einen bayerischen Wahlkampf empfehlen.

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Weil es zum Virus leider nicht mehr zu sagen gibt, als „das wissen wir nicht“ (Drosten), sprach Illner das Thema „App“ und „Ostasiate“ an, weil der Chinese offensichtlich auch mit dieser Handy-Software das Virus in Schach gehalten habe. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar hatte zufällig sein Handy dabei und sogar ein solche App hochgeladen, aber das brachte uns auch nicht weiter. Wie erklären wir eine solche App in einem eher politischen Medium? Vielleicht so. Stellen Sie sich vor, Sie kommen, ohne es zu ahnen, einem registrierten AfD-Mitglied näher, dann gibt ihr Handy einen Warnton ab. Genial, oder? Und in der Zentrale weiß man dann, dass Sie sich vielleicht auch schon infiziert haben, und andere werden dann auch vor Ihnen gewarnt. Alles elektronisch.

„Warum haben wir das nicht? Das ist doch keine Raketenwissenschaft!“ rief Christian Lindner. Er habe doch schließlich sogar eine Sport-Uhr, die Herzfrequenz messen kann.

Ob das nicht gefährlich sei in einer Demokratie, von der der Chinese bekanntlich nicht so viel im Programm hat? Quatsch. Wir haben, zählte der Liberale auf, schließlich „Gewaltenteilung, Grundrechte, Verfassung“. Und die Spiegel-Dame pflichtete bei: „Gefährdung für die Demokratie? In Polen und Ungarn vielleicht. Aber in Deutschland nicht.“ Yogeshwar fand noch wichtig: Was ist mit ärmeren Ländern? Kriegen die auch eine App? Söder will übrigens, ganz der nationale Staatsmann, der er nun ist, auf eine regionale bayerische App verzichten.

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War noch was? Ach ja, Bildung. Die ist in jedem Land anders. In NRW können die älteren Schüler freiwillig in die Schule gehen, um sich auf Abschlussprüfungen vorzubereiten, für Bayern versprach Söder, es solle niemand wegen Corona sitzenbleiben. Und welchen Sinn das ganze macht? „Wir wissen es nicht“, sagte der ruhige Herr Drosten. Dem war nur wichtig zu erklären, dass er seinen Konkurrenten Streeck von der Uni Bonn (den Laschet für seine Lockerungen als Kronzeugen benannte) ganz prima finde, und dass aus seiner Studie bestimmt wichtige Dinge abzulesen sein werden, wenn sie denn fertig ist. Aber keinesfalls käme etwas anderes dabei heraus, als das, was er schon immer gesagt hat.

Am Ende will Illner wissen, wie lange sich der Bürger denn wohl die Einschränkungen noch gefallen lasse. Ach, sagte die Spiegel-Frau, solange er versteht, dass alles zu seinem Besten sei, dann ginge das schon noch eine Weile. Dafür sorgen Staatsfunk und Spiegel, und das nennt man dann systemrelevante Medien. Gute Nacht.


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