Es war wieder Donnerstag und damit war auch wieder Illner auf der gleichen Welle und – was ich als persönlichen Angriff auf meine Augen auffasse – bedauerlicherweise wieder im lila-orangenen Studio. Ich werde sicher noch einige Sendungen brauchen, bis ich diese Verkörperung des schlechten Geschmacks überwunden habe. Am meisten schäme ich mich, dass ich das mitfinanziere. Ganz ehrlich, wenn die sich beim ÖRR selbst Massagesessel gönnen, uns das Geld aus der Tasche ziehen und dann auch noch politischen Aktivismus betreiben, könnten sie uns wenigstens was fürs Auge bieten.
Dabei befürchte ich tatsächlich, dass Maybrit Illner selbst dieses Makeover sehr gefällt. Gestern Abend passte sie sich jedenfalls farblich an, mit Bluse in knallorange und Lippenstift – allerdings einem anderen Orange-Ton. Fehlt nur noch, dass sie sich die Haare violett tönt. Man sagt ja, Geschmäcker sind verschieden, aber manche sind einfach schlecht.
„Spielball der Weltmächte – kommt die Ukraine-Hilfe zu spät?“ Es ist ja nun wirklich nicht so, als wäre das eine Frage, die den aufmerksamen Illner-Zuschauer bis tief in die Nacht plagt – schließlich wird sie ja jeden Donnerstagabend diskutiert, nur eben mit etwas anderer Fragestellung. Nun, ich verstehe wirklich nicht, weshalb Illner sich immer so auf ein Thema fixieren muss. In den etwa zwei Jahren, die ich diese Sendung schon verfolge, gab es im Grunde nur drei Themen: erst das Monster Trump, bis er endgültig abgewählt wurde, dann Corona, bis selbst Lauterbach es aufgab, und nun wird sie der Ukraine-Schauplatz wohl nicht mehr loslassen, bis der Krieg vorbei ist. Zum Glück gab es ihre Sendung nicht schon während des Dreißigjährigen Krieges.
Besonders nicht verstehen kann ich aber, warum sie es immer so übertreiben muss. Es kann doch eigentlich nicht in ihrem Interesse sein, dass ihren Zuschauern jedes ihrer Themen zum Halse raushängt – mir zumindest raubt es regelmäßig jede Lebensfreude. Und das, obwohl politikinteressierte ÖRR-Gucker, die tatsächlich bereit sind, Talkshows zu schauen und das auch noch bis tief in die Nacht, sowieso schon eine sehr gewagte Zielgruppe sind.
Meine Theorie ist ja, dass Illner einfach keine Lust hat, sich andauernd in neue Themen einzulesen. Einfacher lässt sich so eine Show ja nicht produzieren, als einfach jede Woche die gleiche zu drehen.
Und so sind schon wieder die gleichen Phrasen gefallen. Norbert Röttgen beteuert wieder, wie sehr er sich Frieden in Europa wünscht und kritisiert: „Wir hätten früher anfangen müssen, Munition zu liefern.“ Jürgen Trittin hat dem Duft von Friedenskeksen abgeschworen und fordert: „Die Waffenlieferung, die wir haben, insbesondere, was den Nachschub von Munition angeht, hat nicht das Ausmaß, wie es die Ukraine langsam braucht.“ Der Rest der Besatzung philosophiert über die symbolische Wirkung von allem möglichen. Soweit nichts Neues. Eine Sache war allerdings neu: Und das war der chinesische Wind, den Felix Lee in die Sendung reinbrachte.
Der wurde erst sehr spät in die Sendung mit einbezogen, obwohl er die ganze Zeit im Studio hockte. Als er dann endlich dran war, ging die Winnie-Pooh-Märchenstunde los. Maybrit Illner konfrontierte ihn mit dem Vorwurf der Amerikaner, China würde Russland Waffen liefern, den er erstmal sehr persönlich nahm. „Ich finde, das ist schon ein harter Vorwurf, da ist die USA auch verpflichtet, diese Beweise vorzulegen.“ Es dürfte eigentlich keine Überraschung für niemanden sein, wenn zwei Nachbarländer – beide sozialistisch, beide mit dem Wunsch nach maximalem Einfluss und beide antiwestlich – sich zusammenraffen und zusammenhalten.
Felix Lee sieht das anders. Er nimmt das als Beleidigung und Vorwurf auf, den es zu entkräften gilt. Daher sieht er die Schuld bei den USA. Die würden China Putin nämlich geradezu in die Arme treiben. „So klug und erfahren ich Joe Biden halte (…), so gefährlich halte ich es, dass Joe Biden das fortsetzt, was sein Vorgänger auch schon getan hat, nämlich eine geradezu antichinesische Stimmung in seinem Land zu schaffen.“ Zunächst mal: Hinter der Formulierung des ominösen Vorgängers von Joe Biden versteckt sich natürlich Donald Trump, der Mann, dessen Namen man nicht sagen darf. Richtig, der war nicht gut auf China – oder „Scheina“, wie er sagen würde – zu sprechen. Immer damit verbunden war das Ziel, die nach China abgewanderten Arbeitsplätze wieder zurück nach Amerika zu holen. America first eben.
Er wurde für seine feindliche Haltung gegenüber China vor allem aus dem Westen angefeindet. Kein Wunder, denn während Trump die Abhängigkeit von China minimieren wollte, dehnten wir sie weiter aus. Ganz nebenbei sei erinnert, dass Trump Deutschland damals auch gewarnt hat, sich von Russland abhängig zu machen, und damals von uns noch verspottet wurde. Naja, heute lacht keiner mehr. Sicher, da muss man es Biden ja auch als großen Fehler anrechnen, dass er tatsächlich eins der Dinge weiterführt, bei dem sein Vorgänger bislang recht behalten hat. Ich frage mich derweil, ob Sleepy Joe nicht einfach vergessen hat, wer hier eigentlich gerade im Krieg ist. „Klug und erfahren“ ist doch ehrlicherweise nur ein Euphemismus für „alt und dement“.
Während vier vielbeschäftigte Männer und zwei vielbeschäftigte Frauen ihre Spucke darauf verschwenden, zum hundertsten Mal über ein Thema zu diskutieren, auf das wir eh keinen Einfluss nehmen können, läuft zum Ende der Sendung plötzlich ein Banner über den Bildschirm: „Heute gegen 21:00 Uhr schoss(en) ein oder mehrere unbekannte Täter auf Personen in einer Kirche. Betroffen sind Bereiche im Stadtteil Hamburg Groß Borstel, Deelböge und Umgebung. Die Straßen in diesem Bereich wurden umfangreich abgesperrt. Umfahren Sie als Verkehrsteilnehmer weiträumig den abgesperrten Bereich. Meiden Sie den Gefahrenbereich. Im Gefahrenbereich verbleiben Sie an Ihrem derzeitigen Aufenthaltsort und begeben Sie sich vorläufig nicht ins Freie. Weitere Informationen auf heute.de und ab 00:30 Uhr im heute journal update.“
Die Primetime geht dabei für ihre kaum vorbereitete Sendung drauf, während wir über Konkreteres über einen Angriff in unserem eigenen Land erst nach Mitternacht informiert werden. Illner mag ja mit unentwegt außenpolitischen Themen vor dem Geschehen in diesem Land weglaufen, aber sie holen sie doch immer wieder ein. Jetzt sogar ungegendert quer über ihr Bild geschrieben.