Tichys Einblick
Wende in der Migration?

Bei Illner: Die AfD bestimmt die Agenda

Die veränderte politische Lage nach den Wahlen ist Thema bei Illner. Während die CDU auf Kuschelkurs mit dem BSW geht, attackieren die Grünen das BSW umso mehr. Zerreißt eine Koalition mit dem BSW die Union? Eines hat die Runde verstanden: Die AfD wird nicht einfach verschwinden. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Es ist eine unterhaltsame Sendung. Jedenfalls wenn man entweder Schadenfreude empfinden mag oder sich daran ergötzen kann, wenn Politiker hilflos herumreden und nicht wissen, wo der Ausgang ist.

Die Landtagswahlen am letzten Sonntag wirken auch Mitte der Woche nach. Die spektakulären Ergebnisse aus Thüringen und Sachsen lassen sich nicht einfach ignorieren. Es gärt in der Bevölkerung. Der Zorn über die unfähigen Regierungen im Bund und in den Ländern ist groß. Die AfD und die Wagenknecht-Truppe BSW kommen im Osten fast flächendeckend auf annähernd 50 Prozent der Stimmen. Die Parteien der sogenannten „etablierten Parteien“ können ohne die verteufelte AfD oder wahlweise BSW keine Mehrheit mehr bilden.

Nach dem AfD-Erfolg in Thüringen und Sachsen
Chrupalla bei Lanz: In den Fängen der Phrasendrescher
Besonders die Ampel wurde von den ostdeutschen Wählern mit Denkzetteln abgestraft. Die FDP ist ein Zwerg hinter dem Komma und „Übrige“, die SPD mit Mühe über der 5-Prozent-Hürde und die Grünen gehen in Thüringen baden.

Für den Kanzler wird die Sache langsam ungemütlich. Kommen die Genossen in Brandenburg hinter der AfD ins Ziel, dürfte die Zahl der Königsmörder innerhalb der Partei ein bedrohliches Ausmaß annehmen. Das topfebene Brandenburg ist SPD-Stammland. Wenn die AfD hier gewinnt, trifft dies die SPD ins Mark. Die veränderte politische Lage nach den beiden Ostwahlen ist an diesem Abend Thema bei Illner. Es ist eine unterhaltsame Sendung. Wenn man Hilflosigkeit mag und die Aggressivität der Ratlosigkeit aushält.

Während die CDU in ihrer schieren Machtgier auf Kuschelkurs mit dem BSW geht, attackieren die Grünen das BSW umso schärfer. Was eine sich anbahnende Koalition mit Wagenknecht doch so alles möglich macht: Sahra Wagenknecht wird von den Fliegen der CDU umschwärmt wie sonst nichts Gutes und in den Himmel gelobt. Die AfD wird von der Runde verteufelt und pauschal als rechtsextrem abgestempelt. Als hätte man aus dem Wahlergebnis nichts gelernt. Eines hat die Runde jedoch verstanden. Die AfD wird nicht einfach verschwinden. Der Einfluss der Partei auf das politische Geschehen ist gewachsen. Dass ein Vertreter der AfD nicht dabei ist in der Runde: symptomatisch. Man versucht die Ausgrenzung zu perfektionieren mit dem Ergebnis, dass ständig über die AfD geredet wird. Sie ist der rosa Elephant im Raum, beherrscht die Szene und alle haben Angst vor dem nichtanwesenden Ungeheuer.

Alles neu macht der September?

Die AfD ist zum ersten Mal größte Partei  in einem Bundesland. Eine neue Partei wird auf Anhieb deutlich zweistellig. Möglicherweise geht die politische Revolution nach 1989 wieder vom Osten aus. Denn egal, welche neuen Landesregierungen sich in Thüringen und Sachsen bilden, alte Gewissheiten werden ad acta gelegt werden. Sollte die Union tatsächlich mit dem BSW koalieren, würde die Partei sich nach linksaußen öffnen. Wagenknechts anti-westliches Bündnis ist ein ziemlicher Kontrast zur Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl.

Der Zerfall der CDU
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„Für die Union ist es ein Spagat“, meint CDU-Veteran Wolfgang Bosbach. In der Tat ist es nur schwer erklärbar, dass die CDU zwar die Linkspartei für unvereinbar mit sich und ihren Werten hält, aber vor einer Truppe um Sozialistin und Russland-Freundin Wagenknecht keine Berührungsängste hat. „Wir haben nur formal einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei“, erklärt Bosbach. Auch Du, Bosbach? Er galt mal als mutig. Drehte der Politik den Rücken zu. Jetzt spielt er brav die Melodie des Parteivorsitzenden. Schade. Denn:  In Richtung Wahlgewinner AfD bleibt Bosbach beinhart und bekräftigt: „Wir machen mit der AfD keine gemeinsamen Sachen.“ Die CDU mauert sich ein und liefert sich Wagenknecht aus.  Klug ist das nicht.

Zu einem Bündnis von AfD und BSW wird es hingegen nicht kommen. „Wir schließen eine Koalition mit der AfD aus“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Amira Mohamed Ali. Man habe mit der AfD wenige programmatische Gemeinsamkeiten, ergänzt sie. Hier flunkert Mohamed Ali ein wenig. Die beiden Hauptschwerpunkte des Wahlkampfs des BSW waren Migration und Ukraine-Krieg. In beiden Fragen gibt es zur AfD keinen Unterschied. Das ist die größte Lüge des Abends: In diesen Punkten sind AfD und BSW weitgehend deckungsgleich. Warum ist die eine dann die Prinzessin und der andere der Frosch, den keiner mag?

Für die Grünen ist das BSW Feindbild. Die sächsische BSW-Spitzenkandidatin sei im Wahlkampf wie eine Pressesprecherin Putins aufgetreten, kritisiert die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Gerne möchte sie Mohamed Ali in die Nähe der AfD rücken. „Die AfD ist auch bundesweit eine rechtsextreme Partei, das müssen Sie klar benennen“, fordert Dröge von Mohamed Ali. Diese weigert sich jedoch, die gesamte Partei als rechtsextrem zu verunglimpfen. Die AfD sei ja erstmal ein Verdachtsfall, meint Mohamed Ali. Alles reichlich viel Theater, wenn man bedenkt, dass der angedichtete Rechtsextremismus von weisungsgebundenen Behörden vorgeworfen wird. Und hört, hört, ein kleines Türchen läßt sich also das BSW offen.

Migration entscheidet die Wahlen

Thüringen und Sachsen
Nach-Wahl-Ärger: Plötzlich wird halt anders gezählt
Kaum ein anderes Thema brennt den Bürgern mehr auf den Nägeln als das Thema Migration. In den Nachwahlbefragungen ist Migration auf Platz eins der wichtigsten Themen. Profitiert hat davon die AfD. In Sachsen trauen die Bürger der AfD an vorderster Stelle zu, die Probleme in diesem Politikfeld zu lösen. Die AfD-Erfolge bringen die regierenden Parteien in die Bredouille. Mit Blitz-Abschiebungen nach Afghanistan und vielen Asyl-Gipfeln versuchen Ampel und CDU, die Wähler von der AfD fernzuhalten. „Nur durch die AfD-Erfolge wird überhaupt über Migration geredet“, stellt Autorin Juli Zeh klar. Aus ihrer Sicht nützen die durchschaubaren Manöver allerdings wenig. „Die Glaubwürdigkeit beim Wähler wird lange nicht zurückkehren“, meint Zeh. Es ist ein vernichtendes Urteil über ihre SPD.

Ist auch nicht weiter verwunderlich. Seit der Merkelschen Willkommenskultur hat sich in Sachen Einwanderung nicht viel geändert. Die Grenzen sind weiterhin sperrangelweit offen, die Zahl der orientalischen Messermänner explodiert und Frauen leben in ständiger Angst vor Belästigung im öffentlichen Raum durch übergriffige Männer südländischer Herkunft. Und jetzt bietet die Politik Lösungen an, die die AfD seit ihrem Bestehen propagiert. Die Union überflügelt die AfD sogar in manchen Vorschlägen. Nur umgesetzt wird nichts. Der rosa Elephant wackelt mit den Ohren. Die Zuschauer sehen das. Die Studio-Gäste pressen die Augen zu.

Der Wähler merkt, dass er nur beim Original die gewünschte Politik bekäme. Angst davor, in die rechte Ecke gestellt zu werden, haben auch immer weniger Wähler. Immerhin:  „Sie können von morgens bis abends Demos gegen Rechts machen, nur werden die Leute trotzdem AfD wählen“, sagt Wolfgang Bosbach. Die Schlussfolgerung daraus darf er nicht ziehen.

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