Es gibt ein altes Sprichwort, das meine Mutter mir als Kind immer eingetrichtert hat: „Hochmut kommt vor dem Fall.“ Wer sich seiner Sache zu sicher ist, fällt auf die Nase. Heutzutage wende ich es meistens auf Exemplare wie Baerbock oder Lauterbach an, weil es mir die Hoffnung gibt, dass sie an ihrer Arroganz noch einmal zerbrechen werden. Als ich den Titel der Illner-Sendung dieser Woche in der Ankündigung las, musste ich aber feststellen, dass diesmal ich in diese Falle getappt war. Einige Leser werden sich erinnern, die letzten Wochen verbrachte ich damit, zu feiern, dass der einjährige Ukraine-Themenblock ein Ende hatte. Doch an diesem Donnerstagabend diskutierte die lustige Runde die Leitfrage: „Großoffensive oder Endlos-Krieg – schafft die Ukraine die Wende?“ Illner hat die Wende schon mal nicht geschafft.
Eine Sache machte diese Sendung allerdings besonders. Sie bot uns einen Anblick, den man noch vor wenigen Monaten schmerzlich vermisste, einen Special-Guest, der in so einer Runde – wenn man das Thema schon abklappern muss – eigentlich selbstverständlich sein sollte: der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. Zwar hatte ich auch hier etwas Aufregenderes erwartet – denn dem Illner-Twitter-Team war bei der ersten Ankündigung ein Fehler unterlaufen: Statt auf den echten Pistorius verwies man auf einen Fake Account. Der falsche Pistorius hatte bereits so sehr professionelle Dinge getwittert, wie „Ich liebe den Geruch von Napalm am morgen, es riecht nach Sieg.“ Solche Spreng-Sätze aus Apocalypse Now haute der Herr Minister dann aber in der Sendung nicht raus. Wäre schon ein interessanter Ansatzpunkt für eine Diskussion gewesen.
Pistorius hat das in der Politik seltene Talent, mit einem autoritären Unterton in der Stimme Statements abzugeben, die kaum noch mal jemand nachfragt. So lehnte Pistorius bei aller Liebe der Ukraine vorerst eine Ansage ab, was den Beitritt in die Nato und die EU betrifft. Zwar werde der Weg frei gemacht, doch es „muss eben trotzdem so sein, dass die Vorraussetzungen für einen EU-Beitritt erfüllt sein müssen; daran können wir auch nicht nachlassen, finde ich, dafür ist die Europäische Union dann auch in der Zukunft zu wichtig“. Und auch die Nato-Mitgliedschaft müsse man nach der Krise verhandeln, „das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, das jetzt zu entscheiden.“ „Das ist keine Frage, die man jetzt mal so aus Solidarität trifft“, fügt er hinzu. Darauf gab es dann keine Widerrede mehr.
Einen ähnlichen Weg schien auch Frederick Pleitgen, CNN-Korrespondent, einzuschlagen, als er sagte: „Ich glaube, dass viele Leute fühlen, dass die ukrainische Nation mit jeder Bombe, die auf Städte geworfen wird, stärker wird. Die werden immer stärker, weil die sich jetzt aufbäumen.“ Was der Rest der Runde allerdings nicht von Dr. Sauer übernahm, war eine Überlegung, die demzufolge in Fachkreisen diskutiert würde: „Dass unter Umständen die Ukraine sagt, dann müssen wir uns eben unilateral darum bemühen, möglicherweise doch ein nukleares Abschreckungsdispositiv zu haben.“
Die Runde war sehr sachlich, teils sogar sterbenslangweilig sachlich, aber hier habe ich mir dann doch mal wieder das Philosophieren über Putins Psyche zurück gewünscht. Denn ob der die Ukraine auch mit Atomwaffen angreifen würde, wäre doch mal eine spannende Frage, insbesondere für all diejenigen, die Atomkraft hierzulande verteufeln.