Tichys Einblick
Asymmetrisches Einschläfern

Bei Illner: Gott, ist das alles langweilig – drei Tage vor der Wahl

Wenn wir drei Tage vor dem Tag, an dem drei entscheidende Wahlen stattfinden, nichts zu diskutieren haben, wozu noch wählen gehen? Die deutsche Politik ist am Ende: Denn Politik nach herkömmlichem Verständnis findet nicht mehr statt. Maybrit Illner beweist das an diesem Abend eindrucksvoll.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Nur noch wenige Tage bis zum großen Wahltag. Ich bin … naja … nicht so wirklich gespannt. Sagen wir die Begeisterung hält sich in Grenzen. Nur persönlich zur Wahl zu gehen, darauf habe ich wert gelegt. Seit ich nach Berlin gezogen bin, sind schon so viele Briefe verloren gegangen, dass ich den hiesigen Postboten ganz sicher nicht den kleinen Fetzen der von meinem Mitbestimmungsrecht in dieser Republik noch übrig geblieben ist, anvertrauen werde. Allerdings weiß ich auch nicht, was mit meinem Stimmzettel passiert, wenn den Wahlhelfern hier auffällt, dass ich nicht die MLPD gewählt habe.

Sendung 23.09.2021
Tichys Ausblick Talk: „Wie gefährdet ist unsere Demokratie?
Mit der mangelnden Begeisterung bin ich aber anscheinend nicht alleine, denn ungefähr genauso gedämpft war die Stimmung der Runde, die sich um Illner am Donnerstagabend versammelt hat. Zu dem Thema „Drei Tage vor der Wahl – wie entscheidet sich Deutschland?“ waren eine Reihe Journalisten und Laberwissenschaftler geladen. Dazu zählen Publizist und Politologe Albrecht von Lucke, Welt-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld, der politische Autor im Hauptstadtbüro des Spiegel Markus Feldenkirchen, der Leiter des ZDF-Studios Washington (nur für ein kurzes Segment zugeschaltet), Politikwissenschaftlerin und Direktorin der „Akademie für Politische Bildung Tutzing“ Ursula Münch und der Wahlforscher und Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen e.V., die das „ZDF Politbarometer“ erstellen, Matthias Jung (ebenfalls nur kurz zu geschaltet).

Klar, da war nichts wirklich aufregendes zu erwarten, schließlich werden sonst Kandidaten wie Lauterbach und Co. ja nicht umsonst eingeladen. Wenn zu viele Leute zusammenkommen, die sich und alles um sich herum viel zu wichtig nehmen, braucht es schon einen Draufgänger, der die Zuschauer vom einschlafen abhält. Doch dieses Mal geht man bei den Einschaltquoten mehr so auf Nummer sicher: wenn man die Zuschauer beim 20:15 Programm schnappt, dann ins Abendprogramm mitzieht und dort direkt auf der Couch einschlafen lässt, stehen die Chancen gut, dass sie erst um Mitternacht aufwachen und merken, dass der Fernseher noch läuft. Dass sonderlich viele Zuschauer bis zum Übergang zu Lanz durchgehalten haben, bezweifle ich, aber dem ZDF kann es ja egal sein.

Und langsam aber sicher fallen die Augen zu

Und zu jeder anderen Sendung wäre es mir auch egal gewesen. Aber in der letzten Sendung vor der Wahl? Wenn wir drei Tage vor dem Tag, an dem fünf entscheidende Wahlen stattfinden, nichts zu diskutieren haben, wozu noch wählen gehen? Und es war ja auch nicht so, als wären sich alle einig gewesen, weil der Gewinner sich schon klar abzeichnet. Die unterschiedlichen Gäste hatten schon unterschiedliche Meinungen – das hat man aber nur gemerkt, wenn man ganz genau hingehört hat. Keiner hat klar verständlich seine Sicht vorgetragen, Meinungsverschiedenheiten wurden nicht diskutiert.

Statt ÖRR-Schnarchfunk
Um 17:30 Uhr einschalten: TE-Livesendung zur Bundestagswahl
Das, was einer Diskussion noch am nächsten kam, wären dann wohl die Blicke, die die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch den anderen Gästen zugeworfen hat. Während sie Dagmar Rosenfeld und Albrecht von Lucke böse angefunkelt hat – was bei Lucke teilweise dazu geführt hat, dass er sich schon gerechtfertigt hat, bevor irgendjemand widersprochen hat – hat sie Markus Feldenkirchen nur anhimmelnd zugelächelt. Feldenkirchen hält das Geld, das die kommende Regierung in die Bekämpfung des Klimawandels stecken wird, für das „best investierte Geld“, da sonst in Zukunft alle anderen Themen wie die Rente „irgendwann keine Rolle mehr spielen“ würden, da wir dann eh alle tot sind. Und ohnehin habe Helmut Kohl auch irgendwie Schuld am Klimawandel. Und so weiter. Aber das haben wir jetzt schon tausende Male gehört. Die Textbausteine werden langsam alt.

Ich habe die Theorie, dass die Briefwahl an dieser Flaute zumindest eine Mitschuld trägt. Ich würde mal sagen, dass zumindest die Mehrheit der Anwesenden in der Sendung schon längst per Briefwahl für die Parteien abgestimmt hat, die ihre Pöstchen sichern und ausbauen werden. Dann gibt es kaum noch einen Grund, sich auf den Wahltag zu freuen. Wäre er nicht noch für ihre Arbeit von Relevanz, könnten sie den Tag ebenso gut gemütlich verschlafen. Genauso wie die Zuschauer ihre Sendung.

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