„Vier Wochen vor einer spannenden Bundestagswahl scheint plötzlich alles möglich. Da setzt sich ein Thema auf die Tagesordnung, das wir eigentlich schon abgehakt glaubten“, erklärt Frank Plasberg. Aber egal – an diesem Montagabend soll stattdessen so richtig debattiert werden. Deswegen ist von FDP-Generalsekretär bis zu Spiegel-Büroleiterin Melanie Amman und von Bundesgesundheitsminister Spahn bis zu Linken-Chefin Janine Wissler auch das gewohnte Meinungsspektrum präsent. „Wie weiter in der Coronakrise?“ Ist das Diskussionsthema. Direkt will Plasberg den Kurs der Diskussion vorgeben – Tests, so der Moderator, seien nur eine billige Ausrede für jene, die sich nicht Impfen lassen wollen. Die einzige Frage, die zur Debatte steht, soll sein: 3G oder 2G?
Das sieht Janine Wissler ganz anders. Ihr Motto: Testen, testen, testen! Je mehr getestet werde, desto sicherer sei es. Deswegen müssten Tests kostenlos bleiben. Und wer sich nicht testet, kriegt von der Linken-Chefin ein Gruselszenario ausgemalt: Testen Sie sich nicht so oft wie möglich, stecken Sie am Ende ihre schwangere Kollegin oder Ihre ungeimpften Kinder an! Panik! Doch auch Geimpfte können das Virus übertragen, gibt Wissler zu: Deswegen sollte man eigentlich auch sie testen. Testen, Testen über alles: Wie ausgeleiert und inakkurat das Instrument des Coronatests eigentlich ist – heute Abend mal wieder geschenkt.
Melanie Amman vom Spiegel hält Spahns Haltung, den Ungeimpften quasi zur reinen Arbeitsdrohne zu degradieren, für „mutig“. Der FDP und der Linken gegenüber zeigt die Journalistin Unverständnis darüber, warum man denn keinen Druck auf die Bürger ausüben wolle. Die „Vorstellung“, eine freie Impfentscheidung treffen zu können, zerlegt die Leiterin des Spiegel-Hauptstadtbüros direkt. Wer sich nicht impfen lässt, würde eine „dreckige Nummer“ abziehen. Aber alle sind sich einig: Niemand hat die Absicht, eine Impfpflicht einzuführen. Die Vorwürfe von FDP-General Wissing, man führe durch das harte Testregime quasi eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ ein, verhallen. Spahn betet sein längst widerlegtes Mantra herunter, dass Impfungen mehr Sicherheit für alle bedeuten würden.
„Ich mag unkonventionell und pragmatisch gehandelt haben“
Und so kommt die Runde schnell dazu, eine Impfpflicht für bestimmte Berufe zu debattieren. Angeblich soll die Sendung ein „Bürgercheck“ sein – doch aus dieser Struktur bricht Plasbergs Talk schnell aus. Politiker und Journalisten wissen es sowieso besser. Eigentlich, so Spahn, wolle er keine Impfpflicht. Vielleicht bräuchte man sie am Ende aber doch – wenn man nicht gegen „das Halbwissen und die Lügen aus WhatsApp-Gruppen“ ankomme. Aber im Grunde will man Ungeimpfte lieber drängen, zwängen und gängeln. Darin sind sich eigentlich alle einig. Spahn kommt mit einem Vorstoß um die Ecke, der es in sich hat: Der Arbeitgeber könnte doch erfragen dürfen, wie es bei seinen Angestellten mit dem Impfstatus aussieht. Auskunftspflicht für Arbeitnehmer – er sei da „hin- und hergerissen“, gibt der Minister zu. Die Idee gefällt ihm. Wer kann besser Impfdruck ausüben als der Arbeitgeber, von dem der Lebensunterhalt abhängt?
Währenddessen ist der einzige Mediziner der Runde, der Coronaarzt Cihan Celik, tatsächlich gegen Druck auf Ungeimpfte – der bringe gar nichts, meint der Darmstädter. Er will lieber Überzeugungsarbeit leisten. Auch Jens Spahn hat plötzlich Sorge, dass „aus Spannungen Spaltungen“ werden.
Ansonsten ist Jens Spahn vor allem damit beschäftigt sich selbst zu loben. Er sei ja viel kritisiert worden für die Beschaffung von Impfstoffen, Tests und Masken: „Ich mag unkonventionell und pragmatisch gehandelt haben, in der Not war manches auch teurer. Aber es war da!“ so Spahn. Die Maskenbeschaffung in Deutschland – für Spahn eine Erfolgsgeschichte. Die eigene zweifelhafte Rolle bei der Maskenbeschaffung? Bleibt unerwähnt.
Gegen Ende der Sendung kommen auch mal wieder ein paar Bürgerstimmen zu Wort, die teilweise aber einfach getrost ignoriert werden. Stattdessen beschäftigt Plasberg die Frage nach einem „Freedom Day“ wie in Großbritannien. Janine Wissler ist dagegen – klar, Linke haben es nicht so mit „Freiheit“. Weil eine Pandemie etwas internationales sei, wolle sie keinen Freedom Day, meint die Parteichefin. Und auch Jens Spahn malt den Teufel an die Wand – so ein Freiheitstag würde „Hunderttausend Tote“ bedeuten. Ein Alarmismus, der Lauterbach alle Ehre macht. Der war ausnahmsweise nicht eingeladen
So kommt der Talk am Ende zu einem unrunden Abschluss: Fast alle wollen eine de-facto-Impflicht, fast niemand will sie so nennen. Und Jens Spahn will offenbar den gläsernen Corona-Menschen weiter vorantreiben – zukünftig könnte auch der Arbeitgeber auf die Gesundheitsdaten zugreifen dürfen. Der Zuschauer denkt sich: Das wird nicht die letzte Talkrunde zu Corona gewesen sein. Allein schon, weil Inhaltlich mal wieder kaum etwas rumkam – außer dass man im Öffentlich-Rechtlichen gemerkt hat, dass der gewünschte Covid-Konsens offenbar noch geschaffen werden muss.