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Bei Hart aber Fair: Söders Impfpflicht-Sabotage stürzt den Hardliner-Club endgültig ins Chaos

Söders Impfpflicht-Aussetzung in Bayern wird von seinem Generalsekretär Markus Blume bei Hart aber Fair flankiert. Katrin Göring-Eckardt weiß gar nicht, wie ihr geschieht, und auf einmal sind in der ARD Öffnungsphantasien auf dem Tisch.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Bei Hart aber Fair wird über Öffnungen und das Ende der Pandemie gesprochen. Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder beklagt die mangelnde Mehrdimensionalität der Corona-Politik. Mit Marc-Christoph Wagner ist ein deutscher Auswanderer nach Dänemark im Studio, der zwar gleichzeitig die Lockerungen im nördlichen Nachbarstaat lobt, Ähnliches für Deutschland aber nicht verstehen kann. Ein maßnahmenkritischer Standpunkt wäre in der Runde erwartungsgemäß also wieder in der Unterzahl – doch unerwartete Ereignisse aus Bayern stellen alles auf den Kopf.

Plasberg hatte schon vor Tagen Markus Blume eingeladen – einen Mann, bei dem man eigentlich nichts falsch machen kann. Der CSU-Generalsekretär und Söders Lockdown-Flügeladjutant glänzte stets damit, der einzige zu sein, der noch härtere Ultrahart-Maßnahmen fordert als sein Chef.

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Doch wer hätte ahnen können, dass just an diesem Montagvormittag der bayerische Ministerpräsident den wohl radikalsten Lockerungsschritt seit Monaten ankündigte – in Bayern wird die Impfpflicht für das medizinische Personal schlichtweg nicht durchgesetzt. Und auf einmal hört man von Blume ganz andere Töne. Man müsse jetzt „die Dauerschleife Corona verlassen“. Er habe mit zahlreichen Einrichtungen gesprochen, die erzählten, sie könnten durch die Impfpflicht ihre Fachkraftquoten nicht erfüllen – mit verhängnisvollen Folgen für die Situation der Pflege. Sichtweisen, die vor zwei Wochen noch als Quergeschwurbel galten. Gleichzeitig bemängelt Blume aber auch das Ampel-Zögern bei der allgemeinen Impfpflicht, die ja weiterhin das Ziel sei.

Katrin Göring-Eckardt reagiert fassungslos: „Es ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und nicht, populistisch zu agieren in bestimmte Gruppen hinein, bei denen man hofft, dass sie bei einer Wahl dann irgendwie ihr Kreuzchen woanders machen!“. Nur weil es schwierig werde, dürfe man doch nicht einfach aufgeben. Sie findet: „Wahrscheinlich würde die olympische Disziplin ‚Ich ändere meine Meinung ständig‘ in Bayern bei einer Goldmedaille landen!“

Für eine Goldmedaille hat es bei Blume noch nicht gereicht, aber er war tatsächlich mal Deutscher Juniormeister im Eistanzen. Auch an diesem Montag dreht er seine Pirouetten schnell – allerdings so schnell, dass er bisweilen das Ziel aus den Augen verliert und unkontrolliert über das dünne Hart aber Fair-Eis wirbelt. Für Verwirrung bei seinen ehemaligen Hardliner-Freunden sorgt das allemal. Blume fasst den bayerischen Wende-Kurs so zusammen: „Wir waren vorsichtig, als Vorsicht gefragt war, und sind jetzt vorsichtig optimistisch, wenn Optimismus gefragt ist.“

„Ist uns doch egal, wir lassen uns nicht impfen und sind jetzt auf den Intensivstationen“.

Opfer ist vor allem Katrin Göring-Eckardt. Zwei Jahre lang ist sie in der Corona-Frage durchgekommen mit ein paar wenig auswendig gelernten Phrasen, bei denen sie sicher sein konnte, dass jeder in einer Öffentlich-Rechtlichen Sendung sie teilt. Mit Sätzen wie „Omikron ist milder, aber eben nicht mild“ kann sie an diesem Abend aber wenig Punkte machen. Ihre Beschreibungen sind in Sachen Logik dann oft auch ein bisschen sehr gewagt. Wenn man jetzt auf die Intensivstationen schaue, treffe man dort viele Ungeimpfte, auch in höherem Alter. Das sei die Problemgruppe für die Kinder und Jugendliche viele Einschränkungen in Kauf genommen haben.
„Jetzt sagt da ne bestimmte Anzahl – ungefähr drei Millionen – über 60-Jährige: ist uns doch egal, wir lassen uns nicht impfen und sind jetzt auf den Intensivstationen“.

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Wer kennt sie nicht, diese drei Millionen, die sich aus Spaß an der Freude einfach mal sagten: Lass uns heute doch mal auf die Intensivstation?
Plasberg fragt nach, wie sie denn auf diejenigen antworte, die jetzt sagen, diese drei Millionen hätten es doch selbst in der Hand und man müsse sie ihrem Schicksal überlassen und normal weiterleben. Gute Frage, aber Göring-Eckardt findet nun, dieses Schicksal betreffe doch auch Kinder und Jugendliche  – wegen Long Covid, vorerkrankten Kindern und außerdem könnten auch Kinder und Jugendliche schwer erkranken. Nun gefährden also nicht-geimpfte über 60-Jährige auf den Intensivstationen Kinder und Jugendliche.

Der Zuschauer darf insgesamt etwas Freiheitsluft schnuppern. Im Einspieler sagt Prof. Jochen Werner, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Essen: „Wir müssen diesen Angst- und Panikmodus zugunsten eines kontrollierten Pragmatismus verlassen!“ Es müsse Schluss sein mit dem Covid-19-Alarmismus, mit dem Starren auf Zahlen.

Und Kristina Schröder erzählt die Schattenseiten der Pandemiepolitik. Für die Senkung der Infektionszahlen habe man Dinge gemacht, die man sich vor zwei Jahren nicht hätten vorstellen können. „Wir haben Menschen alleine sterben lassen!“ Sie kritisiert die „Unbarmherzigkeit“ in der Pandemie-Politik.

In dieser Sendung kann man die Veränderung der Debatte quasi live mitansehen. Von einer einst vereinigten Front für den Lockdown ist nichts mehr übrig. Es kämpfen alle gegen alle und jeder versucht gerade noch seine Haut zu retten.

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