Und schon die nächsten traurigen öffentlich-rechtlichen Gesichter am noch offenen Sarg der Sozialdemokratie – dieses Mal will sich Frank Plasberg bei hart aber fair damit versuchen, in einem Trauerkreis ohne Opposition noch mal die schönsten Momente der SPD zu erzählen. Das sogar, ohne dass ihm Kevin Kühnert dazwischen plärrt, der erst bei Maischberger und noch am Sonntagabend bei Anne Will so schön vorgeführt hat, was passiert, wenn man sich selbst wie ein Soufflé halbgar aus dem Ofen zieht und auf den gedeckten Tisch knallt: Es fällt in sich zusammen.
Plasberg fragt hart aber fair, wohin das Land geht, jetzt wo die SPD am Abgrund steht und die Große Koalition wackelt. Dazu vorgeladen wurden Lars Klingbeil (SPD, Generalsekretär), Ralph Brinkhaus (CDU, Vorsitzender der Bundestagsfraktion), Katrin Göring-Eckardt (B’90/Grüne, Fraktionsvorsitzende), Eva Quadbeck (Leiterin Parlamentsredaktion der „Rheinischen Post“) und Peter Zudeik (Journalist u.a. für den MDR).
Also drei Journalisten (inkl. Plasberg) und drei potentiell koalitionswillige Politiker. Opposition fällt hier gewohnheitsmäßig aus. Übrigens auch in Ermanglung einer solchen jenseits der AfD. Denn die Fraktionsvorsitzende der Grünen als Opposition zu bezeichnen, wer tut das noch angesichts ihrer schon über Jahre anhaltenden Souffleurstätigkeit für die Frau im Kanzleramt?
Wenn sich also bei Plasbergs hart aber fair eine Runde trifft, die allesamt auf der einen Seite des Grabens neben der grünrot gestrichenen Zuckerwattemaschine stehen, dann werden das sehr lange 75 Fensehminuten. Ralph Brinkhaus betont, dass es in der GroKo keinen Linksruck geben würde. Da würde man nicht mit der SPD mitmachen. Ist das noch Galgenhumor oder schon richtig Angst, wenn die tiefen Kratzspuren des Stühlerückens der Union nach links heute schon deshalb unübersehbar geworden sind, weil 92 Abgeordnete der AfD im Bundestag die freien Leerstellen besetzt haben, während das Gedränge links davon der SPD zunehmend den Atem zuschnürt, geknebelt zwischen besagter linksverrutschter Union und den Grünen nebst Linken?
Katrin Göring-Eckardt – nein, keine Sorge, der Autor hier will es auch dieses Mal nicht tun, fragt sich aber, wann endlich mal der Zeitpunkt gekommen sein darf, den Eindruck 1:1 wiedergeben zu dürfen, den diese Frau von Auftritt zu Auftritt verfestigt, wenn fehlende Sympathie sich in Missachtung und dann in Verachtung wandelt. Aber es geht ja nicht um Sympathiepunkte, es geht um die ganz einfach Frage, warum diese Frau dieses Land und seine Menschen so hasst. Hier immer nur weiter eine ideologische Verblendung Göring-Eckardts als Erklärung vorzuschieben darf längst nicht mehr greifen.
Eva Quadbeck von der Rheinischen Post ist sich sicher, dass die SPD die Große Koalition gar nicht verlassen kann, denn dazu wäre sie aktuell zu schwach, dann würde sie „pulverisiert“. Die GroKo also als Herzschrittmacher der SPD, während die Genossen einer nach dem anderen schon nach dem Giftbecher schielen bzw. nach Kevin Kühnerts Radikalkur: Die Partei erst einmal zurück in die Katakomben führen, um dann sozialistisch neu geläutert wieder aufzuerstehen, wenn der Spuk vorbei ist – also jener, den man selbst mit angezettelt hat und bis heute nicht als solchen benennen mag?
Klingbeil und Brinkhaus verstehen sich prächtig, man lächelt, es wird gescherzt, gewitzelt, ach Du je. Göring-Eckardt weiß immerhin noch, was dem Zuschauer vorgespielt werden muss, also stichelt sie ein wenig – denn mit welchem Partner die Grünen am Ende dieses faschismusverdächtige Deutschland abwickeln wollen, falls die Klimaapokalypse nicht vorher zuschlägt, scheint ihr völlig schnuppe.
Lars Klingbeil schwärmt von der Wahl der neuen SPD-Parteivorsitzenden. Aber was nutzt es, wenn keine Forderungen in die Große Koalition getragen werden bzw. die Union am bisherigen Koalitionsvertrag festhält und warum überhaupt sollte die Wahl von Parteivorsitzenden überhaupt Auswirkungen auf einen laufenden GroKo-Vertrag haben?
Aber noch viel wichtiger: Was hat das alles mit den Ursachen für den Graben zu tun, der quer durch die Gesellschaft geht? Welche neuen Positionen wären geeignet, diesen Graben zu überbrücken? Oder präziser: Will die SPD die Verwerfungen der anhaltenden Massenzuwanderung beseitigen oder will sie das nicht? Will die „neue“ SPD dem Bundesinnenminister jetzt den Fehdehandschuh hinwerfen, weil Horst Seehofer die Migration mal wieder zum Hauptproblem Deutschlands benannt hat (freilich ohne daran ernsthaft etwas ändern zu wollen)? Nein, muss sie gar nicht, weil Seehofer erst seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen muss und selbst noch nicht weiß, wie so etwas überhaupt geht.
Göring-Eckardt bringt die Runde bei hart aber fair auf Kurs jenseits von Seehofers halbgarem Wahrhaftigkeitsstrampeln, indem sie die für sie dringenden Fragen benennt: Klimawandel, Digitalisierung, Mindestlohn zwölf Euro.
„Sie sind aber auf Attacke-Modus“, amüsiert sich Brinkhaus über die Grüne, als die mal ein bisschen hochfährt. Und beide lächeln sich dann freundlich an, wohl wissend, welches Spielchen hier gespielt wird, ohne dass jemand am Tisch säße, der mal ein paar verbale Backpfeifen verteilen könnte an die Köche dieses trostlosen Gleichgesinnteneintopfs. Tatsächlich ist gelebte Demokratie vor allem eines: Ein Auftrag zu streiten, keiner, sich gegenseitig das Fell zu wärmen, damit es bloß für alles so schön lau bleibt.
Ralph Brinkhaus prahlt damit, dass 60 Prozent der Aufgaben des Koalitionsvertrages abgeschlossen seien, fast so, als wären diese Aufgaben der Regierung vom Bürger diktiert worden, aber exakt das ist nicht der Fall. Da, wo der Bürger Aufträge formuliert, wird er diffamiert, denunziert und diskreditiert, so lange, bis er nicht mehr mag und sich auf seine Scholle zurückzieht, so er das Glück hat, eine eigene geerbt oder schon erarbeitet zu haben.
Ralph Brinkhaus erzählt ganz munter, was man noch gemeinsam so vor hat in dieser ewigen GroKo, in Sachen Automobilindustrie und Landwirtschaft beispielsweise müsse man „einen Transformationsprozess organisieren“. Und das klingt dann schon deshalb so lustig, weil man nicht im Entferntesten auf die Idee kommen könnte, dass die Mehrheit der Deutschen nun vom Sofa aufspringt und jubelt: „Ja, toll! Wir wollen endlich den Transformationsprozess!“ Oder doch? Ein lautstark wohlstandsgelangweiltes „Ja!“ zu noch mehr Experimenten? Gar zum größten Experiment der Geschichte der Bundesrepublik? Scheinen die Vertreter der Etablierten jedenfalls so zu glauben. Oder zu glauben, kommunikativ so vermitteln zu können.
Der Applaus der Zuschauer ist bei Brinkhaus fast so groß wie bei Göring-Eckardt. Aber was sagt das in beiden Fällen über die Auswahl der Zuschauer bei hart aber fair? Über „Themen, die wichtig sind für die Menschen“, möchte der Sozialdemokrat Lars Klingbeil reden. Aber warum macht er es dann nicht? Ach, es ist schon jämmerlich, wie hier eine pseudostreitbare Runde von Leuten zusammengestellt wurde, die sich gegenseitig so überfleißig bepudern, das einem schlecht werden könnte. Lustig allenfalls, dass die nette Dame von der Rheinischen Post noch von einer Parteilinken in der SPD spricht, als gäbe es da ein wahrnehmbares Ringen innerhalb der SPD – auch das übrigens eine Idee dieser öffentlich-rechtlich zelebrierten und penetrierten Parteivorsitzwahl: Vielfalt in der Einfalt zu suggerieren.
Es gibt weitere spaßige Momente bei hart aber fair, wenn Göring-Eckardt dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorwirft, der Wirtschaftsminister betreibe eine Deindustriealisierung Deutschlands und es gäbe einen Investitionsstau im Land. Na klar stimmt das alles, aber insbesondere ja wohl deshalb, weil diese GroKo und diese Bundeskanzlerin laufend grüne Positionen vertritt.
Katrin Göring-Eckardt möchte kein Glyphosat mehr auf dem Teller. Aber das lag da ja auch nie, dafür aber bei vielen eine Scheibe ehrliches Graubrot, das jetzt ebenso pfui sein soll wie das Glyphosat selbst, wie der Schinken, die Butter und der Käse, weil konventionell hergestellt und nicht bei Vollmond mit Gesang, Klangschale und Bauchtanz 50 plus.
Als über die FDP gesprochen wird, sagt Plasberg, „Herr Lindner ist nicht da.“ Aber welche giftige Oppositionsarbeit hätte der nun in die Runde tragen können, was hätte beim Vorzeigeliberalen giftiger als beispielsweise bei Jörg Meuthen oder Tino Chrupalla vom Oppositionsführer im deutschen Bundestag sein können?
Und weil das alles so weltfremd ist, bleibt Zeit, auch noch die Kameraführung der Sendung zu schelten, denn wie gemein ist das denn, einen Schweißtropfen am Hals von Lars Klingbeil sekundenlang beim Abfließen in den Anzugkragen zu verfolgen, während man ernsthaft mit der Idee gespielt zu haben scheint, diese feuchte Abfahrtpiste noch in SlowMotion zu zeigen. Böse? Oder einfach, weil sonst nichts los?
Die anhaltende Fröhlichkeit eines Ralph Brinkhaus jedenfalls dürfte für die Betroffenen im Land wie eine schallende Ohrfeige wirken. Da sind die unfreiwillig geouteten Schweißtropfen des Koalitionspartners fast menschlich. Und verständlich angesichts des Desasters, das die Genossen gemeinsam mit den Unionisten in Deutschland angerichtet haben. Brinkhaus bleibt trocken.
„Die Transformation zur Klimaneutralität ist eine riesige Investitionsaufgabe und die muss jetzt angegangen werden und dafür braucht es jetzt eine Planung.“ Wer hat’s gesagt? Stimmt: Im Prinzip jeder der Drei, aber dieser Satz kam tatsächlich mal direkt von der grünen Regierungs-Souffleuse.
Es ist zum Piepen, wie sich die Koalitionäre hier über eine Stunde lang gegenseitig auf die Schulter klopfen, wie toll die GroKo gearbeitet hat, ohne aber auch nur einen Moment zu erklären, wo denn nun eigentlich dieser mächtige Graben, wo denn die inflationäre Politikerverdrossenheit, wo das denn nun alles herkommt. Nein, Katrin Göring-Eckardt ist keine Vertreterin einer Oppositionspartei, ihre Partei ist Teil dieser großen Koalition, auch ohne ihr direkt anzugehören.
Eine Talkshow aus einer ideologisch verbrämten Parallelwelt unter einer Käseglocke, wo man auch ganz ohne Klimaerwärmung mächtig ins Schwitzen kommt, sich aber einfach nichts anmerken lässt. Und Brinkhaus befeuert diese Hitze in der Schneekugel noch, indem er meint, den Zuschauer in Ermanglung einer echten Opposition daran erinnern zu müssen, dass Göring-Eckardt Opposition ist: „Also ich meine, sie sind Opposition Frau Göring-Eckardt und das ist auch ok.“ Nein, ist es eben nicht. Ganz und gar nicht. Jedenfalls nicht in dieser Sendung hart aber fair, die einen Popanz präsentiert, der selbst noch jenen auffällt, die längst nicht mehr richtig hinhören mögen.
Aber fassen wir es doch mal abschließend mit eigenen Worten zusammen: Die SPD ist die Partei an der Seite von Angela Merkel, die sich für jene anhaltende Massenzuwanderung stark gemacht hat (und weiter macht), die der Bundesinnenminister gerade wieder einmal zum wichtigsten Problem erklärt hat. Die SPD ist die Partei von Außenminister Heiko Maas, einem der Hauptverantwortlichen wenn es darum geht, die Opposition zu diffamieren – und die SPD verantwortet das Familienministerium, dass mit einem jährlichen dreistelligen Millionenbetrag diese strangulierte Form von Demokratie via subventionierter Nichtregierungsorganisationen in die Köpfe der Menschen pressen will auf Teufel komm raus.
Oder noch viel kürzer gesagt: Die Verursacher der großen Verwerfung eignen sich nicht als Baumeister eines Neuanfangs. Die SPD hat fertig. Hat sich selbst fertig gemacht. Schönes Bild zum Schluss: Göring Eckardt schwadroniert, die Herren Klingbeil und Brinkhaus nicken brav und synchron. Wie Wackeldackel auf der Hutablage auf der Fahrt mit dem Elektroauto in die untergehende Sonne, vor die sich Windkraftanlagen schieben wie von Geisterhand. Teletubiland mit echten Menschen halt.