Eigentlich sollte es bei „Hart aber Fair“ mal wieder um Corona gehen – doch die Unions-Castingshow zwingt auch Frank Plasberg zum umdisponieren. Unter dem Titel „Kandidaten-Showdown: Verstolpert die Union das Kanzleramt?“ bewertet eine eilig zusammengetrommelte Runde die beiden Ministerpräsidenten, die zu Merkels Kronprinzen avancieren wollen.
Die themenbedingten Hauptpersonen des Abends sind CSU-Generalsekretär Markus Blume und NRW-Innenminister Herbert Reul – sie müssen wohl als Vertreter ihrer jeweiligen Parteichefs begriffen werden, weswegen sie immer wieder Rede und Antwort stehen dürfen. Blume, der per Video zugeschaltet ist, präsentiert sich vor dem Hintergrund des Münchner Siegestores. Pompös prangt die Inschrift „Dem bayerischen Heere“ gut lesbar hinter ihm. Ganz im Geiste der berühmten, söderschen „Breitbeinigkeit“ ist das bayerische Pseudoselbstbewusstsein auf 100 gedreht – vielleicht übertönt es die eine oder andere Unsicherheit. Im Laufe der Sendung verabschiedet sich der Bayerngeneral dann auch noch vorzeitig: Dreißig Minuten vor Ende muss er nämlich „weiter“, wahrscheinlich rufen die Verpflichtungen am königlich bayerischen Hofe.
Mehr Sicherheit strahlt da schon Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke aus. Er bewertet Laschet ebenfalls als klaren Favoriten. Der CDU-Vorsitzende habe nur naturgemäß im innerparteilichen Machtpoker die Nase vorne. Söder habe „versucht, seine letzte Karte zu ziehen“ – damit meint er den Mythos von den ach so tollen Umfragewerten. Dass die Union den Machtkampf jedoch so offen ausfechte, sei ein Fiasko für die Parteien, meint der bekannte, eher linkslastige Politologe. Ein Laschet-Fan ist er bei weitem auch nicht: „Dieser statuierte Satz: Jeder NRW-Ministerpräsident ist dazu geeignet Kanzler zu sein – das hat offensichtlich die Gesamtbevölkerung in Deutschland noch nicht so gesehen, das ist das Scheitern von Armin Laschet“ proklamiert er. Und dieses Scheitern sei übrigens dem Umstand geschuldet, dass er den konsequenten Schulterschluss mit Angela Merkel gesucht habe.
Dass die Union gespalten ist, glauben nicht nur von Lucke und Lambsdorff, sondern auch Christina Dunz aus dem Hauptstadtstudio des Redaktionsnetzwerks Deutschland erkannt zu haben. Sie ist sich da übrigens mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil einig: Sonst hätte man fast noch vergessen, dass das Willy-Brandt-Haus große Anteile am Mutterkonzern ihres Arbeitgebers hält. Die beiden werden also versuchen, der Union möglichst viel Zerstrittenheit zu attestieren – in der wilden Hoffnung, dass das Gerede von schwer zu reparierenden Schäden, die der Machtkampf für die Union habe, der SPD irgendwie helfen könnte. Klingbeil zumindest kann eine gewisse Schadenfreude kaum verbergen, auch Dunz attestiert der Union schon innere Gräben wie 2018, als einige bereits den Bruch der Fraktionsgemeinschaft sahen. Insgesamt ist sich die Runde einig: Der eher einer Karambolage zweier Alphatiere gleichende Prozess einer Kandidatenfindung ist ein Desaster. „Es sind beide beschädigt“, befand Dunz. Von Lucke attestiert der Union, „zwischen zwei Übeln“ zu stehen: Laschet sei der schlechtere Kandidat, doch ziehe man Söder vor, werde der Chef der stärkeren Partei düpiert und, wie Lambsdorff spottet, quasi zur „Saskia Esken der CDU“ – und das wünscht man wirklich niemandem.
Am Ende bewegt sich die Debatte um den Unions-Kanzlerkandidaten auf einem Niveau von Kleinkindern. „Ich bin der viel bessere Kanzler als du, frag doch Mama“. Inhalte? Fehlanzeige. Armin Laschet will eher Annalena Baerbock und Frauenquoten nacheifern, während Markus Söder strikt in Merkels Lockdown-Windschatten bleibt.
Der bayerische Ministerpräsident plädiert penetrant aus natürlich völlig uneigennützigen und allgemein-philosophischen Gründen dafür, dass man jetzt auf die Umfragewerte schauen müsse. Laschet entgegnet genauso scheinheilig, aber richtig, dass eine Politik, die sich bloß an Umfragewerten orientiert, ein Witz ist. Und so ist es auch: Wenn Markus Söder hierzulande als Inbegriff von Selbstsicherheit, Stärke, Souveränität und Symphatieträger gelten kann, weiß man, wie verloren wir sind. Es sind in Wahrheit zwei Figuren, über die man nur noch laut lachen möchte. Jede Debatte ist eigentlich überflüssig, genau wie diese Sendung von Hart aber Fair.