Am Montagabend nimmt Frank Plasberg sich nicht Corona, Putin oder die Ukraine, sondern Nordrhein-Westfalen zur Brust: Bei „Hart aber Fair“ geht es um die „kleine Bundestagswahl“ vom Sonntag. Mit 35,7 Prozent sicherte sich die CDU mit Spitzenkandidat Hendrik Wüst deutlich den Wahlsieg neun Prozentpunkte vor der SPD, die eine kräftige Wahlniederlage hinnehmen musste. Der politische Wind in NRW scheint in Richtung Schwarz-Grün zu wählen. Plasberg jedenfalls redet dem Bündnis schnell das Wort – „War die Ampel nur ein Unfall?“, fragt der Moderator seine Runde.
Das sei natürlich ein reißerischer Titel, meint Michael Bröcker. Der Chefredakteur von „ThePioneer“ meint aber: „Die Ampel läuft Gefahr, nur eine Episode zu sein.“ In Wahrheit war die schwarz-grüne Option in diesem Land „in vielen Umfragen immer schon gewollt gewesen“. Jetzt zeige sich in NRW, dass diese auch möglich sei. Olaf Scholz habe „die Quittung“ für sein zögerliches Handeln im Bund, insbesondere in der Ukraine-Frage erhalten. Spiegel-Redakteurin Melanie Amann stimmt zu: Die Wahl sei eine Ohrfeige für die Ampel. Die beiden Journalisten sind sich in ihrer Analyse weitgehend einig.
Ähnlich äußerte sich kurz darauf CDU-Vize Linnemann. Er sagte: „Das, was gestern Abend passiert ist, schadet nicht nur Ihnen, sondern auch uns, der Politik insgesamt, weil es die Politikverdrossenheit erhöht.“ Kühnert im Kreuzfeuer – darauf reagiert er bissig, schnappt unsouverän ein giftiges „Danke für die Blumen“ in Richtung Bröcker, als dieser meint, Kühnert sei doch eigentlich „klüger“ als sein Verhalten am Sonntagabend.
Zu Beginn der Ampel-Koalition hatte Olaf Scholz einen neuen Politikstil, ein gemeinsames regieren verkündet, bei dem „niemand verlieren“ sondern alle gewinnen sollten. Ist dieser Traumzauber schon wieder verflogen? Kühnert gibt zu verstehen, dass der Wahlabend für SPD und FDP kein schöner gewesen sei. „Aber wir müssen auch die Kirche im Dorf lassen.“ Dass die Bundesregierung aber auch mal bei Sachthemen streite, sei sicher kein „Spaltpilz einer Regierung“, reagierte der SPD-Generalsekretär spitz. Auch von einer SPD-Flaute wollte er nichts wissen. Seine Partei regiere die Hälfte aller Bundesländer und habe mit dem Saarland bereits deutlich eines aus CDU-Hand gewinnen können. Auch Nouripour wiegelt weiter ab. Die Ampel-Politiker versuchen so offensichtlich, erste Knackse wegzukaschieren, dass Melanie Amann sarkastisch fragt, ob dann die Runde nicht auch nach Hause gehen könne. „Natürlich ist es schon so, dass bei den NRW-Wählern angekommen ist: Da ist ein zurückhaltender, zögerlicher Kanzler, der von seinen eigenen Koalitionspartnern angetrieben wird.“ Die Ampel erscheine unharmonisch. Das „Knirschen im Gebälk“ der Ampel-Koalition sei in Nordrhein-Westfalen deutlich gehört worden.
Kühnert steht wie ein Paladin vor seinem Kanzler – doch es nützt nichts, denn sein giftiges Verteidigungsgefecht kann die nüchterne Analyse der Wahl nicht verändern. Zwar wäre es eine NRW-Wahl und keine Bundestagswahl gewesen – „Vielleicht lag es einfach daran, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen gute Politik gemacht hat“, meint auch Carsten Linnemann zum Wahlergebnis. Aber „Rückenwind“, wie Michael Bröcker formuliert, war die Wahl für die Ampel keineswegs. Der Glitter ist ab, der Zauber verflogen – die Realität haben die Ampel-Träumereien bereits gewaltig angekratzt.