Hart aber Fair wagt sich nun doch an ein Thema, das die letzten Wochen gescheut wurde: die Atomkraft. Kaum ein Teilnehmer traute sich, die gefürchteten Worte in den Mund zu nehmen, schon gar nicht, die Frage mit mehr als zwei Sätzen abzufertigen. Doch die Frage dieser Sendung lautete: „Zu teures Gas, zu wenig Strom: Muss die Atomkraft doch länger laufen?“ Um das Thema Atomkraft kamen die Teilnehmer also nicht herum.
Die Sendung eröffnete mit einem Fallbeispiel: Die Kosten für Strom und Gas der Bäckerei Herzensbäcker Künne explodieren von 120.000 Euro auf 1,1 Millionen Euro pro Jahr. Um diese Preise aufzufangen, müsste der Laib Brot 8,00 Euro kosten – statt des jetzt schon beachtlich gestiegenen Preises von 4,10 Euro. Die Inhaberin der kleinen Bäckereikette war in der Sendung dabei. Caterina Künne steht mit dem Rücken zur Wand: Bleiben die Kosten, wie sie sind, wird ihr Betrieb nicht länger als bis diesen Dezember existieren. Ein Unternehmen, das es seit 90 Jahren gibt und für das ein Sohn für die Übernahme bereitsteht: weggewischt von der teuren Energie.
Er ist vehement gegen die Laufzeitverlängerung von AKWs – so wie Tarek Al-Wazir. Al-Wazir ist Energie- und Wirtschaftsminister in Hessen und natürlich grün. Argumente pro Kernkraft wischt er gerne mit einer lauten Stimme und Nonsens-Argumenten vom Tisch. Seine Gesprächspartner lässt er oft nicht ausreden oder übertönt sie einfach: „Sie müssen keinem Grünen erklären, wie ein Atomreaktor funktioniert“, so Al-Wazir. Die Atomkraftwerke müssen vom Netz, denn so war das schließlich beschlossen. Dafür müssen die Erneuerbaren weiter ausgebaut werden. Überhaupt, so Al-Wazir: Der Anteil des AKW-Stroms am jetzigen Strompreis sei so gering – nur 1 Prozent –, dass man gerne auf diesen Strom verzichten könne.
Für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke spricht sich besonders Gitta Connemann – Mitglied des Bundestags – aus. Die Unionspolitikerin hatte in der Vergangenheit schon gegen den mit Fukushima begründeten Atomausstieg gestimmt. Ihr Vorschlag, um die Probleme der Industrie abzufedern, sind massive Förderprogramme. Diese sollen finanziert werden über die energiebedingten Sondereinnahmen des Staates. Doch auf die Idee, Steuern, CO2-Preise und -Abgaben zu senken, kommt auch sie nicht.
Der letzte in der Talk-Runde ist Stefan Kooths. Kooths ist Vizepräsident des Instituts für Wirtschaft in Kiel. Er kritisiert das Handeln der Regierung deutlich. Kooths vertritt die Meinung: Nun müssen wir entscheiden, ob wir die Atomkraftwerke noch für weitere 5 bis 10 Jahre nutzen wollen. Denn nur so lässt sich ein sinnvoller Weiterbetreb reaktivieren. Der Begriff Grundlast fällt: Das ist eine Menge im Voraus planbarer Energie im Netz, die das System stabilisiert. Ohne Gas- und Kohlekraftwerke, wo soll sie herkommen? Bleibt nur die Atomkraft. Doch diese Bedenken werden von Al-Wazir sofort weggewischt.
Alles Argumente, die Al-Wazir nicht hören möchte. Er duldet sie nur noch als Notfallreserve. Doch dafür eignen sich AKWs nicht, so hatten Vertreter der Preussen Elektra in einem offenen Brief an Habeck deutlich gemacht. Diesen Brief nennt Al-Wazir „eine Unverschämtheit“. Denn wenn Realität und Ideologie nicht aufeinander treffen, ist die Realität: eine Unverschämtheit.
Und so dreht sich wieder mal die Diskussion im Kreis. AKWs werden vom Netz genommen, weil vereinbart war, dass sie vom Netz genommen werden. Die Lösung sollen irgendwann in ferner Zukunft mehr erneuerbare Energien sein.
Nun kostet der Zwetschgenkuchen in der Bäckerei Künne schon 2,50 Euro. Um die Energiekosten zu spiegeln, müssten es jedoch 3,50 Euro sein. Doch Al-Wazir, ganz grüner Trotzkopf, stampft mit dem Fuß auf: Atomkraft, nein, nein, nein. Das darf nicht sein.