Tichys Einblick
Auf einmal gehts um Immobilien

Bei Hart aber Fair: Eigenheimbewohner gegen Eigenheime

Bei Hart aber Fair gehts ausgerechnet wenige Tage vor entscheidenden Wahlen mal um etwas ganz anderes: Wohnraum und Enteignung. Neben sozialistischen Phrasenkatalogen erwartet den Zuschauer zumindest ein Offenbarungseid.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Eine Woche vor den entscheidenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg steht die Bundesregierungen schwer in der Kritik, die CDU ist demoskopisch im Sinkflug. Zuletzt wurde selbst schon in Öffentlich-Rechtlichen Talkshows Merkel-Kritik geübt. Das hat die Redaktion erkannt und schnell reagiert. Das Thema lautet diesmal: „Wie radikal soll Wohnungspolitik sein?“ Aufhänger sind die viel diskutierten Äußerungen der Grünen über Einfamilienhäuser.

Heft 03-2021
Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
Immerhin: Karl Lauterbach hat in Harvard scheinbar nicht Wohnungsbauökonomie studiert und es gab ein wenig Streit. Dass die Wohnungspreise in den Städten absurd steigen, ist unbestreitbar – doch über die Gründe lässt sich viel diskutieren. Für einige ist die Sache da ganz klar: Die Spekulanten, die mörderischen Haie des Kapitalismus, verhindern mit ihren Geschäften eine Stadt, die allen gehört. Dieser Ansicht ist zumindest die Linken-Fraktionschefin im Bundestag, Amira Mohamed Ali. Sie wird sich an diesem Abend vor allem dafür verantwortlich zeigen, Klassenkampfrhetorik in die Sendung zu bringen – hätten Sie jedes mal, wenn die Politikerin das Wort „Spekulanten“ verwendete, einen tropfen Schnaps zu sich genommen, hätten Sie nach 10 Minuten auf dem Tisch getanzt.

Ihre Hauptgegnerin wird Mohamed Ali in Aygül Özkan finden. Özkan ist Geschäftsführerin des Zentralverbands der Immobilienwirtschaft Deutschlands und bietet der Linken-Politikerin immer wieder ordentlich Paroli. Statt „Spekulanten, Spekulanten, Spekulanten“ spricht die ehemalige CDU-Politikerin von „Bauen, Bauen, Bauen“.

Getrennt werden die beiden Frauen vom SüZ-Journalisten Gerhard Matzig. Der erklärt zwar – Überraschung – dass er den Grünen nahestehe, lehnt jedoch die Bevormundungsimpulse der Partei ab. Aber er findet schon „dass man das Einfamilienhaus unter ökologischen Gesichtspunkten auch problematisieren kann“. Er wohnt selbst auch in einem schicken, innovativen Einfamilienhaus in einer der zum Wohnen teuersten Städte der Republik. Kein Scherz: Allein die Frau vom bösen, kapitalistischen Haifisch-Immobilienverband wohnt auf Etage. Da kann man die Debatte gleich viel ernster nehmen.

Neben Matzig sitzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. Der Berliner Parteichef erklärt, er sei „dagegen, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu wohnen haben“. Doch seine Vorschläge, Wohnungen stattdessen lieber auf dem Dach eines Supermarktes zu bauen, dürften eher wenige überzeugen.

Die Grünen selbst werden in der Runde durch die Bonner Oberbürgermeisterin vertreten. Katja Dörner bemüht sich nach Kräften, als moderate Realo-Stimme aufzutreten. Sie erkennt tatsächlich auch an, dass die Mieten nicht nur wegen des bösen Kapitalismus, sondern tatsächlich auch und vor allem durch staatliche Gebühren ansteigen. Somit muss Mohamed Ali alleine gegen das Großkapital ankämpfen – ein richtiger Thrilla in Manila wurde es aber leider auch nicht wirklich.

Dann ist man dem Kern auf einmal ganz nah und doch so fern

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In Berlin ist bekanntlich alles ganz anders. Die Rot-Rot-Grüne Fortschrittsmetropole steht über weite Teile der Sendung im Zentrum der Diskussion – dank Mietendeckel und Enteignungsphantasien ist sie ja auch sowas wie ein laufender Laborversuch für die Thematik der Sendung. Kai Wegner muss sich hier gegen ständige Unterbrechungen Mohamed Alis durchsetzen: Sätze wie „Wir müssen Schluss machen mit der Mangelverwaltung“ lösen bei einem Marxisten ja auch sofort die antikapitalistischen Abwehrreflexe aus. Auch Aygül Özkan versalzt der Linken-Politikerin mit Fakten und Zahlen zur Mietentwicklung in Berlin gehörig die ohnehin dünne Suppe. Mohamed Ali stellt daraufhin lieber die „grundsätzliche Frage: Wem gehört die Stadt?“, die ihr Kai Wegner auch schnurstracks beantwortet: Den Berlinern, die sich, so der CDU-Politiker, laut Umfragen zu 70% gegen die Enteignungspläne aussprechen, die auch die Linkspartei unterstützt.

Doch der wahren Antwort auf die Frage, warum wir Wohnungsnot in Städten haben, wird keiner auf den Grund gehen – jeder erfindet sich seine eigene Erklärung. Özkan sagt, die deutsche Regulierungswut habe schuld. Mohamed Ali beschuldigt, natürlich, Kapitalismus und Spekulanten. Als zum Schluss der Sendung ein Wohnkomplex voller leerstehender Wohnungen im Frankfurter Europaviertel gezeigt wird, kommt man der Wurzel des Übels plötzlich gefährlich nahe – nur wenige Straßen weiter residiert nämlich die Europäische Zentralbank. Über den massiven Einfluss ihrer verheerenden Inflationspolitik auf den Wohnungsmarkt verliert aber niemand ein Wort. Am Ende verlangt sonst noch einer von Politikern, das Problem auch an der identifizierten Wurzel zu packen. So verbleibt die Debatte bei Symptombekämpfung mittels Placebos – dafür trommeln die Schamanen aber tanzend im Takt ums Lagerfeuer.

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