Heute entscheidet das englische Parlament über Teresa Mays Brexit-Deal, ganz unabhängig davon, was gestern die Runde bei Frank Plasberg dazu zu sagen hatte. So konnten die Briten auch nicht sehen, was alles auf sie zukommt nach dem 29. März, wenn es dann „Farewell EU“ heißt. 10.000 LKWS werden sich stauen von der Küste bis nach London, es gibt zu wenig Kühlschränke, die Lebensmittel werden knapp wie auch Medikamente, und die Diabetikerin Teresa May wird kein Insulin mehr aus Dänemark bekommen. Schon jetzt ist das Pfund abgestürzt, das Bruttosozialprodukt gesunken, und nur, weil die Engländer schon vor 500 Jahren die römische Kirche aus dem Land warfen, wird wenigstens der Herrgott sich nicht abhalten lassen, die Königin weiter zu schützen.
Well, sagt da der Brexiteer, wir haben Hitlers Europa gestoppt und Napoleons besiegt, da werden wir das auch schon wuppen. Das ist die Lage. Vielleicht, denn jede Seite hat ihre Zahlen und ihre Interpretationen, und in die Zukunft schauen können sie beide nicht.
Frank Plasbergs Runde war dennoch interessant, denn überraschenderweise saß mit Beatrix von Storch eine AfDlerin in der Runde – ein Schritt zur innerdeutschen Normalität nach dem Bremer Anschlag? – und wir lernten Manfred Weber besser kennen, den wir an anderer Stelle gerne als Manfred Who? bezeichneten, denn obwohl er vielleicht der Nachfolger vom EU-König der Doppelherzen Schonklod Juncker wird, kennt ihn hierzulande kaum jemand.
Bevor wir Storch und Weber genauer beleuchten, wollen wir schnell die anderen Gäste abhaken. Da war zunächst Julie Kurz vom ARD-Büro London, die uns erfreulicherweise mit Haltungsjournalismus verschonte. Nein, die Zahl der Remainer sei nicht größer geworden, im Gegenteil, die Lager hätten sich unverändert in Gräben verschanzt. Die Briten seien eher irritiert, dass in den zwei Jahren nach dem Brexit-Referendum so wenig (sprich nix) passiert sei. Und wir erfuhren überrascht, dass das Votum nicht „wegen der Populistenlügen“ zustande gekommen sei, sondern wegen eines grundsätzlichen Misstrauens gegen die EU, und außerdem sehe man in England die EU „nicht als das große Friedensprojekt“, als das es uns als Dauerwerbesendung verkauft wird. Für die Wirtschaft sollte Carl Martin Welcker, Präsident des Maschinenbauverbands, sprechen. Der spottete ein wenig über die englischen Stau-Übungen mit 90 LKW, bedauerte den Weggang, war aber eigentlich ganz gelassen, was den Maschinenbau angeht. Aber Welcker brachte als erster Feuer in die Debatte, als er seinem Ärger darüber Luft machte, dass die Parlamentarier, „immer wenn es schwierig wird, das Volk entscheiden lassen“. Dafür hätten wir sie doch, die Parlamentarier, damit sie „im Sinne des Volkes“ entscheiden „auch wenn sie dann mal nicht wiedergewählt werden“.
Wegen Leuten wie Anthony Glees werden wir die Engländer vermissen. Der Historiker und Politologe ist „Verbleiber, war Verbleiber und wird Verbleiber bleiben“, aber man muss die Wahl respektieren.“ (Huch, das Publikum klatscht!) Die Briten seien heute zweimal so reich wie vor dem EU-Beitritt, aber er meinte bestimmt nicht alle Briten.
Ja, der Brexit wird wohl ein harter sein, vielleicht fällt die Regierung May auseinander, und wenn die Osteuropäer gehen, „haben wir keine Ärzte und keine Krankenschwestern mehr“, und die Post kommt auch nicht, aber das kann einen Englishman nicht erschüttern. Vielleicht kommt’s ja auch anders? „Nach Dünkirchen haben wir‘s auch geschafft.“
Plasberg fragte sie dann, ob Storch Mitleid habe mit May, die als Remainer nun den Brexit organisieren müsse, und Storch retournierte, das sei halt der Volksauftrag. Hilfe! Sie hat „Volk“ gesagt! Wir schwören, Storch bekam genauso viel Applaus wie die anderen, nur Manfred Weber bekam mehr. Das muss allerdings an der perfekten Vorfeldorganisation der CSU gelegen haben, die aus bitteren Erfahrungen gelernt hat.
Ach, der Herr Weber! Der hatte eine „Grußbotschaft an unsere britischen Freunde“, obwohl die gar nicht zusahen: Nehmt den Vertrag an! Es sei doch „Tausend mal besser Europa zu erneuern als zu verlassen“. Wenn die EU das einmal früher überlegt hätte, hat sie aber nicht. Dann kam das Dauer-Argument von den Feinden vor der Tür (China, der Bellizist Putin, Trump …) was durch die Wiederholung aus christsozialem Mund aber auch nicht wahrer wird. Und seiner Aussage „Wenn ich rausgehe, kann ich nicht wieder rein durch Hintertür“ fehlt jeder Nachweis, ganz im Gegenteil zu Herbert Wehners „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen“.
Beatrix nutzte dann die Chance, darauf hinzuweisen, dass Merkel eine Mitschuld trage, dass die Briten ausgestiegen seien, ebenso wie auch Weber, die David Cameron seinerzeit nicht geholfen hätten. „Und dann die katastrophale Migrationspolitik.“ Unglaublich aber wahr: Das Publikum klatschte zu Britanniens Weggang und Merkels Beitrag, und der nette Mister Glees sagte „Da hat Frau Storch Recht. Sonst gäbe es keinen Brexit.“ Ja, ja, stöhnte Herr Weber, es komme nur Migration, wenn Frau Storch spricht.
Plasberg aber lässt Weber wegen der tektonischen Machtverschiebung nicht vom Haken, der sich dann doch bequemte: „Das Wichtigste wird im „Euro“- (€)Raum verhandelt, da gehörten die Engländer bisher auch nicht dazu“, mogelte er sich heraus, und Maschinenbau Welcker half mit dem Argument, die Osteuropäer seien haushalterisch auch ganz vernünftig.
Dann Film: AfD Programmpunkt Dexit. Zurück zu DM, EU-Parlament abschaffen. Eine Erörterung würde den Rahmen sprengen, Storch bog geschickt Richtung „Gründerväter“ ab, die die EU als Wirtschafts- und Interessengemeinschaft geplant hätten. Sie hätte auch sagen können, dass das EU-Parlament demokratisch auf wackeligen Füßen steht und nichts zu entschieden hat, aber ihr Problem.
Da werden wir also in drei Monaten wissen, ob und wie Britannien austritt, ob sich dann die Revanchisten durchsetzen oder die Klugen. Das einfache Volk nimmt‘s hierzulande gelassen, und wir wollen mit dem natürlich in keinster Weise repräsentativen Statement einer rheinischen Frohnatur, von der Außenkamera befragt, enden, die den Briten eher emotionslos hinterherwinkte aber unmissverständlich klarmachte: „Auf Mallorca brauchen wir die auch nicht …“