Braun gebrannt, frisch erholt, und fast schon ein wenig übermütig startete Diplom-Journalistin Anne Will in die neue Saison. Die Redaktion hatte ihr das Thema „Streit um Soli-Abschaffung – für wen zahlt sich das aus?“ in den Plan geschrieben, was ihr wohl selber ein wenig hirnrissig vorkam, denn sie wandelte das verbal in das Meta-Thema „Glaubwürdigkeit“ um. Abgesehen davon verspricht die Regierung den Soli nur teilweise und erst in zwei Jahren abzuschaffen, und bis dahin ist das sowieso wieder vergessen.
Nun also Glaubwürdigkeit, und wer passt da besser als Olaf Scholz? Hatte der nicht vor Wochen gesagt, Parteivorsitzender käme für ihn nicht in Frage, weil er ja schon Finanzminister sei, und beides zusammen schafft keiner? So wurde Scholz zu Beginn seine Aussage aus der letzten Anne-Will-Show vorgespielt, das seien doch „Politikdarsteller, die sagen, man macht das und das, in Wahrheit macht man gar nichts“.
Aber an Olaf Scholz prallt alles ab, wie am Bankberater Ihres Vertrauens, der Ihnen vorgestern die Lehmann-Papiere andrehte und heute treuherzig empfiehlt: Kaufen Sie Deutsche Bank-Aktien. Ja, sagte der Scholz Olaf, er hat sich seinen Verzicht damals „sehr gut überlegt“, und jetzt eben wieder „anders überlegt“. Weil, und jetzt kommt’s: „Wie über die SPD diskutiert wird, das kann ich nicht ertragen.“ Und außerdem mache er den Job ja dann nicht alleine, sondern mit einer Frau namens Klara Geywitz. Obwohl diese „mehr als ein dekoratives Salatblatt“ für den SPD-Chefkandidaten Scholz sei, wie die FAZ schrieb, durfte sie heute nicht mit dabei sein. So geht es schon mal los mit der Glaubwürdigkeit.
Als Anne Will dann hintenherum die Journalistin Elisabeth Niejahr (Wirtschaftswoche) fragte, ob für sie die Frage der Telefonkonferenz von Scholz mit Manu & Malu (und Thorsten) „wichtig“ sei, an die sich weder Manu, Malu noch Thorsten erinnern konnten, übernahm Christian Lindner forsch die Gesprächsleitung. Frau Will, belehrte er sie, es geht immer nur um AKK und Scholz in den Medien. Er wolle jetzt mal zu den Inhalten kommen. „Aber es geht doch um Vertrauen“, versuchte die den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, doch Lindner wollte endlich wissen, wo Scholz denn hinwolle mit seiner SPD. Soll die noch linker als die Linke, noch grüner als die Grünen werden?
„Da muss ich Olaf Scholz in Schutz nehmen“, behauptete Katja Kipping von den Kommunisten, was sie aber nicht tat. Vertrauen hin, Glaubwürdigkeit her, die Partei hat schließlich immer recht, bei der SPD wie bei der SED/PDS/Linke, so Kippings These, und verpackt unter allerlei sozialromantischem Schnörkel machte sie klar, worum es den Linken in dieser Republik ausschließlich geht: „Mehrheiten für Umverteilung“.
Niejahr las dann vom Blatt, dass der Staat mehr als 700 Milliarden einnehme, 50% mehr als vor 6 Jahren, und nach der Sommerpause fiele der SPD als erstes ein, eine Vermögenssteuer draufzusatteln.
Da setzte Olaf wieder seinen Bankberater nach-Lehmann-Blick auf und bemerkte, ihm sei es viel lieber, gleich höhere Einkommenssteuern zu verlangen als das Gehacke um den Soli, aber die Union wollte ja nicht. Mehrheiten für Umverteilung – mit Olaf wäre das zu machen.
Da hilft auch kein Lindner mit seinen Argumenten (50% der Steuerzahler zahlen 90% der Steuern) und Sottisen (Der Staat kann mit dem Geld doch gar nicht umgehen, siehe Flughafen BER und der allgegenwärtige Investitionsstau). Immerhin hat es Seltenheitswert, wenn Anne Will und Christian Lindner Scholz Stimmungsmache statt Argumente vorwerfen.
Dann noch ein bisschen Bildung, ein bisschen Digitales, ein bisschen Donald Trump (dem könne man nämlich nicht vertrauen, sagte Scholz), aber am Ende wissen wir, es geht nur um das eine: unser Geld.
So wollen wir zum Vertrauen in die Politik zurückkommen und feststellen: Nachdem „die Gerechtigkeit“ durch übermäßigen wie unsachlichen Gebrauch von Martin Schulz zum Hohlwort verkommen ist, macht Olaf Scholz nun der „Glaubwürdigkeit“ den Garaus.
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