„Trump mit Corona infiziert – welche Konsequenzen hat das für die USA?“ lautete die Frage bei Anne Will, und die Diplomjournalistin glaubte wohl, dass niemand sie besser beantworten kann als ausgerechnet unser Hans Dampf in allen Talkshow-Gassen, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, und Cem Özdemir mit dem stets zwischen angestrengt, staatstragend und betroffen changierenden Gesichtsausdruck.
Heiko Maas, der wenigstens von Amts wegen einen Informationsvorsprung haben könnte, saß derweil im gleichzeitig gestreamten Bild-Talk „Die richtigen Fragen“ und Altmaier konnte denn auch erwartungsgemäß zum Thema nur „gute Besserung“ beisteuern, nur bei Cem Özdemir durfte es wie immer gerne etwas mehr sein.
„Häme und Schadenfreude gehören sich nicht“, so der Grüne, und damit setzt er sich im ersten Satz noch von seinem Polit-Biotop ab. Dort twitterte Spiegel-Autorin Margarete Stokowski deutlicher: „Darf man sich freuen wenn Trump Corona hat – äh nein man muss.“ Der Tweet ist nicht mehr verfügbar. Zensur? Einsicht können wir jedenfalls nicht voraussetzen. Dunja Hayali könnte sich sogar vorstellen, dass die Corona-Erkrankung Fake News sind, und auch Zeit online spekulierte, dass Trump die Infektion vortäuscht, um dem Wahlkampf eine Wendung zu geben.
Und so ist auch Cem Özdemir dann sehr schnell wieder auf Linie. Der „Superspreader Event“ (Vorstellung von Trumps Supreme Court Kandidatin) „war kriminell“. Auch deshalb hat „dieser Präsident die Wut der Menschen verdient, allerdings am Wahlabend“. Cem und Peter waren also Fisch und Fleisch der Sendung, als Sättigungsbeilage fungierten zwei Expertinnen der Extraklasse.
Ein beliebtes Paradigma der Linken ist ja Donald Trump hinter Sandsäcken im Weißen Haus verschanzt, weil er die Wahl-Niederlage nicht akzeptieren will. Beweis: Trump spricht schon im Vorfeld von Wahlfälschungen, vor allem im Zusammenhang mit der Briefwahl. Das ist für deutsche Zuschauer nicht verständlich, weil das Briefwahlsystem ein anderes ist, und es außerdem bei uns keinen Wahlbetrug gibt (außer in Einzelfällen). Der zugeschaltete Roger Johnson von Republicans Overseas berichtet dennoch von regem Handel Schnaps und Zigaretten gegen Wahlzettel, aber Frau Tausendfreund beschwichtigt: Einzelfälle.
Die Historikerin Waldschmidt-Nelson ist sich tausendprozentig sicher, dass Trump bleibt, wenn er verliert, er würde niemals die „concession speech“ halten, mit der Verlierer ihre Niederlage offiziell anerkennen. Schon jetzt peitsche er die „Bad Boys“ auf und es stünden „50.000 Ex-Polizisten in Uniformen bereit, um suspekte Wähler von der Wahl abzuhalten“.
„Das habe ich online gelesen“, sagt die Hystorikerin der Uni Augsburg.
„Können Sie uns helfen, Stefan“, fragte Will sodann den die ganze Zeit zugeschalteten Leiter des ARD-Büros in Washington D.C., Stefan Niemann. Das konnte er natürlich nicht. Auch sonst konnte er nicht viel helfen, denn er saß nicht etwa in Washington, sondern befand sich in Florida, wo es um diese Jahreszeit sehr viel angenehmer ist, auf Reportage.
Damit sind wir nun auch am Tiefpunkt der Sendung angelangt. Hier passt der staatstragende Cem Özdemir noch schön ins Bild, der den Amerikanern dringend die deutsche Krankenversicherung empfahl, die ja der Otto von Bismarck bei uns eingeführt hatte, und ohne die wären wir heute nicht, wer wir sind. Das wäre auch die ultimative Lösung für alle Probleme der USA. Wer sagt Herrn Özdemir: trotz Bismarck kam Hitler?
Die Sendung beendete die Anne-Will-Redaktion mit einem kleinen Einspielfilm der den bitteren Vorwurf enthielt, dass Donald Trump tatsächlich alle Wahlversprechen eingehalten habe, die er vor seiner Wahl zum Präsidenten dem Wahlvolk gegeben habe.
„Das (was Trump da gemacht habe) entspricht nicht meiner Vorstellung von Politik“, sagte Peter Altmaier.
Die Frage, was die schlimmere Strafe ist – 90 Minuten Tatort, der die Zuseher wieder einmal „in die schwarzen Ecken deutscher Geschichte“ führte, oder das Grauen der Gegenwart bei Anne Will – können wir wieder nicht beantworten. Weil uns der Vergleich fehlt. Beides anzusehen würden wir beim besten Willen nicht schaffen.
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