Der wichtigste Gast bei Anne Will zur derzeitigen Situation fehlte gestern Abend. Gern hätte man Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel die Frage gestellt, wie sie heute zu einer ganzen Reihe von Entscheidungen während ihrer 16-jährigen Regentschaft steht, denen wir heute einen jämmerlichen Zustand der Schwäche verdanken.
Angela Merkel war die härteste Gegnerin einer von den USA geforderten Aufnahme der Ukraine in die Nato im Jahr 2008. Man dürfe Putin nicht verärgern und müsse auf seine Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, so damals ihr Argument. Jetzt hat der gleiche Putin ohne jeden nachvollziehbaren Grund – es sei denn, man hält einen Angriffskrieg zur Unterwerfung eines anderen souveränen Staates für gerechtfertigt – das nicht Nato-Mitglied Ukraine angegriffen und ist dabei, eine Katastrophe unter der Zivilbevölkerung des Landes anzurichten. Militärische Unterstützung wird der im Stich gelassenen Ukraine mit der Begründung, das Land sei ja kein Nato-Mitglied, verweigert. Eine perversere Logik gibt es nicht.
Auskunft gebührt der Öffentlichkeit auch darüber, warum die Regierungen sehenden Auges die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr verlottern ließen. Ebenso interessant wäre Merkels heutige Bewertung ihres völlig überstürzten und nicht zu Ende gedachten Ausstieges aus der Kernenergie 2011. Hier wurde der Grundstein zur heute so laut beklagten einseitigen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gelegt. Die notwendigen Voraussetzungen zur versprochenen Energiewende wurden zur gleichen Zeit sträflich vernachlässigt. Wo ist auch hier die Debatte darüber?
Vor diesem Hintergrund bekamen auch bei Anne Will wieder die verzweifelten Hilferufe des ukrainischen Vertreters in Berlin und die wortreichen Erläuterungen von FDP-Außenpolitiker Alexander Lambsdorff und des ehemaligen Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans dem makabren Geständnis der eigenen Schwäche zu.
Gnadenlos dokumentierte die Runde das ganze Desaster, in dem sich Europa und ganz besonders das alleingelassene ukrainische Volk befinden. Vielleicht gelingt es Anne Will, die mit ihr doch so eng befreundete Ex-Kanzlerin Merkel im Studio ausnahmsweise mal kritisch zu befragen. Das dürfte, gerade weil Merkel nicht mehr im Amt ist, ein spannender Abend werden.