Tichys Einblick
"Krisengipfel im Vatikan"

Bei Anne Will: Staatsanwalt Prantl hatte das Wort

Historiker wissen: Immer, wenn die Kirchen nicht parierten, kamen Missbrauchsgeschichten auf den Tisch. Warum aber das Thema bei Will? Die Kirchen parieren doch ...

Screenprint: ARD/Anne Will

Höret zuerst die Worte von Rainer Maria Woelki, dessen Name selbst bei Google gepriesen wird, seit er ein Flüchtlingsboot als Götzenbild in seinem Dom aufstellen ließ: „Der Leib Christi ist krank“, wehklagte der fromme Mann, „und wir alle tragen Verantwortung“. Von „Gesprächen und Zuhören“ predigt er weiter, und dass „das dauern wird“, aber am Ende schaffen wir das.

Diesmal tragen „wir“ also Verantwortung für die unzähligen Missbrauchsfälle in der Kirche, denn darum ging es bei Woelkis Vlog auf domradio.de, wobei wir gleich einschränkend hinzufügen wollen, Verantwortung trägt nur, wer Kirchensteuer zahlt, „wir“ also schon mal nicht.

Ein Bauernopfer reicht nicht
Papst Franziskus zum Anti-Missbrauchsgipfel: Kritiker der Kirche sind „Freunde des Teufels“
Ob Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Magenbeschwerden oder Umweltkatastrophen, die tröstenden Worte Woelkis und der seinen passen immer, und das ist genau das Problem. Sie sind nichtssagend. Bei Anne Will übernahm Bischof Stephan Ackermann die Woelki-Rolle, und als geübter Theaterkritiker würden wir anerkennend sagen, diesen betroffenen Gesichtsausdruck, der übergangslos mal ins verständnisvolle mal ins mitleidige changierte, macht ihm nicht mal Claus Kleber nach. Chapeau! Ja, man müsse „auf den Prüfstand stellen“, und auch „bekennen“, und „ich gebe Ihnen ja recht, beim Krisengipfel fehlte „eine To do Liste“. Framing-Hilfe braucht die katholische Kirche jedenfalls nicht, der Fels steht, da kann die Brandung noch lange vergeblich branden. Am besten gefiel uns seine Antwort auf die Frage, warum die Kirche nicht schneller die Missbrauchsfälle aufgearbeitet habe: „Warum nicht schneller? Was ist schnell? Da gibt es einen schmerzlichen Dissens.“ Mit 2.000 Jahre Geschichte auf dem Puckel lässt sich doch viel entspannter über die Zeitläufe plaudern.
Ein altes Thema bei Will, uralt

Wir sitzen also vor Anne Will, die uns das Thema „Krisengipfel im Vatikan – wie entschlossen kämpft die Kirche gegen Missbrauch?“ näher bringen will, eben weil es einen solchen Gipfel im Vatikan gegeben hat, dabei ist das Thema älter als Anne Will und wird von den Gegnern der katholischen Kirche eigentlich immer nur dann auf den Tisch gebracht, wenn die Kirche ihre Gläubigen auf Distanz zur Obrigkeit halten will.

Wir werden den Verdacht nicht los, dass dem Vatikan das Thema Missbrauch an Schutzbefohlenen durch sein Personal besonders auf den Nägeln brennt, seit in den USA gewaltige Schadensersatzzahlungen anfielen, und beim Geld hört der klerikale Spaß erfahrungsgemäß auf. Dazu der trendsüchtige Franziskus aus Argentinien und schon gibt es eine Konferenz, bei der einige hundert alte, sehr alte, meist weiße, Männer in grünen Kleidern eine Lösung suchen sollten.

Anne Will hatte zwei Opfer eingeladen, Herrn Katsch von der Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ und die Sozialpädagogin Frau Wich. Frau Wich findet es fein, dass die Kirche überhaupt mal in die dunklen Ecken schaut, aber Herr Katsch meinte, der Papst sei „zu kurz gesprungen“.

Der Chefankläger war allerdings eh ein anderer, nämlich der Ex-Staatsanwalt und jetzige Süddeutsche Beobachter, Heribert Prantl. Ganz Robespierre deklamierte er zur Freude des anwesenden Saalpublikums: „Ja, wo sind wir denn?“ Er habe „Taten der radikalen Umkehr“ erwartet, aber so sei keine Absolution zu bekommen. „Strafvereitlung“ sei das, das kanonische Recht müsse verschärft werden, nach Missbrauch dürfe einer kein Priester mehr sein!

Dazu muss man wissen, dass es langgeübte Praxis der Kirchenmänner war, einen sündigen Hirten, der erwischt wurde, einfach auf andere Schafe loszulassen, vulgo zu versetzen. Bei anstehenden Strafverfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft interveniert (übrigens auch beim damaligen Staatsanwalt Prantl – wie der dann entschied, ließ er uns leider nicht wissen).

Sie merken schon, verehrte „Lesende“ (toll, wie wir hier alle Geschlechter inkludieren, oder?), grundsätzlich handelt es sich um Staatsversagen, wenn solche Vertuschungs-Praktiken überhaupt möglich sind, deshalb war vielleicht auch Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, geladen. Rörig kämpft „seit 7 Jahren für Kinderschutz in Deutschland“, mehr war aus ihm in einer Will-Stunde einfach nicht herauszubekommen.

Die Stimme des Herrn braust, aber es ist nur: Prantl

Während die beiden Opfer recht gnädig mit der Mutter Kirche ins Gericht gingen, brauste der Katholenzögling Prantl, der nicht nur öfter nach Altötting wallfahrte als in Bayern vorgeschrieben, sondern sogar Journalistenstipendiat der katholischen Kirche war, wie ein Sturmwind über den Bischof herab. Ihm sei „der Griffel aus der Hand gefallen“, als der Papst gesagt habe, „auch anderswo gibt es Missbrauch“. Uns fiel der Griffel auch aus der Hand, weil Prantl offensichtlich nicht merkte, dass das gleiche idiotische Argument von Grünen nach den Migrantenattacken auf Frauen am Kölner Dom aufgekommen war. Und dann meinte Prantl völlig schmerzfrei, „keiner habe einen moralischen Überlegenheitsanspruch wie die Kirche“. Da merkt man wieder: Die größten Kritiker der Elche, sind eigentlich selber welche.

Und mit dem Furor eines abgefallenen Priesters in der französischen Revolution wollte er nun gleich alle Mauern einreißen: „Das Fundament wackelt!“, rief er aus, der Zölibat muss weg, ein Aufstand der Frauen her. Revolution, Revolution! Wir brauchen Parität. Und am besten eine Päpstin. Da wurde dem Ackermann ganz schlecht. Vielleicht hilft ja ein Artikel aus der Süddeutschen vom November 2018: Auch „die evangelische Kirche kommt nur schleppend mit der Aufarbeitung ihrer Missbrauchsfälle voran“ als Trost?

Hinweis der Redaktion: „Lesende“ wurde nur im Zuge des ironischen Charakters zugelassen. Kein Einzug des Genderismus, im Namen des Herrn. 

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