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Erholt und ostergebräunt nahm Anne Will diesmal Außenministerin Annalena Baerbock in die Zange. Natürlich, was auch sonst, war ihr Thema das verwirrende Verhalten Deutschlands in der Ukraine-Krise. Da verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz noch zu Beginn der vergangenen Woche im Hamburger Wochenmagazin “Spiegel”: Deutschland werde keine schweren Waffen, wie Panzer, der Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasoren zur Verfügung stellen. Gleichzeitig malte er in diesem Zusammenhang die Gefahr russischer Atomschläge, ja sogar die Möglichkeit eines dritten Weltkrieges an die Wand. Nicht mal zwei Tage später hieß es plötzlich: “Kommando zurück!” Die Parteigenossin des Kanzlers und derzeitige Bundesministerin der Verteidigung, Lambrecht, erklärte in einer Nato-Runde in Ramstein das Gegenteil: Zustimmung bei den Partnern, Erstaunen und Verwirrung in der deutschen Öffentlichkeit. Wie passt das denn zusammen? Erklärt wurde es nicht; vielmehr brachte die hilflos rudernde SPD-Parteichefin Saskia Esken noch mehr Verwirrung statt Transparenz. Ist in einer so wichtigen Frage die Linie des Kanzlers von seiner Tagesform abhängig?
Die ganze Ukraine muss es sein
Doch nicht nur dies spießte die Moderatorin auf, viel mehr hatte Frau Will im Urlaub, nach der Schockstarre wegen der “Zeitenwende-Rede” des SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz am 27. Februar vor dem deutschen Bundestag, ihre Rolle im linken Talkshow-Reigen von ARD und ZDF wiedergefunden. Bohrend und vorwurfsvoll nahm sie sich zuerst die zugeschaltete grüne Außenministerin Annalena Baerbock vor. Wobei sie noch gnädig über die Versprecher hinwegsah, die Baerbock für ihr Amt so gefährlich machen: Da wird Deutschland kurz zum „größten Land Europas“ erklärt. So etwas darf eigentlich einer Außenministerin nicht passieren; die Präzision der Sprache und des Denkens sind nicht mehr ihre Privatsache, sondern können über Krieg und Frieden entscheiden.
Ob Baerbock denn auch der Meinung der amerikanischen Regierung sei, Russland müsse am Ende des Krieges nicht nur alle seine Truppen aus der Ukraine abgezogen haben, sondern müsse auch so geschwächt sein, dass es zu weiteren Überfällen auf andere souveräne Staaten nicht mehr in der Lage sei: Auf diese Zuspitzung legte Will größten Wert. Allein diese Fragestellung legt nahe, dass die Kenntnisse der Moderatorin über das Völkerrecht nur rudimentär sein können, und sie darüber hinaus auch das Recht auf Verteidigung überfallener Staaten nicht für so ernst nimmt – so, wie die am Wochenende laut gewordene pazifistische Strömung von der Ukraine die Hingabe zumindest großer Teile von Souveränität und Territorialität fordert, um dafür auf die Nachsicht und Gnade Putins hoffen zu dürfen.
Will bekam nach langem Herumeiern von Baerbock die Bestätigung für diese Sichtweise der Wiederherstellung der Ukraine. Man spürte, wie sich Baerbock vor dieser Aussage wand. Denn damit ist klar: Es wird keinen „Deal“ geben, der etwa die Regionen im Osten der Ukraine an Russland für ein bisschen Frieden ausliefert. Es muss die ganze Ukraine sein; offen blieb, ob sich dies auch auf die Krim und die seltsamen russischen Randstücke im Donbas bezieht. Ansonsten besteht kein Spielraum. Baerbock zögert diese Aussage hinaus und erst auf zähes, unbeeindrucktes Nachfassen von Will übernahm sie letztlich die amerikanische Position als Ausdruck des Willens aller im Bündnis. Es gibt also auch keinen deutschen Sonderweg. Hier wurde deutlich, wie froh Scholz über die Grünen als Regierungspartner sein kann, die seinen nach Ramstein deutlichen Kurs der Nähe oder sogar nahtlosen Übereinstimmung mit den USA unterstützen. Sie sind es, die im Verbund mit der FDP den Kanzler wie eine Wand vor seiner eigenen Fraktion unter Führung des Altlinken Mützenich schützen. Das es bei diesem, zum Teil heimtückischen Spiel immer wieder zu Kommunikationspannen kommt, ist zwangsläufig. Dieses Spiel in der Ampel-Koalition allerdings schwächt den Kanzler, weil es eine klare Linie verhindert. So wird Scholz zum Getriebenen oder er wird als Wankelmütig wahrgenommen.
Wer darf, soll, muss nach Kiew reisen?
Ansonsten zeigten sich die übrigen Gäste Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und der CDU- Verteidigungsexperte Wadephul weitgehend einig mit der von Baerbock vorgegebenen Linie. Bei Anne Will demonstrieren Regierung und loyale Opposition Einigkeit gegen Putins Krieg; die Oppositionsparteien AfD und LINKE mit ihrer weitgehend pro-russischen Sichtweise sollten diese Harmonie ebenso wenig stören wie die am Wochenende aufschäumende „Keine-Waffen-für-die-Ukraine“-Bewegung. Sie kam nur als unbestimmter akustischer Protest anläßlich der Düsseldorfer Wahlkampfrede von Scholz vor. Nachdem die staatsbestimmende Einigkeit zwischen Will und ihren Gästen im Grundsätzlichem geklärt waren, plätscherte die Sendung im Hickhack über unpassende oder passende Kiew-Ausflüge einzelner Politiker und dem Umgang mit den Ängsten der Deutschen vor sich hin. Merkwürdig nur, dass niemandem die Unlogik der von Will präsentierten Meinungsumfrage auffiel. So erklärte sie gleich zu Beginn, dass nur 27 Prozent der Deutschen die Kommunikation des Bundeskanzlers gut fänden, über 60 Prozent seine besonnene Art in der Ukrainekrise aber lobten. Dabei bezog sie sich offensichtlich auf Daten, die vor dem Ramsteiner “JA” Deutschlands zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine erhoben worden waren. Im Gegensatz dazu präsentierte die Journalistin Will kurze Zeit später Zahlen des ARD-Deutschlandtrends, nach denen 45 Prozent der Befragten für eine stärkere Unterstützung der Ukraine mit Waffen seien und 45 Prozent dagegen. Leider hat die Moderatorin nicht verraten, was sie mit diesem nicht erklärten Zahlensalat bezweckte. Bröckelt die Unterstützung schon? Sind die ukrainischen Nationalfarben in vielen Fenstern „just for Show“? Schön wäre es auch noch gewesen, wenn einmal die Frage nach den Konsequenzen eines deutschen Sonderweges im westlichen Bündnis gestellt worden wäre. Unzweifelhaft wäre man dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass es auch bei einem Ausscheren der Deutschen bei der Unterstützung – insbesondere der USA – für die Ukraine bliebe. Nur für Deutschland würde es ziemlich einsam, sieht man mal vom Lob Putins ab. Auch wenn Deutschland in Baerbocks eigenwilliger Geographie als „das größte Land Europas“ wahrgenommen wird reichte das dann doch wohl nicht für eine friedvolle Zukunft.
Hinweis in eigener Sache: Wegen Fehler in der Sachdarstellung wurde der ursprüngliche Text von der Redaktion aktualisiert. Der Autor bat darum nicht mehr als Autor genannt zu werden.