Tichys Einblick
Sahra gibt nichts preis, Thomas alles

Bei Anne Will ging die Regie nicht auf

Sollte die Quote einen kleinen Tick nach oben gegangen sein, dann wohl deshalb, weil der Zuschauer den Titel der Sendung „Zwischen Höchstleistung und Überlastung - wann macht Arbeit krank?“ schlicht so übersetzt haben dürfte: Was ist mit Sahra Wagenknecht wirklich los? Warum zieht sie sich bei der Linken zurück?

Screenprint: ARD/Anne Will

Leider haben wir im deutschen Gemeinwohlfernsehen keine Oprah Winfrey, die deshalb so viel verdient wie alle deutschen TV-Prominenten zusammen (und noch mehr), weil sie einfach jede Auster knacken kann. Diplomjournalistin Will scheitert schon an der angeschlagenen Sahra.

Mancher dürfte sich geärgert haben, wegen solcher Sahra-Banalitäten – „Dauerstress nicht mehr ausgehalten“, wenn man „ausgebrannt“ ist, „innere Leere“ – eingeschaltet zu haben. „Toll, dass Sie hier sitzen“, weckte Will die Erwartungen, aber wir erfuhren lediglich „Nichts ging mehr“, und Sahra habe sich „krank schreiben lassen“. Einmal fragt die Diplomjournalistin sogar knallhart nach. Was war mit Mobbing? Mobbing? Nö. Doch! Und Will legte ein Zitat vor, das ahnen ließ, welch menschenfeindlicher Saustall die linke Partei mittlerweile ist. „Ach, wissen Sie, ich möchte da nicht nachtreten… Politiker beschäftigen sich größtenteils mit sich selbst …“ Ach komm, Sahra! Niemand möchte mit Katja Kipping und Bernd Riexinger in einem Raum eingesperrt sein!

Die Diplomjournalistin ließ Sahra jedenfalls vom Haken und die machte sich befreit unter Absingen der bekannten Lieder auf in ihre Komfortzone. „Wir Politiker können ja jederzeit aufhören, verdienen viel Geld“, aber die anderen Menschen, die unter Burnout leiden …

Für die saß der aus diversen Talkshows bekannte, sympathische Pfleger Alexander Jorde da, und wir vernahmen, dass er inzwischen vom Team SPD eingekauft wurde. Schade. Schon war die Authentizität verloren. Dass die Pflege ein mies bezahlter Job ist, die Privatisierung in diesem Bereich (von der SPD eingetütet) die Lage nicht besser machte, und auch Spahn bislang nicht viel auf die Reihe bekommen hat – geschenkt.

Für uns stand immer noch der Widerspruch „Höchstleistung“ und Politiker-Burnout im Fokus des Interesses, erst recht, weil wir am selben Tag gelesen hatten, dass Emmanuel Macron, Höchstleistungs-Vorbild aller deutscher Polit-Darsteller zum Ski-Urlaub in die Pyrenäen aufgebrochen war, obwohl seit 18 Wochen seine Hauptstadt brennt. Der war natürlich nicht bei Will, er zog es dann doch vor, seinen Job zu machen. Dafür war Thomas de Maizière ein vollwertiger Ersatz. Der geneigte Leser mit etwas Zeit mag ja mal die Höchstleistungen vom treuen Thomas zusammensuchen, der 13 Jahre lang Minister, mal für Grenzen, mal für deren militärisches Überschreiten zuständig. Zur Ehrenrettung der Misere muss gesagt werden, dass er sich keineswegs überlastet fühlte, er sei „im Gegenteil gut zurecht gekommen.“

Sicher gab es „Belastungen während der Flüchtlingskrise“, „Besuche von Terrorschauplätzen“, „Opferbesuche“. Wir erinnern uns, die „Flüchtlingskrise“ war das große Ruhmesblatt in der Geschichte von Thomas de Maizière.

Herrlich, wie er sich selber zum Obst machte. Während der Ungarnkrise (Grenzöffnung) habe er mit 40 Fieber im Bett gelegen. Während wir dann die Bilder von Menschenzügen großer Anzahl (überwiegend Männer) an den deutschen Grenzen geliefert bekamen, schoss die „Bild“ die Misere auf Mallorca ab – wo er sich zur Hebung der „Resilienz“ aufhielt, wie der anwesende Psycho-Prof. Klaus Lieb die psychische Widerstandskraft beschrieb. „Bild“ habe sich entschuldigt, behauptete Thomas, dem der Zusammenhang – die Karre steckt im Dreck …, der Minister urlaubt auf Malle – bis heute nicht frivol vorkommt, genauso wenig wie Rudolf „Bin Baden“ Scharping, mit dem de Maizière interessanterweise auch die Sprachtonalität teilt.

De Maiziére sollte aber auch nicht als Überarbeitungsgeschädigter bei Will auftreten, sondern als klassisches Mobbing-Opfer. Immerhin wurde er zwei Mal aus dem Job gemobbt. Ja, das war schon schwer, in zwei Tagen ein neues Büro zu beziehen, erinnerte er sich. Schmerzhaft auch, den endgültigen Rausschmiss aus der Zeitung zu erfahren. Zum Trost habe es ein Abendessen mit Merkel gegeben. Verdrängung nannte das der Professor, jedenfalls lief es darauf hinaus. Und das sei gut, besser als, Sie wissen schon …

Warum war Katja Suding von der Hamburger FDP da? Ach ja, es ging ja um die Arbeitsplatzverhältnisse, die krank machen, und die durch den Kapitalismus überhaupt erst so schlimm geworden seien, und die FDP steht ja für den Kapitalismus. Suding dreht das Gespräch flott auf Digitalisierung (Typisch, so Will), und de Maiziére mischte sich ein und sagt, man könne das Glück am Arbeitsplatz nicht durch Gesetze regeln.

Wir bleiben hier an der Oberfläche, weil für uns das Thema nun mal nicht Pflege war, und außerdem über Burn-Out mehr Titelgeschichten geschrieben und Studien durchgeführt wurden als über das Klima.

Jedenfalls, meinte de Maiziére zu Recht, man solle mal die Kirche im Dorf lassen, und wenn es wichtig sei, könne der Chef auch am Feierabend mal kurz durchrufen. Und dann führt er ein Beispiel an, das zweifellos der Satz des Abends war:

„Wenn es bei einem Militärangriff nur einen IT Spezialisten gibt, dann muss man den auch mal anrufen können …“ Ein einziger IT-Spezialist im deutschen Land, wenn der Cyber-Russe kommt? Sagt der (Ex-)Verteidigungsminister? Schade, dass er nicht Gesundheitsminister war, vielleicht hätte er aus Versehen Cannabis freigegeben wie in vielen Staaten der USA – dann kann der Russe kommen, kriegt eh keiner mit.

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