Schön war die Zeit, nicht nur auf dem Rasen. Unvergessen Lothar Matthäus, dem wir unter vielen anderen die folgende Erkenntnis verdanken: „Schiedsrichter kommt für mich nicht in Frage, schon eher etwas, das mit Fußball zu tun hat.“ Legendär Andi Möller: „Madrid oder Mailand? Hauptsache Italien!“ Oder der geschätzte Günter Netzer „Die meisten Spiele, die 1:0 ausgingen, wurden gewonnen.“ Halt! Was hat das mit der Sendung zu tun? Gemach, gemach. Kommt schon. Auch im Politischen (sehen Sie, geht schon los …) wussten Fußballer sich zu verewigen. „Hass gehört nicht ins Stadion“, dozierte einst Berti Vogts, „solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“
Und heute, einige sozialdemokratische Bildungsreformen später, finden wir den Fußballer Arne Friedrich bei Anne Will zum Thema „Putins WM – die Welt zu Gast bei Ex-Freunden“ neben Edmund Stoiber, Norbert „ja, der schon wieder“ Röttgen, Gregor Gysi und Rebecca Harms. Tiefsympathisch wie geschmeidig äußerte Arne Verständnis für die politischen Vertreter Islands und Englands, die nicht nach Russland reisen wollen (Sportkenner sehen für deren Mannschaften eh nur Außenseiterchancen). „Verstehe ich auf jeden Fall“, sagt der Friedrich mit Rauschebart (Wir haben gesucht und gefunden: „Friedrich ist Christ und betete vor jedem Spiel“) mehrmals, wie es sich für einen jungen Mann der Konsensgesellschaft gehört. Aber es sei doch „schön für die Spieler“ zu wissen, dass Herrschaft im Stadion sei. Gerne erinnerte er sich an Merkels legendären Duschraumbesuch, wo „wir gerade noch Zeit hatten, ein Handtuch umzulegen“. Und zum ersten Mal seit Jahren hatte man plötzlich das Gefühl, im aktuellen Sportstudio zu sitzen, so herzlich brauste der Beifall auf.
Gregor Gysi musste geschlagene 27 Minuten warten, bis er zu Wort kam, dann holte er alles nach, was wir allerdings schon aus vielen anderen Sendungen von ihm kennen. Kurz: Alle hin, weil wir unser Verhältnis zu Russland verbessern müssen. Der Fall Skripal als Boykott-Grund: Beschämend ohne Beweise! Die Krim? Völkerrechtswidrig, aber der Kosovo genauso. Doch Gysi wäre nicht Gysi, wenn er nicht auch Klartext mit Schmackes liefern würde, als er verdeutlichte, dass es hier um „Dienstreisen zu Spielereignissen“ gehe, ein Vergnügen, für das der Steuerzahler blecht.
Frank Walter, unser Heimatpräsident, geht nicht hin. Vielleicht ganz gut für die Stimmung, wo Steinmeier schon in seinen Jugendjahren beim TuS 08 Brakelsiek den passenden Spitznamen „Prickel“ verpasst bekam. Außerdem hat er ja schon seine Trikots von Gündogan und Özil. Horst geht jetzt doch. Oder nein? Oder doch? Das bringt uns zu Stoibers Ede, der versuchte die Wankelmütigkeit seines bayerischen Parteifreunds zu erklären. Überhaupt der Ede. In Topform. Der Gauck war nicht in Sotschi, sagte er. Und? Was soll das bringen? Dann gerät er ins Schwärmen: Die Fußball-Weltmeisterschaft sei das Größte überhaupt. Weit über die Olympiade hinaus, fast die Hälfte der Menschheit schaue zu. Lächerlich, das zu boykottieren. Damit jüngere Zuschauer nicht auf falsche Ideen kommen, lässt er sie wissen: „Ich war mit Franz Josef Strauß der härteste kalte Krieger…“ Jetzt aber nicht mehr. Und als er der grünen Rebecca Harms den Satz herüberschickte „Sie tun ja fast so, als wäre Putin Mittelfeldstürmer“, vermischte sich Beifall mit Gelächter.
Rebecca stand meistens im Abseits, während des insgesamt durchwachsenen TV-Spiels. Anne Will wollte noch ein wenig Dramatik reinbringen, als sie den Fall des ARD-Mitarbeiters Seppelt einspielte, der ein Einreiseverbot für Russland erhalten hatte, was aber wieder aufgehoben wurde. „Herr Gysi, ist das hinnehmbar?“, fragte sie vorwurfsvoll. „Wie bitte?“ Ach Gott, soll er doch fahren. Putin sei im Bundestag gewesen, wir hätten alle Handreichungen abgeschmettert. Der Abschuss der MH17 sei „ein Versehen“ (wo er das her hat?), die Nato habe in Jugoslawien einen Zug bombardiert, da gab es keinen Schadensersatz, nichts. Zurück zum Sport: „Jeder nutzt doch eine solche Veranstaltung. Hat auch Merkel.“
Arne schrieb der ARD noch ins Stammbuch: „Im übrigen ist das nicht Putins WM!“ Dann allerdings erlaubte sich der ehemalige Rechtsverteidiger doch noch einen Patzer. Bei der Aktion von Hertha „Take a Knee“ als Anti-Trump-Aktion „hätte die ganze Liga mitmachen sollen“. Hätte sie nicht. Agitation und Propaganda haben im Sport nichts verloren. Da sind wir schon mit für unseren Politikern gestraft genug.
Die FIFA hat „jetzt erst“ (Will) beschlossen, bei den WM-Vergaben auch die Einhaltung der Menschenrechte, den Schutz der Homosexuellen und den Klimawandel zu berücksichtigen. Da werden die nächsten Turniere wohl alle bei uns stattfinden müssen.