Strahlender als Norbert Röttgen hat selten ein Sieger am Wahlabend in einer TV-Runde gesessen. Das lässt sich ganz einfach erklären. Zwar hat die CDU in Hamburg mit 11% das schlechteste Ergebnis aller CDU-Zeiten geholt, knapp 5 % weniger als beim letzten Mal, aber das war die alte CDU – für Röttgen kommt jetzt die Zeit der neuen, seiner Christlich Demokratischen Union. Und diese, Röttgens CDU, ist bereit für einen „inhaltlichen Aufbruch“ und wird die „Mitte neu definieren“, die ist nämlich „nicht mehr die Mitte der 70er und 80er Jahre“. Da sind auch Robert Habeck und seine grüne Partei, die sich um 11,8 Prozentpunkte verbesserte, gerne bereit, sich um die „irrlichternde CDU“ auf Norberts Wegen „zu kümmern“.
Norbert Röttgen ist im Öffentlich Rechtlichen das, was ein gewisser Menderes im Trash-TV ist: Immer wieder gescheitert, sitzt er trotzdem mit schöner Regelmäßigkeit in einer Show und wächst dem Zuschauer schließlich über die Gewohnheit ans Herz. Und wie der eine sein Kapital aus dieser Berühmtheit in Dorfdiscos schlägt, so macht es der andere damit, dass er sich als Parteichef bewirbt – laut BILD mit durchschlagendem Erfolg. Darum war Röttgen, der Talkshow-König, so blendend gelaunt – hätte die Merkel-AKK-Dreigestirn-CDU gut abgeschnitten, wäre seine Notwendigkeit nicht so sichtbar geworden.
Über die schlichte wie sympathische Franziska Giffey haben wir schon viele Worte verloren, heute hören wir mal nur, was sie zu sagen hatte. „Ich freue mich heute“, sagte sie, und freute sich dann auch über 39,1 % (minus 6%), die die SPD erreichte, „weil sie die ganze Stadt im Blick“ hatte. Und damit schalten wir sie für den ersten, den halbwegs erträglichen Teil der Sendung ab.
Hier kümmerte sich dann wie versprochen wieder Grün-Habeck um CDU-Röttgen: Sie sind ja schon am weitesten in der CDU, aber „Sie argumentieren von der statischen Mitte aus“, und deshalb „sind Sie nicht Mitte, sondern bockig.“ Der Kinderbuchautor und Parteiphilosoph Habeck summierte sodann: „Hinter Hamburg steht eine völlige Neujustierung der Demokratie“. Also, was nicht passt kann weg? Giffey drängte Röttgen, „vielleicht mal Grundprinzipien zu ändern“, mache die SPD doch auch. Und mit dem Fazit von Hennig-Wellsow, „Die Linke ist eine demokratische Partei und Bodo Ramelow der demokratische Ministerpräsident schlechthin“, schließen wir den ersten Teil.
Die Agitation geht weiter
Wer zunächst dachte, was soll einer aus dem Investigativ-Ressort der nicht sonderlich investigativen ZEIT in einer Nach-Wahl-Sendung, wurde dann von Yassin Musharbash aufgeklärt.
Der verstieg sich zur mehr als dreisten These „Spätestens seit Sarrazin ist allen Menschen mit Migrationshintergrund klar, dass wir ein Rechtsextremismus- und Terrorismus-Problem haben“ und stellte damit einen direkten Bezug vom SPD-Autor Thilo Sarrazin zu den Morden von Hanau her, obwohl der mutmaßliche Schütze aus einem rigiden Grünen-Haushalt zu kommen scheint und bislang keinerlei Nähe zu Rechtsextremen gefunden wurde, obwohl sich alle möglichen Behörden um einen solchen Nachweis bemühen.
Die Anne-Will-Redaktion brachte dann unterstützend einen Beitrag, in dem der brandneue Schulterschluss von Horst Seehofer (älteres Zitat „Die Migration ist die Mutter aller Probleme“) und Angela Merkel („Multi-Kulti ist gescheitert“) mit Kahanes Amadeu-Antonio-Stiftung gefeiert wurde.
Anne Will blieb noch etwas pragmatischer und warf Giffey vor, von den jährlich 115 Millionen für „Demokratie leben“ – hiermit stecken sich allerlei Genossen mit Broschüren, Aktionen und Spitzeldiensten die Taschen voll – 8 Millionen einsparen zu wollen. Nein, nein, stotterte diese, aber der ZEIT-Agitator fordert eine Erhöhung auf 200 Millionen. Wäre lediglich 1 Euro pro Einwohner, und doch wohl kein Problem.
Franziska Giffey wand sich heraus, in dem sie endlich das „Demokratiefördergesetz“ auf den Weg bringen wollte, und Norbert Röttgen, der wieder Anschluss an den Kreis der Gerechten suchte, rief: Ich bin dabei! Aber so einfach machte es ihm Anne Will nicht. Der Philipp Amthor habe unverschämter Weise von „Leitkultur“ gesprochen. Ach der! Norbert Röttgen war doch längst „einer von uns“, und er will demnächst gegen „Sprache“ vorgehen, Sprache, die Hass einträufelt. Da hätte er in der Sendung gut anfangen können.
Übrigens: Die stärkste Partei in Hamburg war nicht die SPD, das wird nur charmant hochgerechnet. Die meisten Hamburger fanden keines der Angebote auch nur halbwegs geeignet. Man kann die Nichtwähler verstehen.
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