Tichys Einblick
Die Geister, die sie riefen

Bei Anne Will: Der Tropfen zu viel im Klima-Fass?

Annalena Baerbock, ein „ZEIT“-Redakteur und ein Potsdamer Klimadirektor. Da hätte Peter Altmaier gnadenlos untergehen müssen, aber am Ende bekam der Merkel-Mann mehr Applaus als Frau Baerbock.

Screenprint: ARD/Anne Will

Wir hatten es vorhergesagt: Nach dem Klimawandel-Ablasshandel ist vor dem Klimawandel-Ablasshandel. So ratterte Annalena Baerbock, deren physikalischer Sachverstand über jeden Kobold-Zweifel erhaben ist, bei Anne Will gleich all ihre Forderungen herunter. Alles muss viel teurer werden. Fünf mal so teuer. Ach, im Grunde muss ein Systemwechsel her, unser Wirtschaftssystem muss schlicht weg.

Das findet Bernd Ulrich, Politnik und „ZEIT“-Vizechef auch. Ulrich hat lange bei einigen Revoluzzer-Postillen (taz, Frankfurter Rundschau) am Sieg des Sozialismus gearbeitet, jetzt schreibt er bei der „ZEIT“, und dank der Klimakinder könnte es ja vielleicht diesmal klappen mit dem Sozialismus. Leider ist er nicht die hellste Birne im Bad, aber umso fester eingeschraubt ist der Glaube. „Das ist doch ein Unterschied“, sagt der Redakteur, „ob eine Wirtschaft auf Öl basiert oder auf erneuerbarer Energie“. An eine nicht auf Öl basierende Wirtschaft wird manch älterer DDR-Bürger mit Schaudern zurückdenken. Erst gab‘s kein Öl, und dann kam noch Kohle dazu. Hust.

Klima-Geklingel
Klimapaket: Pillepalle für Grünwesten, Zumutung für Gelbwesten
Genosse Ulrich hat schon mal ausgerechnet: „Wenn alle Autos in Zukunft mit Strom fahren, brauchen wir mehr Windräder.“ Rein theoretischer wird da ein Schuh draus, aber praktisch wollen wir uns nicht einmal vorstellen, wie das Land dann aussieht. Auch der Altmaier-Einwand, man müsse auch an die Armen denken, die sich Klimaschutz nicht leisten könnten, konterte der wackere Kämpfer für eine neue Zeit: „Das ist doch immer so, dass sich die Armen vieles nicht leisten können.“ Macht doch nix. Arme können sich die gedruckte „ZEIT“ schließlich auch nicht leisten.

Den Ottmar Edenhofer vom Potsdamer-Institut für Klimaforschung (Pik) hat die Kanzlerin extra als Pik-Bube in ihren Klima-Rat geholt, damit von der Seite nicht gleich wieder am Klimapaket herum gemeckert wird. Aber so ist das halt mit Beratern, die nicht mindestens fürstlich, wenn nicht gar königlich honoriert werden für ihre Beratungen. Die sagen dann hinterher, auf sie hätte wieder keiner gehört. Jedenfalls fordert Edenhofer nun, dass „nachgeschärft“ wird. Edenhofer ist Politwissenschaftler, was wir nur deshalb erwähnen, weil er wirklich – als Ausgleich fürs Nachschärfen – von der „Abschaffung der Stromsteuer“ fantasierte. Noch nie wurde eine Steuer abgeschafft.

Klimawandertag
Klimastreik: Erlaubt, gewollt und abgesichert - Willkommen bei der Staats-Demo
Anne Will, deren Firma steigende Klimakosten problemlos an den Staatsfunk weiterreichen kann, hat nun im Fernsehen „die Menschen, die bereit sind“, mehr zu tun, gesehen, oder wie Annalena Baerbock es formulierte, die „Millionen auf der Straße.“ Damit meinten die Beiden die von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Schulen und schönem Wetter auf die Straßen geschickten Schüler (und ihre Mütter/Väter), Studenten, Messdiener, Rentner, „ZEIT“-Redakteure und Funktionäre, die am Freitag für den Öko-Sozialismus aufmarschierten.

Dummerweise zitierte Will dann aber auch eine frische Umfrage, der zufolge ganze 7% (in Worten: sieben) der Bürger bereit sind, mehr als 100 € im Jahr fürs Klima auszugeben. Damit war die Willsche Debatte bereits ad absurdum geführt.

Kontinuität
Klimapolitik: Der große Wurf - voll daneben
Peter Altmaier hatte sich mal wieder bereit erklärt, den Watschenmann zu geben, eine Rolle, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen ist. „Haben wir Fehler gemacht? Ja!“, streute er Asche auf sein Haupt. Aber so ganz traut er wohl dem hysterischen, medialen Klimahype nicht. Denn die Grünen hätten in den letzten Wahlen kaum Punkte gemacht mit ihrem Theater. Außer bei der Europawahl, aber das sei doch wie „nach Fukushima“ gewesen, ein halbes Jahr später war der grüne Aufschwung wieder dahin gewesen. Und 2018 war der Sommer heiß, man habe „gesehen, dass Bäume gestorben“ sind, deshalb das plötzliche Grünen-Hoch. Ob das nachhaltig sei, bezweifelt er, außer die Grünen pulverisieren die SPD. Nein, Altmeiers Partei hat mehr Angst vor Gelbwesten als vor hüpfenden Klimakindern. „In Frankreich musste der Macron seine Klimasteuern zurücknehmen“, schauderte es Altmaier. Er setzt auf den „nationalen Klimarat“ und darauf, dass jetzt über alles geredet wird. So muss „über den Autokauf geredet werden. Auch in den Schulen.“ Schöne, neue Welt. Auch bei der CDU.

Peter Altmaier will „auf billigen Applaus verzichten“, sagt er irgendwann, und wohl zur eigenen Überraschung, wurde ihm mehr billiger Applaus zuteil, als beispielsweise Annalena, womit er selber kaum gerechnet haben dürfte. Vielleicht merken die Leute selbst bei der Will-Show, dass es mit 100 € nicht getan ist.

Anne Will fragte dann pflichtschuldig, was Annalena Baerbock zu Robert Habecks widersprüchlichen Aussagen zu Windrädern sage (als Umweltminister von SH war für ihn 1.000 Meter Abstand zu Ortschaften ok, jetzt nicht mehr). Und ob man die Leute zwingen müsse, Windräder in der Nachbarschaft zu akzeptieren. Annalena vermied das Wort „zwingen“, aber im Prinzip: Ja.

Es rumort in Deutschland
Das wohltuende Klima an den Hängen des Vesuv
Majestätsbeleidigung gehört nicht zu Anne Wills journalistischem Pflichtgefühl, deshalb brachte sie auch nicht zur Sprache, was „Bild“ gestern „Abgehobenheit über den Wolken“ genannt hatte. Merkel und Kramp-Karrenbauer waren gleichzeitig in zwei halbleeren Fliegern zum gleichen Ziel (USA) aufgebrochen. Peter hätte bestimmt auch dazu eine passende Antwort gefunden (wenn das Flugzeug mit beiden an Bord abgestürzt wäre, hätte die CDU keinen Kopf mehr, oder so).

Erstaunlicherweise war Annalena Baerbock gegen die erdrückenden Umarmungen („Sie sind doch eine konstruktive Persönlichkeit!“) des Peter Altmaier machtlos an diesem Abend. Der hatte die Grünen allesamt schon vor Jahren beim Italiener derart in sein Herz geschlossen, dass er direkt die sogenannte Pizza-Connection gründete. Und wir haben wieder einmal gelernt, dass Omas alte Sprichwörter – Liebe geht durch den Magen – doch mehr Wahrheit enthalten als eine Gesamt-Jahresausgabe der „ZEIT“.

Lesen Sie Stephan Paetow auch auf
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