Punkt 18.00 Uhr war klar: Der SPD-Selbstbedienungsladen NRW wird vorübergehend geschlossen. Und auch für die Bundespartei war der 1. Mai erst mal der letzte große Feiertag. Das Gesicht zur Landtagswahl projiziert an diesem Abend ganz klar Ralf Stegner auf die TV-Geräte. Es hat dabei fast schon die Qualität eines Emoji – ohne Ton steht es passgenau für Saarland, Schleswig-Holstein und nun „das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die SPD in NRW“. In den USA wären wahrscheinlich schon überall T-Shirts mit „Grumpy Ralf“ zu kaufen.
Der Chef von Grumpy Ralf
Tapfer, fast schon ein bisschen forsch, nimmt 100%-Schulz auch die dritte Niederlage in Folge an – 100%-Schulz, das klingt nun eher nach Loriot: 100% Baumwolle mit einer 70%igen Polyesterbeimischung.
Hannelore Kraft hat – wie man im Revier sagt – die Schnauze gestrichen voll von der SPD im Homeland und der in Berlin ebenso. Sie tritt von allen Ämtern zurück. Damit wollen auch wir uns von ihr an dieser Stelle verabschieden – es sei denn, sie schließt sich Peer Steinbrücks Kabarett-Truppe als Ensemble-MitgliedIn an.
Bei Anne Will am Abend ist die Stimmung einiger Gäste fast ein bisschen überschwänglich. Kubickis FDP hatte schließlich um die 12% eingefahren, Volker Bouffier konnte auf fröhliche 34% beim demnächst Amtskollegen Laschet schauen, und warum Trittin so gut gelaunt war? Vielleicht weil er mal wieder in einem Fernseh-Studio saß.
Giovanni di Lorenzo gab erneut den zerknirscht selbstkritischen Journalisten und wünschte sich Deutungsdemut (Folgen in Die Zeit hatte das letztes mal keine). Auf dass jetzt nicht auf das Schulz-Hosianna ein „Kreuzigt ihn!“ folgen möge. (Aber die Meute ist längst von der Leine. „Der Schulz-Fluch“ titelt Bild online). Und Manuela Schwesig, früher mal als Küsten-Barbie und SPD-Next Topmodel gefeiert, sparen wir uns bis zum Ende unserer kleinen Nachtgeschichte auf.
Gerechtigkeit schmiert ab?
Die Herren in der Runde waren sich einig, „wenn man schlechte Arbeit macht, wird man abgewählt“, „wenn Leute mehr beklaut werden als in allen Bundesländern zusammen“, dann hilft kein Herumgerede (Bouffier). Reihum wurden der SPD mitleidig Ratschläge zugeworfen, wie Euromünzen einem zahnlosen Berliner Straßenpenner am Hauptbahnhof.
Flehentlich appellierte der Zeit-Chef Giovanni, Schulz möge sich weitere Themen suchen neben der „Gerechtigkeit“, „sonst wird er abschmieren.“ Die SPD brauche „wirtschaftliche Kompetenz“. Da fällt mir ein: Von Siggi war an diesem Abend ja gar nichts zu hören und zu sehen!
Selbst der migrationsbesoffenen Zeit schwant inzwischen, dass nicht alles Gold ist, was hereinkommt. „Warum tun sich die Linken so schwer damit, dass die Leute abends sicher heimgehen wollen und die U-Bahn angstfrei benutzen können müssen?“, fragte traurig der Chefredakteur.
Trittin versuchte schamlos, ausgerechnet die Grünen als Garant von Sicherheit und ein bisschen Ordnung zu verkaufen. Kubicki packte sich daraufhin an den Kopf, und Bouffier konstatierte trocken: „Praktische Vernunft fehlt bei den Grünen noch.“ Wir gehen da nicht in die Details, zu oft wurde das Thema Grüne, Videoüberwachung, sichere Herkunftsländer oder Schleierfahndung erschöpfend durchgekaut.
An den Grünen und den Gelben und der Frage, wer´s mit wem macht, hängt derzeit das Schicksal der Länder Schleswig-Holstein und NRW, wo der Einzug der Linksextremen zur Stunde der Debatte noch offen ist. Also eigentlich keine Aussage wirklich belastungsfähig ist. Das macht aber nix, wenn es um die Beute geht. Während Anne Will die Journalistin mimte, hatten sich die Herren längst verselbstständigt und beschäftigten sich ohne Moderation. Es geht ja jetzt um die Verteilung des Kuchens.
Trittin schlug Kubicki in Schleswig-Holstein eine Ampel-Koalition unter Führung der zweitstärksten Kraft, der SPD, vor. Denn, so argumentierte er: Bei einem schwächeren Partner „hat man mehr vom Kuchen“! Dass der Wähler gerade das nicht will, interessiert den grünlackierten Kommunisten-Opa nicht die Bohne! Ihm und seinen Parteigängern geht es schließlich in erster Linie um ein fettes Leben als Polit-Posten-Profiteure.
Krieg dem Dieselmotor und Rechtsruck bei der CDU
Damit auch im Bund genügend Narren die grünen Apparatschiks weiterhin vor echter Arbeit bewahren mögen, rasselt Trittin schon mal alle Triggerworte seiner Angstwähler herunter: Klima, Kohle, Ende des Verbrennungsmotors, Bildung statt Waffen. Dafür dass die AfD wie in NRW auch bei der Bundestagswahl möglichst gut abschneidet, scheinen alle weiter zu sorgen wollen, indem sie diese Partei weiter ausgrenzen, statt mit ihren Repräsentanten zu debattieren.
Das bringt uns nun auch zur bedauernswerten Manuela Schwesig, die heute das Schmuddelkind war, mit dem keiner spielen wollte. Tapfer beantwortete sie Wills Fragen. „Schulz war konkreter als Merkel!“ Dann sagte sie immer wieder „kostenlose Kita“ und „Projekt Q“ (ALG I etwas länger). Und natürlich „Bildung“. „Ab morgen“ werde in die Hände gespuckt, die SPD bastelt am Wahlprodukt. Warum haben Sie das nicht längst alles in die Tat umgesetzt, immerhin sind Sie seit 50 Jahren in der Regierung? Mit wem wollen Sie das dann durchsetzen? Und wie finanzieren Sie das? Letzteres beantwortete sie mit Einsparungen bei der NATO. Und das Wahlergebnis ist ein „Rechtsruck“. Rechts und CDU? Jetzt sind wir endlich so weit, wie die Phantasten von ganz links die Welt sehen: Alle jenseits von Linken und der SPD sind verwerfliche Rechte. Um das zu beweisen gibt sie rund 100 Mio. aus ihrem Ministeriumsetat aus, etwa für die Stasi-Kahane-Antonio-Stiftung. Sollte man jetzt erst die CDU verbieten und dann die Wähler oder umgekehrt? Ach, die Manu! Weil aber alle an diesem für die SPD schicksalsträchtigen Abend wohl der abendländischen Sitte folgten, auf einen am Boden Liegenden nicht noch zu treten, blenden auch wir sie sanft aus.
Ein Satz vom Konkreten-Schulz gegen 19.00 Uhr allerdings geht uns einfach nicht aus dem Kopf: „Gerechtigkeit und Zukunft im Bereich der Innovation“ soll zum Bundeswahlkampf-Thema werden. Eine so schöne wie unsinnige Formulierung. Welche Power-Point-Agentur-Akrobaten haben ihm den Satz wohl aufgeschrieben?