Weltrevolutionen zeichnen sich dadurch aus, dass der Fall eines einzelnen Landes nur Etappensieg ist. Offenbar denkt X-Chef Elon Musk genauso. Die USA sind nur ein Teilerfolg. Die Schikanen, ob in Brasilien oder in der EU, sind unvergessen. Musk möchte als der Verteidiger der weltweiten Meinungsfreiheit gelten mit X als weltweit führender Medienplattform.
Ganz offensichtlich schwebt Musk eine Art „Bürgerjournalismus“ vor, der sich von den bisherigen etablierten Medien mit ihrer Funktion als gate keeper abhebt. Auch deswegen spielt Donald Trump eine Schlüsselrolle: Er war der erste Politiker eines großen Landes, der über den X-Vorgänger Twitter direkt mit seinen potenziellen Wählern sprach, statt nur in „eingeordneter“ Form über Medien.
Das war der Grund, warum die Twitter-Sperre Trumps nach dem 6. Januar 2021 ein mehrfacher Rückschlag war. Sie raubte dem US-Präsidenten die Möglichkeit, direkt zu kommunizieren. Die Altmedien kehrten wieder als Korrektiv zurück. Doch ihre Restauration als Hegemon erfolgte nur bedingt.
Spätestens der Wahlkampf 2024 hat gezeigt, dass das Meinungsmonopol der Medien, die früher den Daumen je nach Gusto heben und senken konnten, zumindest in den USA der Vergangenheit angehört. Nun präsentieren sich dort nicht nur Politiker, sondern auch einfache User in der Form unabhängiger Influencer in einem Ausmaß, das die alten Narrative aushebelt.
Die alten Medien glaubten, mit wohlwollenden Harris-Interviews, mit den typischen Talk-Show-Besetzungen, mit Unterstützung von Stars und Sternchen die Wahl zu beeinflussen. Nichts davon hat gefruchtet. Und das hat damit zu tun, dass Fernsehen, Radio und große Zeitungen für eine wachsende Zahl von Wählern keine Rolle mehr spielen – und das nicht nur in den jüngeren Generationen.
Sollte Elon Musk es schaffen, dass X eine solche Position nicht nur in den USA, sondern weltweit ausbaut, ist X an einem bestimmten Punkt schlicht zu groß, um es zu verbieten. Es wäre gleichbedeutend mit dem Verbot der Meinungsfreiheit als solcher. Die Vorstöße aus Brasilien zur X-Zensur fanden weltweit Zuspruch – unter Vertretern der alten Medien und der Politiker, die maßgeblich von ihnen getragen werden.
Im globalen Krieg gegen die Meinungsfreiheit zeigen sich die Fronten demnach immer klarer. Wenn J. D. Vance etwa ankündigt, dass ein Bündnis wie die Nato seinen Sinn verliert, wenn es nicht die Werte des Westens vertritt, muss das bereits zu einem gefährlichen, demokratiefeindlichen Vorstoß umgedeutet werden. Dabei hat die Allianz nach eigener, historischer Aussage tatsächlich einmal den „freien Westen“ verteidigt. Was sind denn nun diese vielbeschworenen, westlichen Werte – und was sind sie wert, wenn Meinungsfreiheit nicht dazugehört?
Immer noch bemüht sich diese Fraktion darum, X zum Zentrum einer Kampagne von Desinformation und Hetze abzuqualifizieren, obwohl die US-Wahl gezeigt hat, dass das, was X als Realität abbildete, deutlich näher an der Wahrheit war, als das, was man diesseits und jenseits des Atlantiks in Talk-Shows, Interviews und Dokumentationen behauptete.
Die Diffamierung der Anderen geht dabei von denjenigen aus, die am meisten zu verlieren haben. Das gilt nicht nur für die öffentlich-rechtlichen Medien, wo bereits lange der Schulterschluss mit EU-Behörden gesucht wird, die eher für Regulierung denn Freiheit stehen; das gilt insbesondere auch für jene linken Medien, die nicht nur die Hoheit über die Narrative zu verlieren drohen; vielmehr steht der absolute Gau bevor, dass sich die Realität als solche durchsetzt, ohne Beschönigung und ohne Einordnung. Und dass die Masse an Posts, an Videos und Bildern so groß ist, dass sie in einer Art Tsunami auf den Konsumenten zurollen, ohne dass etwa Zeit, Spiegel oder Süddeutsche ihren Riegel davorschieben können.
Deutschland wird nach der US-Wahl die neue Macht von X als erstes zu spüren bekommen. Dass die Ampel zerbrochen ist, ist auch dem Big-Tech-Tycoon nicht entgangen („Olaf ist ein Narr“). Vor allem dürfte Musk wissen, welche Rolle Deutschland als Vorreiterland der Netzzensur – hier steht die Wiege des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) – in der Vergangenheit immer wieder eingenommen hat. Die Neuwahl ist ein Anlass, um Deutschland zu einem Experimentierfeld zu machen, oder in der Sprache der US-Wahlkampagnen: einen „Battleground“.
Auf der anderen Seite hat sich längst eine „Führungsfigur“ etabliert. Es handelt sich um Robert Habeck. Dass sich hinter ihm bereits seit Jahren die in ihrer Relevanz geschmälerten Medien versammeln, ist nichts Neues. Auch die Grünen haben sich als Anti-Musk-Partei profiliert. Mit seiner Rückkehr auf X und dem „Framing“ der Plattform als Ort von „Schreihälsen“ hat Habeck auch direkt das Narrativ seines Lagers bestärkt. Als Schirmherr von Meldestellen und Trusted Flaggern (Stichwort: Bundesnetzagentur) hat er zuvor einen Aufschlag gemacht.
Zeit-Journalist Christian Bangel kann dabei stellvertretend für die Scharnier-Funktion in diesem Anti-Musk-Lager stehen. Er war Mitentwickler des „Störungsmelders“ und von „Netz gegen Nazis“. Freilich hat er von der eigenen Zunft Preise erhalten, die seinen Ruf in dieser Blase zementieren sollen. Als ein US-User die Ankündigungen von Habeck zur X-Zensur kritisiert, sieht Bangel die Gefahr gegeben, dass „US-Rechtradikale“ versuchen könnten, den deutschen Wahlkampf „zu hacken“.
Ein Vorgang, der natürlich absolut gerechtfertigt ist, wenn Luisa Neubauer oder SPD-Politiker wie Ralf Stegner sich in den US-Wahlkampf einmischen.
Habeck dürfte sich der Tragweite des Konfliktes bewusst sein, und kann darauf zählen, als Kämpfer gegen die globale Finsternis anzutreten. Das sind keine erfundenen Worte. Der Ex-Chef der Grünen, Omid Nouripour, hat es so formuliert:
„Die Krisen, über die wir sprechen, nichts davon entsteht in Deutschland alleine. Der Virus aus Wuhan, die Situation in der Ukraine und in den USA, die extremen Klimakatastrophen, wie gerade erst in Spanien. Robert Habeck weiß, dass die Demokratie nur verteidigt werden kann, wenn wir eine Phalanx bilden von Demokraten und Demokratien gegen die Kräfte der Finsternis.“
Insofern ist auch der Anspruch der Grünen global und nicht auf Deutschland beschränkt. Andere Politiker, Journalisten, Influencer, Geschäftsleute und NGOs spielen nur ihre Rolle darin. Dass Elon Musk sich auch nicht auf Deutschland beschränkt, zeigt ein Post von gestern Morgen. Darin kritisierte er die Entscheidung der italienischen Richter, die den Albanien-Plan von Musk-Freundin Giorgia Meloni torpedierten. Sie müssten gehen. Italienische Medien sind deswegen schon ganz aus dem Häuschen. Aus Gründen.