Tichys Einblick
Barbie, der Film

Life in plastic, it’s fantastic

Eine neue Barbie-Verfilmung - dieses Mal als Spielfilm statt Animation. Er verspricht viel Pink, Glitzer und Humor: und keine woken Prediger. Autorin Noemi Johler hat sich einen ersten Eindruck verschafft.

IMAGO / Picturelux

High Heels, lange Beine, blonde Haare und ein Kleid in pink – Barbie, die berühmte Puppe mit ihrem unverwechselbaren Stil und ihrem beeindruckenden Markenimage, kommt am 20. Juli in die deutschen Kinos. Auf der Leinwand muss sich Barbie zwischen einem Leben in High Heels oder Birkenstock-Sandalen entscheiden. Eine Lebensentscheidung mit schweren Folgen. In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von Filmserien zeitgeistlich angepasst: Indiana Jones muss einer Frau weichen, die ihn des Diebstahls an Ureinwohnern bezichtigt. Die Ghostbusters mussten ebenfalls eine Transformation durchmachen – aus vier Männern und einer Sekretärin hin zu vier Frauen und einem Sekretär. Kaum ein Film, der mittlerweile nicht mit einer starken weiblichen Hauptrolle wirbt. Kaum ein Nachrichtenformat im deutschen Fernsehen, das bevorzugt Männer auf Sendung schickt.

Der aktuelle Barbie-Film kommt aus den Studios von Warner Bros, die die Flops von Disney und ihrer Konkurrenz offensichtlich besser antizipiert haben. Die blonde Femme Fatale und ausdrucksstarke Schauspielerin Margot Robbie verkörpert in dem von Greta Gerwig inszenierten Film die Barbie. Gerwigs Filme, Neuauflagen von “Little Women“ oder auch “Lady Bird“, sind besonders im feministischen Milieu beliebt und erhielten gleich mehrere Oscar-Nominierungen. Dennoch scheint alles auf der Vorlage der originalen Barbie von Schöpfervater Mattel zu beruhen.

Margot Robbie ist schlank, groß und blond, erfüllt also alle Kriterien der Barbie. Auch Ken, Barbies langjähriger Freund, darf an ihrer Seite nicht fehlen und wird nahe an dem Original von Ryan Gosling verkörpert: ebenso schlank und durchtrainiert und blond. Auf den ersten Blick ein erschreckend klischeehaftes Bild, das die blauen Haare einer jeden Feministin aufstellen lässt. Margot Robbie gibt jedoch Entwarnung und sagte in der Juli-Ausgabe 2022 der britischen Vogue: „Die Leute hören ‚Barbie‘ und denken, sie wissen, worum es in dem Film gehen wird. Erst wenn sie hören, dass Greta Gerwig das Drehbuch schreibt und Regie führt, kann man sich vorstellen, dass es eben doch anders wird, als man denkt.“

Feministisch, aber nicht woke?

Die Trailer für den neuen Barbie-Film bestärken das Lob auf Drehbuchautorin und Regisseurin Greta Gerwig. Unglaublich detailreich und witzig wird Barbie in die Welt der kleinen Mädchen eingeführt, welche freudig ihre Babypuppen zerstören, um ihr neues Idol aufzunehmen. Barbie wird dabei als Selbsterkenntnis spendender Monolith dargestellt: eine weibliche Neuverfilmung der Monolith-Szene aus „2001: Odyssee im Weltraum“. Dahinter steckt mehr als eine gute Inszenierung. Gerwig erklärt im Vogue-Interview, dass der Barbie-Film die Schöpfungsgeschichte neu schreiben will: „Barbie wurde zuerst erfunden. Ken wurde nach Barbie erfunden, um Barbies Position in unseren Augen und in der Welt aufzupolieren. Diese Art von Schöpfungsmythos ist das Gegenteil des Schöpfungsmythos in der Genesis.“ Gerwig allmächtig – macht sich die Barbie-Welt, wie sie ihr gefällt.

Barbie trägt dabei ein schickes schwarz-weiß gestreiftes Badeoutfit, ihr blondes Haar und ein charmantes Lächeln – so, wie die erste Barbie 1959 offiziell der Welt vorgestellt wurde. Barbie wurde von Ruth Handler, der Mitbegründerin des Spielzeugunternehmens Mattel, entwickelt. Inspiriert von ihrer Tochter Barbara und der Beobachtung, dass es keine erwachsenenorientierten Puppen gab, die Kinder zum Rollenspiel anregen konnten – von der Mutter zur Karrierefrau, mit bis zu 200 Berufen.

Ihre Vision war es, eine Modepuppe zu schaffen, die den Realismus und die Fantasie verbindet. Barbie wurde somit zu einer kulturellen Ikone und einem Symbol für Mode, Eleganz und weibliche Selbstbestimmung. Bis ein Gewitter über der Barbie-Welt aufzog und Barbie zum Anti-Feminismus-Symbol getauft wurde. Barbie war nicht divers genug, zu pink und zu sehr mit Mode beschäftigt. Von ihrem klassischen Look der 1950er Jahre bis zu den vielfältigen Stilen, Berufen und Körpertypen von heute, hat sich Barbie immer wieder den sich verändernden Vorstellungen von Schönheit, Mode und Weiblichkeit anpassen müssen. Heute ist die Puppe sowohl in behinderten als auch in übergroßen Formen sowie in einer Vielzahl von aufstrebenden Berufen erhältlich.

Barbie wird mit dem Tod konfrontiert

Ein weiterer Trailer lässt tiefer in diese diverse und inklusive Barbie-Welt blicken. In der Barbie-Welt geht es pink zu. Zwischen Barbie, der Präsidentin, Barbie, der Ärztin, Barbie, der Richterin, und vielen mehr, lebt die „Head Barbie in charge“, also die verantwortliche Barbie-Leiterin. Wenn diese nicht gerade mit ihrem Cabrio durch die Barbie-Welt cruised, feiert sie wilde Partys mit einer eingeübten Choreographie in ihrer pinken Luxus-Villa. Alle männlichen Charaktere in der Barbie-Welt werden jedoch einfach „Ken“ genannt und gehen karrierelos ihrer Wege. Ryan Gosling wird auf seinem Promo-Bild sogar als „Nur Ken“ bezeichnet. Barbie ist alles und er ist „nur Ken“. Als ob es ein Tabu gäbe, dass Männer von der Feminismus-Debatte ausschließt.

Doch “Nur Ken“ weicht nicht von Barbies Seite, als Probleme in der perfekten Barbie-Welt auftauchen. Barbie denkt plötzlich über das Sterben nach und landet mit den Füßen auf dem Boden der Tatsachen. Buchstäblich, denn ihre perfekten Zehenspitzenfüße neigen sich, um mit flacher Sohle zu stehen, sie berührt zum ersten Mal den Boden mit den Fersen. Ein Umstand, der Ekel bei den anderen perfekteren Barbies auslöst. Radikal wird sie aus der perfekten in die Echte-Birkenstock-Sandalen-Welt verstoßen – und Ken opfert sein perfektes Leben, um an der Seite seiner Barbie bleiben zu können. Gemeinsam beginnt eine Reise durch die vom Patriarchat verschmutzte Welt, und dabei stoßen sie scheinbar auf einige böse weiße Männer.

Doch Gerwig ein feministisches Manifest zu unterstellen, ist noch zu früh. Ein wokes Manifest scheint der Film den Trailern nach jedenfalls nicht sein zu wollen – auch wenn der Zeitgeist manches Zugeständnis einfordern muss. Der Film will durch seinen Stoff und durch seine Bilder – pink, grell und herrlich überzeichnet – beworben werden, nicht durch seine gesellschaftlichen Qualitäten. Ganz ohne Politik geht es zwar nicht. Doch wenn die Zielgruppe eines Films erwachsene Frauen sind und der Stoff eine feministische Ikone und Anti-Ikone zugleich ist, dann muss er auch mindestens ein bisschen politisch sein, um auch relevant zu sein.

Margot Robbie plaudert im Interview aus dem Nähkästchen, dass Gerwig vor dem Drehbuch ein einflussreiches Gedicht über Barbie verfasst hat. Dieses Gedicht ist laut Robbie an das Apostolische Glaubensbekenntnis angelehnt und der Name Gott wurde allem Anschein nach mit dem Wort Barbie ausgetauscht. Welche Inspiration dieses Gedicht auf den kommenden Barbie-Film hatte, wird sich erst nach der Premiere herausstellen, in den Trailern fehlt jedenfalls jede Predigt. Weiters folgt nach der Premiere am 20. Juli. Mit Sicherheit wird uns eine moderne Interpretation der ikonischen Puppe erwarten, die jedes stereotypische Klischee überwunden hat – und Warner Bros verspricht: „Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich“. Aber auch: „Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich“.

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