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Ohne Auflage kein Steuergeld: Zeitungen sind der große Verlierer der Woche

Die Zeitungen befinden sich im freien Fall. Offensichtlich, wenn es um die Auflage geht. Subtiler, wenn es um Glaubwürdigkeit geht. Der Bedeutungsverlust ist so groß, dass sogar die Politik Verleger im Stich lässt.

picture alliance/dpa | Annette Riedl

Alle drei Monate veröffentlicht der Verein der werbetreibenden Wirtschaft (IVW) die Auflagenzahlen der deutschen Zeitungen. Sie sind ein wenig verwirrend, was weder Zufall noch Unvermögen des Lesers ist – sondern gewollt. Eine hohe Auflage bedeutet eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Und wer als Verleger einen Bedeutungsverlust fürchtet, der lässt besser keinen klaren Blick auf die tatsächlichen Zahlen zu.

Zum Beispiel die Taz. Das ist eine große, bedeutende und überregionale Zeitung, der eine breite Leserschaft folgt. Das könnte man meinen, wenn man sich ausschließlich über ARD und ZDF informiert. Denn die lassen permanent Taz-Redakteure die Welt erklären. Etwa die „Wirtschaftsexpertin“ Ulrike Herrmann. Sie allein war im vergangenen Jahr öfter in den Talkshows von ARD und ZDF als alle Vertreter der AfD zusammen. Am liebsten schwadroniert die Taz-Frau über eine vorindustrielle, sozialistische Wirtschaftsordnung, in der Millionen dafür eingesetzt werden, die Kartoffeln von Hand zu pflücken.

Klar. Hinter Ulrike Herrmann steht auch eine große Leserschaft – gaukeln ARD und ZDF ihren Zuschauern vor. Viel größer als die Anhängerschaft der AfD, die es bei der letzten Bundestagswahl nur auf 4,8 Millionen Wähler gebracht hat. In Wirklichkeit hat die Taz eine „verkaufte Auflage“ von 46.000 Exemplaren. Eine Auflage von 46.000 Exemplaren zu 4,8 Millionen Wählern und trotzdem ist Kartoffelpflückerin Ulrike Herrmann häufiger zu Gast in ARD und ZDF als alle AfD-Vertreter zusammen.

46.000 Exemplare als Auflage mag nicht viel sein, ist aber immer noch schöngerechnet. Das Fachportal DWDL hat sich die Zahlen genauer angeschaut und eine „harte Auflage“ von 35.000 Exemplaren errechnet. Da sind all die Werbegeschenke und Bordexemplare rausgerechnet, die den Nicht-Lesern der Taz hartnäckiger aufgedrängt werden, als es die Zeugen Jehovas mit dem Wachtturm tun.

Anderes Beispiel. Die Süddeutsche Zeitung. Sie hat im vergangenen Jahr einen journalistischen Erfolg gefeiert. Wobei das Wort „journalistisch“ das Wort „Erfolg“ relativiert. Denn als solcher wird die Kampagne gegen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nur in der Medien-Blase gefeiert. Die SZ konnte die entscheidenden Nazi-Vorwürfe nicht halten. Die Bürger haben sich nicht von Aiwanger abgewandt, sondern den Freien Wählern so viele Stimmen gegeben wie noch nie. Eigentlich war die Aiwanger-Geschichte ein richtiges Debakel – doch trotzdem gab es dafür Journalisten-Preise.

Andererseits passt das wieder ganz gut. Kaum einer hat schließlich so viele journalistische Preise gewonnen wie Claas Relotius, der Märchenonkel vom Spiegel. Seine Geschichten haben genau das erzählt, was die Bewohner der Medien-Blase hören wollen. Wen kümmert es da schon, dass sie erlogen und falsch waren? Journalisten offensichtlich nicht. Aber die Leser schon. Denn die hat die Süddeutsche im Jahr der Aiwanger-Affäre verloren. Laut DWDL 14.500 Exemplare weniger als ein Jahr davor, bleibt eine „harte Auflage“ von weniger als 230.000 Exemplaren. Ein Verlust von 6,0 Prozent.

Damit liegt die Süddeutsche Zeitung durchaus im Trend. Um 840.000 Exemplare ist die gesamte „verkaufte Auflage“ aller deutschen Zeitungen vom zweiten Quartal 2023 zum zweiten Quartal 2024 zurückgegangen. Übriggeblieben sind gerade noch 11 Millionen Exemplare. 7,1 Prozent Rückgang bedeutet das. Das Geschäftsmodell Zeitung wackelt. Zumal die Verleger das Geschäft mit der Werbung vor allem aber mit den Kleinanzeigen weitgehend ans Internet verloren haben.

7,1 Prozent verlieren die Zeitungen im Schnitt. Das heißt, es gibt noch größere Verlierer. Dazu zählen die Zeitungen des Verlags VRM, der unter anderem die Allgemeine Zeitung Mainz herausbringt. Der Verlag hat die Zeichen der Zeit erkannt und die Stelle eines Klimareporters geschaffen. Die Menschen kaufen ihre Lokalzeitung ja nicht mehr, weil sie die Abholtermine der Müllabfuhr erfahren, sondern weil sie sich über Plastikmüll in Bangladesch aufklären lassen wollen. Ist eine schöne Theorie – stimmt halt nur nicht in der Praxis.

Die Zeitungen der „VRM Tageszeitungen plus (Sa-So)“ haben laut IVW über 27.000 Exemplare in der „Verbreitung“ verloren. Das entspricht einem Verlust von 11,4 Prozent. Damit bleibt eine verbreitete Auflage von 215.000 Exemplaren übrig. Vor drei Jahren waren es noch 287.000 Exemplare. Geht die Entwicklung so weiter, sind es in drei Jahren noch 150.000 Exemplare. Den deutschen Zeitungen kann man beim langsamen Sterben zuschauen wie der Figur einer Seifenoper, deren Darsteller zu riskant mit der Produktionsfirma verhandelt hat.

Die Politik sollte es richten. Die Politik wollte es richten. Die große Koalition hatte den Verlegern zugesagt, sie mit über 200 Millionen Euro Steuergeld pro Jahr pampern zu wollen. Doch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wusste nicht, wie er das Geld verteilen soll. Die Ampel hat den Plan aufgegriffen, hat sogar ausgerechnet, dass sie den Verlegern bald 600 Millionen Euro Steuergeld jährlich zahlen will. Doch ihr Finanzminister Christian Lindner (FDP) weiß nicht, wo er das Geld herholen soll. Deswegen hat Medienministerin Claudia Roth (Grüne) dieser Tage vorerst das Aus der Subventionen für Verleger verkündet. Die Verleger lernen eine bittere Lektion: Wenn du Auflage verlierst, bist du nicht mehr wichtig. Wenn du nicht mehr wichtig bist, gibt es auch keine Kohle. Egal, wie viele Argumente dein Klimareporter für rot-grüne Politik herbeibringt.

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