NZZ, ZEIT, Leipziger Volkszeitung sind hinreichend bekannt und meist solide, was nicht heißen soll, dass man sich nicht an manchem Inhalt reiben kann und widersprechen möchte. Interessanter sind die auch standörtlich konzentrierten Erzeugnisse der vereinigten aber uneinigen links-Blätter mit marxistischer, stalinistischer oder anarchistischer Ausrichtung, zu denen sich auch die taz gesellt.
Im grünen Zentralorgan lässt sich ein Redakteur aus dem Ressort taz2 („Gesellschaft und Medien und schreibt über alles, was ihm einfällt oder was anfällt“) über politische Korrektheit aus. Mit der Aussage, die AfD sei eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, klittert er Geschichte und verniedlicht, was die Nationalgenossen der dreißiger und vierziger Jahre angerichtet haben.
Für den Fall Tellkamp lädt man an anderer Stelle größere Kaliber. Mit der Subline, er sei „politisch verhaltensauffällig“ gesteht man im Grunde ein, dass er aus dem links-Mainstream ausscherte und die Toleranzprediger selbst am wenigsten tolerant sind. Sicher waren die Tellkampschen 95 Prozent Nichtflüchtlinge nicht verifizierbar. Es können auch 83, 72 oder 64 Prozent sein, das Problem ist doch: Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren angesichts vieler Alias-Namen und verschleierter Herkünfte.
Dann kommt scharf gerührtes aus Bosheit und Galle: „Jahrzehntelang durfte der vom Rotwein gebläht wirkende Ossi namens Uwe (vgl. Böhnhardt, Mundlos) seine unlesbaren Romanungetüme ins Suhrkamp-Programm wuchten …“.
Nun, ich empfand den „Turm“ (samt Verfilmung) als ein durchaus gelungenes Stück Wendeliteratur, wenn auch nicht als „den“ Wenderoman. Dass den Westlinken das Verständnis für Wendeliteratur verschlossen bleiben muss, ist auch Folge ihrer jahrzehntelangen untergründigen Hoffnung, die DDR möge als das bessere Deutschland irgendwann Sieger der Geschichte sein. Der gewaltfreie Umsturz durch die Ossis ist den Westlinken heute noch suspekt, schon durch die Abwesenheit von Molotowcocktails, Pflastersteinen und Katapulten im Herbst 89.
Manche Segnungen rot-rot-grüner Politik holen die tazler allerdings schonungslos in die Realität zurück. Eine Kita in Berlin-Mitte ist in der Krise. Der Träger der „F.A.I.R.Play“ änderte das Konzept für 250 Kinder im Sinne einer höheren Mitbestimmung – durch die Kinder. Sie sollen selbst entscheiden, ob sie Mittagsschlaf machen möchten und „altershomogene Gruppenstrukturen sollen aufgebrochen“ werden. „Fast das komplette ErzieherInnenteam“ hat nun innerhalb weniger Monate gekündigt, was auch die linke Jugendstadträtin im Bezirk nicht verhindern konnte. Die Suche nach Kitaplätzen ist in Berlin extrem schwierig. Nun wird es wohl noch schwieriger.
Unsere Zeit, das Zentralorgan der DKP, hat seinen festen Klassenstandpunkt über viele Jahrzehnte bewahrt, was nicht an interessanten Einsichten hindert. „Afrin reicht Erdogan noch lange nicht“, heißt es. Auch die Aussage, dass RWE und Eon nach der Neusortierung ihre Monopolstellungen festigen, ist nicht falsch. Weiterhin ist die DKP auf der Suche nach der Arbeiterklasse, in der sie die Verankerung stärken will.
Eines muss man den Altkommunisten lassen. Sie interessieren sich für die Geschichte, im Fall der aktuellen Ausgabe mit dem vor 80 Jahren in der Sowjetunion stattgefundenen roten Terror der stalinschen „Säuberungen“. Obwohl an manchen Stellen sehr gesellschaftstheoretisch und mit einem Hauch an Verständnis umweht, kommen sogar schauerliche Opferzahlen, sortiert nach gesellschaftlichen Schichten, zur Sprache. Gruselig konkret.
Im Gegensatz dazu geht den Grünen jede historische Selbstkritik ab. Grüner Mythos erscheint stets unreflektiert trotz Gewalttoleranz, Pädophilie, Kriegs- und Hartz-IV-Politik in der Parteigeschichte. Le Monde diplomatique, verbündet und geistesverwandt mit der taz, bewirbt ein Buch des verhinderten Berliner Staatssekretärs, praktizierenden Stadtsoziologen und Gentrifizierungsgegners, ehemaligen Hausbesetzers und Terrorverdächtigen Andrej Holm, der sich seinen DDR-sozialisierten festen Klassenstandpunkt über die Wende gerettet hat.
Einfacher gestrickt, aber unbeirrbar revolutionär kommt die Junge Welt daher. Im Visier der neue Finanzminister Scholz, der „als Juso angeblich den Kapitalismus überwinden wollte“. Politische Lernfähigkeit wird im Kampfblatt nicht honoriert.
„Eine Bewerbung der Stadt (Hamburg) für die Olympischen Sommerspiele wurde 2015 per Volksentscheid abgeschmettert. Zur Strafe holte Scholz die „G20“-Polizeifestspiele an die Elbe – mit den Disziplinen Knüppeln, Einkesseln und Wasserwurf.“ So einfach kann man die Welt erklären.
Wer denkt, weiter links geht nicht, sieht bei graswurzelrevolution, dass es doch geht. „Der Pestgeruch des Faschismus zieht durchs Land und durch das Reichstagsgebäude“, heißt es in einer Ausgabe vom Oktober 17. Viel wird über anarchistische Projekte gesprochen, oft mit dem Verweis auf Gewaltlosigkeit, die in diesen Kreisen nicht selbstverständlich und wohl auch nicht so gemeint ist, wenn man die Berichterstattung zur „Rote-Linie-Aktion“ am Hambacher Forst liest. Hier brütet das geistige Hinterland der gewalttätigen Aktionen mangels Castor-Transporten gegen die Braunkohle in Eintracht von Kapitalismus- und Klimaschutz. Ein internes Problem gibt es noch und wird diskutiert: Der Frauenanteil ist zu gering.
Was bleibt als Erkenntnis? Die dauerprogressiven linkspopulistischen Elemente unserer Gesellschaft stagnieren weiter so vor sich hin.
Der Tag geht zur Neige, draußen wächst die Schneedecke. Höchste Zeit für den Rückweg. Aus der Halle der Manga-Comic-Con kommt ein Yedi-Ritter samt Lichtschwert und kreuzt unseren Weg. Die Realität hat uns wieder.