Saskia Esken und Omid Nouripour: Minister sind sie nicht, für die Regierung sprechen sie nicht. Aber dennoch werden sie vorgeschoben, um in dieser Ausgabe des Anne-Will-Talks die Migrationspolitik der Ampel zu verteidigen. Es geht um den neuen „Asylkompromiss“ der EU, der die illegale Migration verringern soll. Sie tun sich schwer damit, aber warum eigentlich? An der Situation wird sich nichts ändern.
Doch der Reihe nach. Anne Will hatte an diesem Abend zur Diskussion mit dem Titel „Härtere Regeln, schnellere Verfahren – Was ändert Europas neue Asylpolitik?“ eingeladen. Es wurde am Ende eine Politikerrunde: Die meiste Sendezeit nahmen Saskia Esken (SPD), Omid Nouripour (B90/ Die Grünen) und Jens Spahn (CDU) ein. Doch die zwei anderen Gäste, die für ihre fachliche Expertise eingeladen waren, trugen viel zur Sendung bei.
Es ist die bittere Wahrheit: Menschen, viele Menschen, sterben und leiden auf dem Weg in ein Europa, das sie nicht aufnehmen will. Vergewaltigung, Raub und Sklaverei sind nur die menschengemachten Gefahren, die auf dem Weg warten. Es gibt einen Grund, warum es junge Männer sind, die sich auf den Weg machen und ihn bis zum Ende gehen. Sie werden angelockt von einem System der Verlockung, von „Pull-Faktoren“, die es nach grüner Sicht nicht gibt.
Worum geht es im neuen Asylverfahren der EU? Verkürzt gesagt, wird Migranten mit einer geringen Anerkennungsquote die Einreise nach Europa schon an der Grenze untersagt. Sie können aber weiterhin Asyl beantragen – an der Grenze, von wo aus man sie nach einer Ablehnung gar nicht erst abschieben muss. Die EU-Staaten werden verpflichtet, Kontingente dieser Migranten aufzunehmen, wenn ihr Asylersuchen anerkannt wird. Aber das entscheidende Detail ist die „geringe Bleibeperspektive“. Personen, bei denen davon auszugehen ist, dass ihnen Asyl gewährt wird, können weiterhin einreisen und einen Asylantrag stellen. Nur Leute aus Ländern wie Georgien und Tunesien werden an der Einreise gehindert, denn weniger als 20 Prozent ihrer Asylersuche haben Erfolg. Weiterhin dürfen unbegleitete Jugendliche auch aus diesen Ländern einreisen. Auch wenn in der Vergangenheit ein „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ oft ein Erwachsener war.
Am bisherigen Problem, dass ein Grenzschutz praktisch nicht existiert und sich Migranten auf dem Mittelmeer in tödliche Gefahr begeben, ändert sich also nichts. Aber auch das wollen Esken und Nouripour nicht stolz verkünden. Denn damit würden sich die Parteien wieder als Nichtstuer blamieren.
Jens Spahn hat immerhin verstanden, dass Migration eines der entscheidenden Themen für die Wähler ist. Er versucht den Spagat, keines der Lager beim Thema Migration gegen sich aufzubringen. Es klappt nur halb. Denn Spahn will die illegale Migration abschaffen – und ersetzen durch eine gesteuerte Migration von Kontingentsflüchtlingen. Also ausgewählte Asylanten, die nach Deutschland übersiedelt werden. „Hunderttausende“ sollten es seiner Meinung nach sein. Damit sind seine harte Fragen an Nouripour und Esken auch entwertet: „Wo ist die Grenze des Machbaren?“ Des Machbaren für Integration, Bildung und Arbeit, wollte Spahn wissen. Esken sucht die Flucht nach vorn: Es seien doch auch dringend benötigte Fachkräfte, die da ohne Asylgrund kämen.
Es ändert sich also nichts an der deutschen Migrationspolitik. Die osteuropäischen Länder werden nun unter Androhung einer Geldstrafe verpflichtet, ein paar Asylanten anzunehmen. Aber es werden weiter alle kommen können, in Deutschland Asyl beantragen und bleiben, auch wenn sie kein Asyl kriegen.
Eine Lösung gegen Grillmeiers „Gürtel der Gewalt“ kann nur Koopmans präsentieren: Eine harte Mittelmeergrenze würde den Anreiz reduzieren, sich auf die lebensgefährliche Reise zu begeben. Die „Pull-Faktoren“ müssten beseitigt werden. Das Sterben würde weniger werden, im Meer und in der Wüste. Doch SPD und Grüne werden das zu verhindern wissen, im kurzsichtigen Versuch, jeden aufzunehmen, der kommt. Und so sterben Menschen weiter, weil die moralisch sich überlegen Fühlenden die Realität nicht anerkennen.