Tichys Einblick
Unabhängigkeit der "Vierten Gewalt"

Wer ist Journalistin Nummer 73?

Eine ARD-Journalistin erhält in fünf Jahren allein 16 Aufträge in den Bundesministerien. Die Bundesregierung wahrt ihre Anonymität. Aber geht es hier noch um eine einzelne Journalistin oder nicht eher um die Deckung eines ganzen Systems?

Symbolbild

IMAGO / Pius Koller

Sie ist Journalistin, arbeitet für die ARD, den NDR, mal für „Diverse“, mal für unbekannt, und übernahm Aufträge für das Arbeits-, Ernährungs-, und Bildungsministerium. Insgesamt 16 Aufträge bekam „Journalist 73“ zwischen 2018 und 2023. Dass es sich um eine Frau handelt, wissen wir nur, weil sie einmal als „freie Journalistin“ ausgewiesen wird. Und das, obwohl sie doch noch am 25. November 2022 eine Veranstaltung im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) moderierte – und sie dort als ARD-Journalistin vermerkt wird.

46 Aufträge erteilte das BMBF in diesen Jahren, für die es insgesamt 200.000 Euro bezahlte. Macht Durchschnittsausgaben von rund 4.300 Euro pro Auftrag. Journalistin 73 bekam allein 8 dieser Aufträge. Offenbar war man im Ministerium mit ihrer Arbeit zufrieden. Das ist kein Skandal als solcher. Gute Arbeit gehört honoriert. Und es gibt andere Persönlichkeiten auf der Liste der Bundesregierung, die auf AfD-Nachfrage veröffentlicht wurde, die häufiger oder kontinuierlicher entlohnt wurden.

Anfrage enthüllt:
1,5 Millionen Euro für Journalisten auf der staatlichen Lohnliste
Allein: Wenn jemand eine solche Tuchfühlung von Staat und Journalismus zulässt, aber andererseits für Institutionen arbeitet, die sich als Stützen von Staatsferne und Demokratie gerieren, sind Fragen angebracht. Die betreffen Journalistin 73 nicht nur persönlich. Sie betreffen auch die jeweiligen Sender, die solche Vernetzungen zulassen; und die Ministerien, die das öffentlich-rechtliche Repertoire an journalistischen Kräften als Bedientheke empfinden.

Der Fall der Journalistin 73 ist deswegen exemplarisch und nur die Eisbergspitze. Denn die meisten öffentlich-rechtlichen Journalisten sind dafür bekannt, nur ein- bis zweimal für die Ministerien zu arbeiten. Das allein wäre ebenfalls kein Skandal. Es ist aber neuerlich problematisch, wenn das nicht bei zehn Journalisten der Fall ist, sondern wenn es hundert betrifft. Dann wird aus Einzelfällen ein System.

Journalistin 73 wird geschützt. Wie ihre Kollegen. Die Bundesregierung hat – so antwortet sie in ihrem Schreiben an die AfD – die Grundrechte Dritter zu wahren. Dritter, die sie allerdings eingestellt hat. Und: „Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist hier nicht erforderlich, um das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung zu befriedigen.“

Ist das wirklich so? Es gibt den Fall einer Moderatorin, die sechzehnmal von der Bundesregierung verpflichtet wurde. Schützt die Regierung hier noch die Moderatorin – oder schützt sie sich nicht vor allem selbst, um ihr Fehlverhalten zu verheimlichen, weil sie selbst ein Netzwerk knüpft, dass auch ihr verboten sein sollte? Zu diesem Gemauschel gehören zwei, und es wäre in der Tat kurzsichtig, nur die Journalisten, und nicht etwa den Staat als Verführer und damit als Initiator eines Systems zu verstehen.

An der Antwort darauf, wer Journalistin 73 ist – es könnte auch jede andere Nummer sein –, hängen demnach eine Vielzahl weiterer Fragen. Nämlich, ob die staatliche Entlohnung die Unabhängigkeit der Vierten Gewalt gewährleistet. Die Bundesregierung behauptet: ja. Wenn aber eine Moderatorin zehn- bis fünfzehnmal auf Staatskosten versorgt wird, dann ist es höchst fraglich, ob eine solche Behauptung noch Bestand hat.

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