Tichys Einblick
Journalistischer Offenbarungseid

ARD-Tagesschau blamiert sich bis auf die Knochen

Maxwell Chikumbutso erfindet Fernseher, der Strom produziert, meldet die Tagesschau. Die Erfindung setze sich nicht durch, weil sie aus Afrika stammt, ordnet die Tagesschau ein – das alles ist Betrug, sagt die Realität.

ARD /Screenshot

Jana Genth ist ganz begeistert: „Klingt wie ein Teil der Lösung für die #Energiekrise“, schreibt sie auf Twitter zu einem Beitrag, den sie selbst verfasst hat. Sie ist die „ARD-Korrespondentin für das Südliche Afrika“. Nun berichtet sie von der Erfindung eines Fernsehers, der Strom produziert. Selbst wenn er ausgeschaltet ist. Und der diesen Strom an andere Geräte weitergeben kann. Sein Erfinder ist Maxwell Chikumbutso.

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Die Tagesschau übernimmt die Geschichte der Korrespondentin. Auf der eigenen Internetseite und über den eigenen Twitter-Account verbreitet sie die Sensation. Auch die Deutsche Welle übernimmt sie. Genth ordnet diese Sensation für ihre Zuschauer ein: „Die Erfindung könnte Schule machen, aber für die Innovationen aus dem südlichen Afrika gibt es wenig Aufmerksamkeit.“ Die europäischen, amerikanischen und asiatischen Konzerne sind alles Post-Kolonialisten, die Afrika nicht hochkommen lassen – deutet Genth das Geschehen für den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenempfänger.
Deutsche Welle / Screenshot

Vielleicht nutzen diese Konzerne aber auch eine Erfindung namens Google. Dort findet man auf Anhieb Geschichten über Maxwell Chikumbutso. Die erzählen von einem Auto, das er erfunden hat – und das ebenfalls Strom produziert. Angelsächsische Faktenchecker haben aber herausgefunden: Die Story stimmte nicht.

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Bis zu der Stelle ist die Geschichte peinlich für die Tagesschau: Sie verbreitet eine Story, die, wenn sie wahr wäre, eine Weltsensation wäre. Doch offensichtlich hat die Autorin nicht mal den Namen ihres Gesprächspartners gegoogelt. Dann gibt ihr dieser Gesprächspartner Referenzen mit. Doch erst als Genth die Geschichte um die Ohren fliegt, räumt sie ein, dass sie versucht habe, die amerikanischen Wissenschaftler zu kontaktieren, was aber gescheitert sei. Eine Information, die ein Journalist exakt und ausdrücklich darstellen muss, wenn es um eine so gewagte These geht. Auch auf wissenschaftliche Plausibilität hat diese Geschichte offenbar kein Fachmann überprüft. Obendrein schießen Tagesschau und Deutsche Welle mal wieder aus der Hüfte den Rassismus-Vorwurf ab.

So weit so schlimm. Übler geht es wohl nicht? Doch. Die Tagesschau löscht um 21.23 Uhr den Tweet zum stromerzeugenden Fernseher. Auch aus dem Internetangebot verschwindet der Beitrag. Aber alles stillschweigend. Was ist mit den Zwangsbeitragszahlern, die das Wunder vom Strom produzierenden Fernseher gelesen haben? Die der ARD glauben? Von der ARD erfahren sie nicht, dass die ARD Unsinn verbreitet hat.

„Der ÖRR ist eine Verfassungsinstitution für die gesamte Gesellschaft – der ÖRR ist ein Bollwerk der Demokratie – der ÖRR hat eine Kontrollfunktion – gerade darum braucht es ein unbestechliches, allein den Werten unserer Verfassung verpflichtetes Forum für seriöse Nachrichten.“ Das ist das Selbstbild der ARD. So beschreibt es Monitor-Chef Georg Restle auf Twitter. Und wie geht dieses Bollwerk mit seiner Kontrollfunktion um? Es verbreitet eine peinliche Falschmeldung und dann überlässt es die ARD privaten Medien, ARD-Zuschauer aufzuklären, dass ihnen die ARD Unsinn erzählt hat. An der nicht besetzten Redaktion kann es nicht liegen. Noch nach 22.30 Uhr meldet die das Unentschieden von Mainz 05 und Hertha BSC Berlin in der Fußball-Bundesliga.

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Zwar versieht die Tagesschau den Beitrag mit dem Hinweis, dass sie viele kritische Reaktionen auf den Artikel erhalten habe und ihn prüfen wolle. Doch in dem Moment, in dem sie den Beitrag löscht, ist halt auch dieser Hinweis verschwunden. Wer sich nur über die Tagesschau informiert und nicht über private Medien, bekommt ab hier nicht mehr mit, wie die Geschichte weitergeht. Der für die Tagesschau zuständige NDR überlässt es der Bild zu melden, dass der Beitrag vom Netz genommen und von der Autorin überprüft wird. Aufforderungen von Twitter-Nutzern, sich zu dem Vorfall zu äußern, ignoriert sie. Im Netz lässt die Tagesschau ihre Geschichte auf unbestimmte Zeit unwidersprochen im Raum stehen.

Fehler können in journalistischen Beiträgen immer passieren: Vom kleinen Tippfehler, bei dem aus Versehen ein „r“ statt einem „e“ getippt wird, über Zahlendreher, bis hin zu Falschinformationen, denen ein Journalist aufgesessen ist. In guten Redaktionen gibt es Kontrollinstanzen, die das prüfen – die gab es schon lange vor den „Faktenfindern“. Und trotzdem kann immer wieder Mal etwas Falsches durchrutschen. Genau dafür gibt es die Berichtigung oder in schlimmeren Fällen die Gegendarstellung: Ein Medium, das sich ernst nimmt, korrigiert seine Fehler – selbst – und geht nicht stillschweigend darüber hinweg. Schon gar nicht, wenn es ein Bollwerk mit Kontrollfunktion sein will.

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