Tichys Einblick
Jahreszeitgemäß

ARD-Sommerinterview – Blume ohne Dorn für Robert Habecks Zorn

Es steht ja wirklich an jeder Wand – neue Männer braucht das Land! Tina Hassel wenigstens hat den Richtigen für sich gefunden und stellt ihn uns vor. Dabei wollen wir den gar nicht kennenlernen.

Screenprint: ARD

Was ist ein Sommerinterview? Blöde Frage, werden Sie sagen, ein Interview, das im Sommer geführt wird. Und warum gibt es kein Winterinterview? Warum keine Frühlingsgespräche oder Herbstrunden? Wahrscheinlich gibt es Sommerinterviews als Antwort auf das Sommerloch, als das in früheren, glücklicheren Jahren jene medial ereignislose Zeit bezeichnet wurde, in der die Politik den Deutschen mal gepflegt gern haben konnte, weil er, Dublin hin, Grenzkontrollen her, seinen „armen“ aber immerhin sonnenreichen Nachbarn im Süden einen längeren Besuch abstattete.

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Das bedeutet allerdings, dass ein Sommerinterview sehr behutsam geführt werden muss, um die entspannte Stimmung, die auch bei den Daheimgebliebenen im Sonnenschein vorherrschend ist, nicht zu sehr zu strapazieren. Die ARD hatte daher das Gespräch mit Herrn Habeck aus Schleswig-Holstein von trendigen roten Sofas auf einer hölzernen Plattform im Freien – und ohne technische Probleme! – übertragen. Im Hintergrund plätscherte gelangweilt die Berliner Spree mit ein paar vorbeiziehenden Ausflugsbooten durchs Bild. Die Botschaft sommerlich klar: Probleme? Jetzt? Hier? Wir? Tina Hassel sorgte denn auch dafür, dass sich der Gast so behaglich behandelt fühlen konnte wie Angela Merkel bei Anne Will.

Natürlich hatte Tina auch einen politischen Auftrag, schließlich arbeitet sie ja bei der ARD. Der Herr Habeck hat nämlich ein Problem – eigentlich hat er mehrere, aber eins, bei dem der Staatsfunk behilflich sein kann. Denn 61% der Deutschen kennen den Robert gar nicht, obwohl er sein Ministeramt in … äh … Dings aufgegeben hat, um mit der Annalena, aber das wissen Sie ja längst selber, schließlich gehören Sie zu den 39%.

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Nun hatte der Robert in der letzten Woche bei Maybrit Illner ein wenig die Contenance verloren, als hätte das Testosteron überraschend die Kontrolle über ihn gewonnen. Jedenfalls krakeelte er die nette CSU-Ministerin Dorothee Bär zusammen, als sei er der Hofreiter im Bundestag. Dieser Auftritt sei „in dem Sinne nicht einladend“ für die Wähler gewesen, räumte der reuegeübte Grüne sofort ein, aber der Horst Seehofer hätte doch viel Schlimmeres zu Frau Merkel gesagt.

Dann wiederholte er im Björn Engholm-Singsang (Ältere erinnern sich noch an den lauen Krabbenpuler der SPD) den selben Blödsinn aus der Illner-Sendung. Der Regierungspartei CSU ging es um die Destabilisierung der Regierung. Die CSU wolle eine andere Politik herbeiführen. Was denn, fragte Tina scheu. „Eine autoritäre Richtung mit konservativer, in Ungarn sagt man dazu illiberaler Politik.“ Die CSU verfolgt eine „antieuropäische, nationale, nationalistische Politik.“ Jetzt hätte Tina daran erinnern können, dass CSU-Finanzminister Waigel den Euro vermasselte, dass Edmund Stoiber bis vor kurzem noch immer ein Europa-Büro unterhielt, aber das wusste sie leider nicht.

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Die Grünen, Freude der ARD. Oder ARD, Pressestelle der Grünen?
Deshalb durfte Habeck weiter von der CSU als Putschpartei („Sie werden weiter versuchen Merkel zu stürzen“) phantasieren, und dass er und seine Glaubensschwestern zur Rettung bereitstehen. „Wir alle sind gefragt, uns Machtkonstellationen ohne die CSU zu überlegen“, durfte er aufrufen, die begeisterte Tina vergaß sogar einschränkend hinzuzufügen „Wir alle, außer der AfD!“ Leider, da macht sich der Robert dann keine Illusionen, müsse die Union „gucken, wie viel Kraft sie noch haben“ gegen die Neokonservativen von der CSU. Und Kraft hätten die wohl nicht mehr viel.

Schade, dass Tina nicht weiß, wer oder was die „Neokonservativen“ sind (selbst Merkel und der grüne Parteifreund Joseph Fischer müssen eigentlich dazugezählt werden). Einmal wollte sie dann aber auch etwas kritisch anmerken – 42% der Grünen-Wähler finden die Transitzentren richtig – und schon merkte man, wie der Robert mächtig ins Schwimmen kam. Mit der Forderung vom Horst, die anderswo Registrierten dort die Verfahren beenden zu lassen, „damit hat niemand bei den Grünen ein Problem“. Im Gegenteil, „nur drei Übergänge statt 80“ zu kontrollieren mache keinen Sinn.

Grenzöffnung 2015
Brandstifter gerieren sich als Feuerwehrmänner
Und was passiert, wenn Italien, oder wer auch immer, die „Flüchtlinge“ nicht zurücknehmen? Da hätte die CSU keine Antwort. Er aber auch nicht. Dafür flüchtete er sich in einen Drei-Säulen-Plan, der alle Probleme löse: Erstens ein Einwanderungsgesetz, zweitens „humanitäre Visa und Resettlementprogramme (beides würde die Einwanderung deutlich forcieren!) … Seine Konstruktion musste dann mit den zwei Säulen auskommen, stattdessen wusste er zu melden, „die Asylwege gehen weiter“, weil „Afrika sich verdoppelt“. Soll das heißen, die sind „alle“ willkommen, wie Claudia Roth im Bundestag verkündete? Wir wissen es nicht, weil Tina nicht fragte.

Stattdessen zeigte Habeck ganz deutlich auf, dass er die Probleme durchaus kennt, und wie Grüne damit umzugehen gedenken: „Große Anstrengen“ und „Zumutungen“ kommen auf uns zu, das sei „völlig unstrittig“. Und die müssen wir „in den nächsten Jahrzehnten lösen“, nebenbei „müssen“ wir noch die „afrikanischen Staaten selbst in Prosperität versetzen“. Hat Tina Hassel denn nicht zugehört? In den nächsten Jahrzehnten? Plus Afrika in Prosperität versetzen? Der Mann musste sich nicht einmal verstellen bei der sogenannten Journalistin.

Ach du mein Mainstream du
Oden an Robert - Wenn der Mainstream tanzt
Auch als er von der bei Jamaica vereinbarten „Obergrenze“ sprach, wurde daraus im Nachhinein eine „Richtlinie“, und wenn mehr als 200.000 kommen, „muss man halt einen Nachtragshaushalt machen“. Eigentlich hätten sich die Holzbalken des Fundaments biegen müssen!

Nun wurde Tina das ganze dann doch zu politisch. Der Robert solle doch mal was Persönliches sagen. Zum Beispiel, wie mutig er gewesen sei, sein Ministeramt mit Rentenanspruch für den halben Parteivorsitz abzugeben. Ach, Tina, die Welt braucht ihn halt! Die Welt, Europa und Deutschland. Deutschland, richtig gehört. Habeck geht jetzt auf Deutschland-soll-mich-kennenlernen-Reise mit dem Titel „Des Glückes Unterpfand“. Das kann er doch nicht den Nationalisten überlassen, das Lied.

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