Erinnerungen an die DDR ’89: plumpe ARD-Propaganda gegen Bauernproteste
Redaktion
Die Öffentlich-Rechtlichen agitieren aus allen Rohren gegen die Bauerndemonstrationen – mit Gerüchten und Beschimpfungen. Eine Linksaußen-Journalistin wird flott als „Extremismusforscherin“ gelabelt.
Landesweit protestieren die Landwirte, und das nicht nur gegen die – inzwischen nur teilweise zurückgenommenen – Belastungsmaßnahmen der Ampel-Koalition, sondern gegen die generelle Verachtung, die ihnen von Regierungsvertretern entgegenschlägt, hauptsächlich von grünen Politikern. Denn die unterstellen Bauern gern pauschal Rückständigkeit und mangelndes Klimabewusstsein. Neben der höheren Belastung von Agrardiesel, die jetzt nicht auf einmal, sondern stufenweise kommen soll, sieht die grüne Transformation auf dem Land außerdem die Wiedervernässung von Mooren vor, was die landwirtschaftliche Nutzfläche weiter reduziert. Außerdem gehört die Verringerung des Viehbestandes zu den Lieblingsvorstellungen der Partei von Vizekanzler Robert Habeck.
Gegen diese Proteste auf der Straße mobilisiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk Seite an Seite mit den Regierungspolitikern in einer plumpen Weise, die an die DDR-Medien im Herbst 1989 erinnert. Ein entsprechendes Déjà-vu-Erlebnis dürften ältere Ostdeutsche jedenfalls bei dem ARD-Kommentar von Werner Eckert (SWR) gehabt haben. Im Stil der Aktuellen Kamera“ verkündete der Redakteur, die Bauern würden neben „Wut“ und „Hass“ auch „allgemeine Staatsfeindlichkeit vor sich hertragen“.
Dass die Regierung nicht identisch mit dem Staat ist, musste dem Kommentator offenbar entgangen sein. Seine Diktion erinnert an den berühmten Artikel „Staatsfeindlichkeit nicht länger dulden“ in dem damaligen SED-Zentralorgan „Leipziger Volkszeitung“ am 6. Oktober 1989, wenige Tage vor der historischen Montagsdemonstration drei Tage später.
In einer ganz ähnlichen Weise trat der RBB-Redakteur Olaf Sundermeyer beim WDR vor die Kamera. Sundermeyer, der Journalistik in Havanna studierte, dozierte, die Bauernproteste verfolgten das Ziel, „für Instabilität und Unruhe in der Bevölkerung zu sorgen“. Irgendeinen Beleg dafür, dass tatsächlich wegen der Bauerndemonstrationen und nicht etwa aufgrund der Ampelpolitik allgemeine Unruhe im Land herrscht, führte er nicht an.
Eine besondere agitatorische Glanzleistung lieferten die ARD-Tagesthemen: Sie interviewten die freie Journalistin Andrea Röpke, die sich seit Jahren monothematisch mit Rechtsradikalismus befasst – beziehungsweise dem, was sie dafür hält. Röpke behauptet in ihrem Tagesthemen-Gespräch, hinter den Protesten gegen Robert Habeck in Schlüttsiel und den Bauerndemonstrationen überhaupt stecke eine „prorussische“ Gruppe, die „versucht, Stimmung gegen die Demokratie zu führen“.
Belege? Keine. Nachfragen: auch keine.
Dafür bezeichnet die Redaktion Röpke als „Extremismusforscherin“. In ihrer Biografie findet sich allerdings nicht der geringste Hinweis, dass sie jemals wissenschaftlich tätig war. Dafür aber ein anderer Punkt, den die ARD-Zuschauer wiederum nicht erfahren: Laut Wikipedia-Eintrag gehört Röpke der Vereinigung VVN-BdA („Verein der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten“) an, die sogar der Verfassungsschutz als linksextrem einschätzt.
Beim SWR kamen Redakteure auf eine Idee, die auch schon DDR-Journalisten hatten, als sie damals Bekenntnisse staatstreuer Werktätiger abdruckten. Der ARD-Sender jedenfalls interviewte den Bio-Bauern Ansgar Luzius als vorbildlichen und zufriedenen Landwirt, der nicht protestiert. Abgesehen vom Nachrichtenwert des Beitrags: ‚Bauer demonstriert nicht‘ stellte sich nach Recherchen der Gruppe „ÖRR-Blog“ heraus: Bei dem Musterbauer handelt es sich um den Bruder der SWR-Reporterin Elisa Luzius.
Mit einer kongenialen Zusammenfassung dieser Medienbeiträge ging Robert Habeck wiederum per Videobotschaft an die Öffentlichkeit. Darin beklagt er mit Blick auf die Proteste: „Es gibt Aufrufe zu Umsturzphantasien“ – wie immer man sich Aufrufe zu Phantasien vorstellen muss.
Und weiter: „Extreme Gruppen formieren sich“; der Protest werde „entgrenzt“. Etwas älteren Westdeutschen könnte hier ein Vergleich mit Demonstrationen in Wackersdorf und gegen die Startbahn West einfallen, die nicht so friedlich verliefen wie die Demonstrationen der Landwirte. In seiner Ansprache versuchte Habeck außerdem, von den Maßnahmen seiner Regierung ab- und auf andere Schuldige hinzulenken. Die Landwirte, konzedierte er, würden unter einem großen wirtschaftlichen Druck arbeiten, „weil die Preise nicht von ihnen gemacht werden“. Dass kein Unternehmer die Preise für seine Erzeugnisse selbst festlegen kann, hat sich offenbar noch nicht zum Wirtschaftsminister herumgesprochen.
Habeck musste an dieser Stelle selbst gemerkt haben, wie unlogisch es wirkt, wenn die Ampel eine Branche, die schon unter dem beschriebenen Druck steht, noch zusätzlich belastet. Aber auch dafür präsentiert er Verantwortliche: die Unionspolitiker. Die hätten schließlich in Karlsruhe geklagt „mit dem Ziel, dass Milliarden eingespart werden“. Das ist faktisch falsch: Die Klage richtete sich gegen die Verfassungswidrigkeit des Haushalts. Die Entscheidung, den Landwirten mehr Lasten aufzubürden, um die Löcher ihrer verfassungswidrigen Finanzplanung zu stopfen, traf die Koalition ganz allein.
Der grüne Kommunalpolitiker Kai Nielsen gehört in diesen Tagen zu den raren Stimmen, die der eigenen Partei raten, sich nicht als Opfer eines herbeiphantasierten Umsturzes zu inszenieren.
Er erinnert auf X an die gewaltsamen Demonstrationen in der Frühgeschichte der Bewegung: „Wir Grünen sind übrigens sehr gut beraten, uns bei der Kritik an den Bauernprotesten zurückzuhalten.“
Ins öffentlich-rechtliche Fernsehen kam Nielsen mit dieser Sichtweise bisher nicht.
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