„Es mag gut sein, Macht zu besitzen, die auf Gewehren ruht. Besser aber und beglückender ist es, das Herz eines Volkes zu gewinnen und es auch zu behalten.“
(Joseph Goebbels – Rede auf dem Reichsparteitag in Nürnberg, 1934)
Prolog
Nein, es ist kein Eintrag ins Poesiealbum der ARD-Intendanten.
„Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“ ist tatsächlich der Titel des vertraulichen, 89 Seiten langen Sprechzettels, mit dem Führungskräfte fit gemacht werden sollen für die schwierige und anstrengende Diskussion mit der deutschen Öffentlichkeit über Sinn und Unsinn des real existierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Diese Diskussion wird objektiv schärfer, die „Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands“ steht unter Rechtfertigungsdruck. Grob sechs Milliarden Euro nimmt die ARD jährlich aus der in „Rundfunkbeitrag“ umbenannten Zwangsgebühr ein. Weltweit ist kein öffentliches Rundfunkangebot auch nur annähernd so teuer. Die Beitragenden (oder Leidtragenden, je nach Sichtweise) fragen sich schon länger und erkennbar immer intensiver, wozu sie da eigentlich zwangsweise beitragen – und warum.
Es ist also nicht abwegig, dass die ARD sich Gedanken über ihr Außenbild und ihre Selbstdarstellung macht (obwohl Gedanken über ihren Programmauftrag und dessen bürgernahe Umsetzung vielleicht hilfreicher wären). Auch, dass man sich zur Bereicherung der eigenen Gedanken Impulse von außen holt, ist auf den ersten Blick nicht kritikwürdig.
Auf den zweiten allerdings schon. Denn die große, reiche ARD in ihrer unendlichen Weisheit – und mit all ihren Ressourcen für Recherche – hielt es für richtig, ausgerechnet das „Berkeley International Framing Institute“ mit der Bereicherung der eigenen Gedanken zu beauftragen.
Und da fangen die Probleme an.
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„Framing bedeutet, einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für den beschriebenen Gegenstand gefördert wird.“
(Robert Entman – Framing: Towards a Clarification of a Fractured Paradigm, 1993)
Beim „Framing“ gibt man einen sprachlichen Rahmen (englisch „frame“) so vor, dass man eine Diskussion über ein strittiges Thema in die eigene, gewünschte Richtung lenken kann. Man formuliert eine Sache also ganz gezielt so, dass der Diskussionsgegner einem auf den Leim geht.
Oder anders: Man manipuliert den Gesprächspartner.
In der US-Politik – oh, welch‘ Überraschung – wird die Technik schon lange und gerne genutzt. Teil der diesbezüglichen Beratungsindustrie ist – oh, neue Überraschung – genau das „Institut“, das der ARD jetzt das Strategiepapier geliefert hat.
Framing ist sowohl als wissenschaftlicher Ansatz als auch als Kommunikationstechnik hochumstritten. Es gibt Stimmen, die darin schlicht eine Gebrauchsanleitung zur Gehirnwäsche sehen.
Das mag so sein oder auch nicht. Jedenfalls ist es einigermaßen verstörend, dass die ARD sich offenbar nicht mehr anders zu helfen weiß, als in solchen Grauzonen nach Argumenten für ihre Selbstrechtfertigung zu suchen.
„Somit enthalten die Frames in Medientexten immer eine Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und Handlungsempfehlung.“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Framing_(Kommunikationswissenschaft)
Nun denn.
„Problemdefinition“
„Und dann beim dritten, vierten, fünften Mal ergeben sich Einschleif-Prozesse im Gehirn und ein Wiedererkennungseffekt – egal, ob die Sache wahrhaft ist oder eine Lüge. Und dann sagt das Gehirn irgendwann: ‚Ist mir viel zu anstrengend, das ist für mich jetzt eine Wahrheit.‘“
(Elisabeth Wehling – „Sprache und Ressentiment hängen zusammen“:
NDR zapp, 06.12.2018)
Problem 1:
Die ARD greift auf eine Kommunikationstechnik zurück, die ausdrücklich auf Fakten sowie auf die Unterscheidung von „falsch“ und „wahr“ verzichtet.
„Denken und sprechen Sie nicht primär in Form von Faktenlisten und einzelnen Details“, empfiehlt das Strategiepapier. „Denken und sprechen Sie zunächst immer über die moralischen Prämissen.“ Denn Menschen fühlten sich immer dann angesprochen, wenn es „ums Prinzip geht“.
Problem 2:
Die ARD bezahlt eine privatwirtschaftliche Einrichtung dafür, Tipps und Tricks zusammenzutragen, wie Skeptiker rein psychologisch so manipuliert werden können, dass sie nicht mehr so skeptisch sind.
„Ursachenzuschreibung“
Das „Institut“ wurde von Elisabeth Wehling gegründet. Die 38-jährige gebürtige Hamburgerin hat ein Buch über „Political Framing“ geschrieben, gilt seitdem als Expertin und macht auf Kongressen (re:publica) sowie in Talkshows („Hart aber fair“, ARD) fleißig Werbung für sich, ihr Buch und ihr Business. Die akademische Welt sieht ihre Position überwiegend kritisch: Studien haben ihre Behauptungen zuletzt widerlegt (vgl..Jedidiah Siey, Shelby E. Zuckerman, Joseph J Siey: „The Relationship Between Immorality and Cleansing“ in: Social Psychology, Band 49, Nr. 5, September 2018). Frau Wehling ist auf der Suche nach Begriffen, die etwa „Abgabenbelastung“ ersetzen, damit Steuer- und Gebührenerhöhungen freundlicher klingen und gerne bezahlt werden. „Zellhaufen“ soll Embryo ersetzen, um Abtreibung netter erscheinen zu lassen und damit zu befördern.
Wehling hat sich im Studium nach eigenen Angaben auf „Propaganda im Dritten Reich“ spezialisiert.
Oh, welch‘ Überraschung. Goebbels jetzt gebührenfinanziert?
„Moralische Bewertung“
„Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und privater Rundfunk sind der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet. Beide Rundfunksysteme müssen in der Lage sein, den Anforderungen des nationalen und des internationalen Wettbewerbs zu entsprechen.“
(Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien, Präambel)
Der mündige Bürger, dessen freier und individueller Meinungsbildung die ARD also gesetzlich verpflichtet ist, soll von ebendieser ARD jenseits von Fakten und Wahrhaftigkeit ausschließlich mithilfe von umstrittenen psychologischen Manipulationen für die Sache der ARD gewonnen werden.
Und für diese Manipulation soll er auch noch selbst zahlen: Denn das Strategiepapier wird natürlich von den jährlichen sechs Milliarden Euro Zwangsgebühren – Verzeihung, negatives Framing – finanziert.
Wie viel genau Frau Wehling und ihr „Institut“ für die Anleitung zur Gebührenzahlermanipulation eingestrichen haben, verschweigt die ARD übrigens beharrlich.
„Handlungsempfehlung“
Vielleicht kann hier der Rechnungshof helfen?
Vielleicht kann die ARD das Papier mit einem öffentlichen Ausdruck des Bedauerns zurückziehen und versichern, dass es niemals umgesetzt wird?
Und vielleicht können die für die Beauftragung Verantwortlichen gefeuert werden?
Epilog
Elisabeth Wehling hat es nicht nur in Talkshows der ARD geschafft, sondern auch in die Jury des „Deutschen Reporterpreises“.
Wir wissen nicht, ob sie da Claas Relotius getroffen hat (das ist der Schelm, der beim „Spiegel“ Texte im Dutzend frei erfinden durfte und dafür mehrfach den Reporterpreis bekam).
Aber es wäre ein grandioser Frame.