Israel hat seine angekündigte Bodenoffensive noch nicht begonnen. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, betont Anne Will in ihrer Sendung. Der Sprecher des israelischen Militärs, Arye Sharuz Shalicar, stellt klar, warum sie die Bodenoffensive vertagt haben: „Hauptgrund“ sei, dass sich noch immer viele palästinensische Zivilisten im Gaza-Streifen befänden.
Laut Will habe es bislang weniger als die Hälfte der Zivilisten geschafft, aus dem nördlichen Gaza-Streifen in den Süden zu fliehen. Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn hält diese Bodenoffensive daher für einen „politischen Fehler“: Es gäbe „elegantere Lösungen“, mit denen ein Blutvergießen auf beiden Seiten vermieden werden könne, meint er. Als Beispiel nennt er, den Gaza-Streifen „komplett abzusperren“, sodass keine Lebensmittel und kein Wasser mehr bei den Hamas ankämen. Auch die Journalistin Natalie Amiri warnt davor, dass die Bodenoffensive „viele Bilder von blutigen Kindern hervorbringen wird“, die Hamas dann als neues „Propaganda-Material“ verwenden würde. Mit diesen könnte sich die Soldarität gegenüber Israel wandeln, befürchtet sie. Laut Shalicar will Israel nicht, dass unschuldige Zivilisten sterben – weder Israelis noch Palästinenser. Aber Israel wolle die Hamas vernichten. Daher plane sie diese Bodenoffensive mit dem Ziel des Hauptquartiers der Hamas in Gaza-City. Damit diese Offensive weniger Zivilisten treffe, warne das israelische Militär die Zivilbevölkerung aus dem nördlichen Gaza-Streifen und rufe sie zur Flucht auf.
Baerbock berichtet von den Zuständen in Israel: Gerade von ihren Staatsbesuchen in Israel und Ägypten zurück, gesteht sie, dass es noch immer keinen direkten Kontakt zu den Geiseln gebe und auch noch keine Geiseln befreit wurden. Sie denkt jedoch, dass es der Hamas nicht bewusst sei, dass sie auch deutsche Geiseln gefangen halten. Daher probiere sie nun gemeinsam mit der Türkei, Ägypten und Katar, dies der Hamas über Bilder mitzuteilen, um so die deutschen Geiseln zu befreien. Wie genau das funktionieren soll, erklärt sie nicht. Im Interview betont Baerbock mehrmals ihre Solidarität mit Israel: Die Regierung stünde mit allem, was sie habe, hinter Israel; Jegliche Hilfe, die Israel brauche, werde Israel bekommen – auch Waffen.
Dies kann Wolffsohn nicht so stehen lassen: Ihm fehle die Selbstkritik von Baerbock. Immerhin habe Deutschland die Hamas über Zahlungen an Gaza mitfinanziert. Das kritisiert auch Shalicar: Das Geld werde unter anderem für Raketenrampen und Waffen sowie für die Gehälter der Hamas-Krieger investiert. Der Kenntnisstand von Generalsekretär Kevin Kühnert (SPD) sei zwar, dass nie eine Autonomiebehörde in Gaza direkt finanziert worden sei. Allerdings könne er eine „Zweckentfremdung“ nicht ausschließen. Dass die deutsche Regierung und die EU die Zahlungen an Gaza sogar noch erhöhen wollen, findet keinen Niederschlag in der Sendung.
Die Realität sieht jedoch anders aus, wie Shalicars berichtet: Immerhin sei aus dem Libanon geschossen worden. Demnach gebe es im Norden Israels nun einen „kleinen Krieg“, der zwar noch nicht eskaliert sei, aber das Potential dazu habe. Ein Zwei-Fronten-Krieg wäre für Israel eine „Katastrophe“, betont Shalicar. Vor allem, weil die Hisbollah aus dem Iran und Libanon mehr als doppelt so viele Anhänger hat wie Hamas und Dschihad und zudem über mehr Raketen verfügt. Trotzdem: Er sei bereit und voller Hoffnung, die Geiseln zu befreien, schätzt allerdings, dass der Krieg mehrere Wochen – wenn nicht länger – dauern wird.