Würde man – erwacht aus einem längeren Koma – zufällig Wolfgang und Cem bei Anne Will zugeschaut haben, könnte der Eindruck entstanden sein, da säßen zwei Nutznießer der Ehe für alle. Bis schließlich Schäuble und Özdemir angaben, seit langer Zeit verheiratet zu sein, aber nicht miteinander. Jedenfalls, das gleich vorweg, zwische die beida basst koi Blatt Papier.
Weil die Wahlen so gut wie gelaufen sind, kam Merkel-Sprecherin Anne Will die Aufgabe zu, die, die ihr zuschauen, schon mal auf die nächste Bundesregierung vorzubereiten, die Merkel die liebste wäre: Schwarz-Gelb-Grün. Übrigens auch, wenn es für Schwarz-Gelb reichen würde, denn schließlich müssen sich auch die rot-grünen Medienschaffenden irgendwie wiederfinden, damit sie weiterhin die Klappe halten – komme, wer oder was da wolle.
Koalitionsverhandlungen mit den Gelben dürften sich recht kurz und schmerzlos mit einer ausreichenden Überlassung von Ministerposten erfolgreich abschließen lassen. Die Grünen hingegen beharren öffentlich noch darauf, dass sie zusätzlich zu den Ämtern auch die Umwelt … aber lassen wir doch Cem Özdemir selber zu Wort kommen.
Die Kohlekraftwerke sind ihm ein Dorn im Auge. „Unsere deutschen Ingenieure können das besser.“ Und ja, der Slogan der CDU-Propagandaabteilung vom „Land, in dem wir gut und gerne leben“ findet er toll, aber die Grünen würden auch noch die Kinder mit einbeziehen. Und die Enkelkinder. Denn „die Arktis schmilzt“, und „angesichts der tropischen Stürme geht’s ums Überleben“. Also: Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Unter Berücksichtigung der Kinder und Enkelkinder. Und Europa. So würde es gehen.
Dr. Wolfgang Schäuble hatte seine Freude am jungen Cem wie ein Lehrer im Ethik-Unterricht an den Wortmeldungen eines besonders eifrigen Schülers. Nur ganz leicht korrigierte er den Jüngeren. Die „CDU habe einfach mehr Regierungserfahrung. Und wo wären wir denn ohne Angela Merkel? „Niemand hat soviel fürs Klima getan. Von Kyoto bis Paris. Mit Indien und China.“ Wenn Cem dann ein wenig übermütig wurde, gab‘s einen kleinen Dämpfer. Schäuble: „Die Grünen haben doch in NRW für die Braunkohle gekämpft.“ Aber Korrekturen waren nur selten nötig. Sicher, der Diesel. Cems Sohn ist mit sieben Jahren etwa auf die Höhe der SUV-Autoauspuffrohre herangewachsen. Da muss was passieren! Und überhaupt sein Wahlbezirk Stuttgart: Staus und Feinstaub, so weit die Diesel fahren. Da will der Horst Seehofer eine Diesel-Bestandsgarantie? Niemals. Bis 2030 will Cem den Einstieg in den Ausstieg. Die Özdemir-Formel „Einstieg in den Ausstieg“ hätte vom raffinierten Schäuble stammen können. Sie heißt nämlich nichts.
Natürlich ging Schäuble auch weiter im Stoff. Man dürfe „keine Vorgaben machen, was Technik zu leischten hat. Wirtschaft kaputt, Klima kaputt.“ Kapiert. Vielleicht hätte Frau Merkel den Atomausstieg besser mit der Industrie abstimmen sollen, bemerkte Herr Özdemir. Das überhörte unser Lehrer Dr. Specht. Auch Cems schiefes Bild von den deutschen Super-Autos, die vielleicht von wem auch immer weggehauen werden wie einst die Nokia-Handys von den Smartphones korrigierte er nur sanft. Bei der E-Technologie müsse man sich bei den deutschen Autobauern wenig Sorgen machen. Auch nicht in China. Mit den Chinesen möchte Wolfgang eh nicht tauschen. Cem auch nicht. Gegen chinesische Städte sei Stuttgart „ein Luftkurort“. Wie jetzt?
Schäuble zitierte dann noch Gotthold Ephraim Lessing und Bertolt Brecht (alte Lehrerkrankheit) und erzählte ein paar Anekdoten vom Krieg. „Bei uns gibt‘s nicht Befehl und Gehorsam“, sagte er, bei der CDU werde diskutiert und Lernprozesse in Gang gesetzt. Die Gesamtschule, das sei ein solcher Lernprozess. Und auch die Ehe für alle. „Wenn die große Mehrheit dafür ischt, dann ischt das in Ordnung.“ (Dass das selbstverständlich nicht für die große Einwanderung in die Sozialsysteme gilt, setzen wir mal als bekannt voraus, ha noi.) Die Union habe „viel Ballast abgeworfen“ (Mitglieder vergrault?) und „das Land so liebenswert gemacht, dass so viele Menschen gerne herkommen“.
Soll heißen: Super-Angelas Super-Union ist ein solcher Super-Hit, da macht ein jeder gern alles mit. Aaaber: Man müsse, sagt der schlaue Schäuble, man müsse auch „Ängschte ernst nehmen.“ Ängschte? Welche Ängschte?
Warum schreiben wir nichts über Wolfgangs Dirty Tricks bei der Griechenlandhilfe? Warum kein Wort über seine Zuwanderungs- und Fortpflanzungsphantastereien? Weil Anne Will solche Fragen auf der Kölner Journalistenschule nicht hatte. Von Doppelpass (Cem: Ich habe keinen und brauche keinen) bis Silvesternacht (Cem: Muss man drüber reden) – nach diesem netten Gespräch würden wir die Frage „Was ist der Unterschied zwischen der CDU und den Grünen?“ so beantworten: Bei den Grünen sind die Frauen schneller auf 180.
So schließen wir mit der Mahnung Schäubles an Özdemir, dieses Mal die Koalitionsverhandlungen nicht wie 2013 zu verhauen. Damals sagten die Grünen nach dreieinhalb Stunden Verhandlung Nein zu Merkel. Allerdings mit dem Zusatz: Wenn Sie es mit der SPD gar nicht hinbekommen, dann können wir ja nochmal telefonieren. Aber dem Anruf kam dann die „gröschte Leischtung von Herrn Gabriel, die SPD in die Koalition zu führen“ zuvor.