Anne Will und die bedauerliche Erkenntnis: Trump wirkt
Stephan Paetow
Egal, was Trump macht, es reicht für eine Empörungssendung. Diesmal aber ging das Getrumpel gehörig schief. Am Ende verstärkte sich der Eindruck: Trump wirkt.
Sie, lieber Leser, werden wohl auch kaum eine Chance gehabt haben, über die neueste Tat des amerikanischen Präsidenten nicht informiert, und über deren schreckliche Wirkung nicht indoktriniert worden zu sein. Donald Trump, dieser Trumpel, hat angekündigt, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Unerhört! So wird doch der erfolgreiche Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern untergraben wie durch einen Tunnel der Hisbollah. Und die diplomatischen Erfolge von Carter, Clinton, Obama, Arafat, Abbas, Begin – um nur ganz wenige zu erwähnen – ad absurdum geführt.
Unsere Medien geleiteten uns mit verständnisvollen Worten durch die Tage des Zorns, die der Ankündigung Trumps und den Predigten in den Moscheen folgten. (Wer zufällig in Berlin oder München unterwegs war, wurde direkt Augen- und Ohrenzeuge der Krakeeler.) Nahezu alle deutschen Zeitungen erklärten die Randale mit dem Anspruch der Palästinenser auf Jerusalem, und den wiederum damit, dass „der Ostteil der Stadt arabisch geprägt und vorwiegend von Arabern bewohnt“ sei, ohne dass einem der Abschreiber aufgefallen wäre, dass das Argument inzwischen auch für Stadtteile Düsseldorfs oder Berlins durchgehen würde.
Bedauerlicherweise war von den „Aktivisten“ auf unseren Straßen niemand bei Anne Will eingeladen – man fürchtete wohl um den Rest an Gesprächskultur. Abgesehen davon brauchen „wir“ zur Verdammung Donald Trumps noch keine „fremde“ Hilfe. Dafür reichten Außenminister-Azubi Cem Özdemir, Stefan Niemann, für unseren Staatsfunk in Washington, Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg (übrigens der Dienstälteste in der EU, aber das kleine Land hat wohl wenig Auswahl), der Historiker Michael Wolffsohn (bei dem der Hinweis nicht fehlte, er habe seinen Militärdienst in Israel absolviert) sowie die Schriftstellerin Irene Dishe, die wir nicht kannten, die aber wohl gerade in Berlin war (hier kam der Hinweis, ihre Großeltern seien aus Deutschland geflüchtet).
Anne Will bemühte sich nach Kräften, dem Staatsfunk-Narrativ vom durchgeknallten Präsidenten gerecht zu werden, aber schon die Einspieler gaben das eher der Lächerlichkeit preis. Denn es wurde nicht unterschlagen, dass bereits ein Kongress-Beschluss von 1995 die US-Präsidenten aufgefordert hatte, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Ebenso wenig wie die fast gleichlautende Ankündigung aus Moskau vom Mai. Zudem hatte Trump den Schritt im Wahlkampf versprochen (aber das Einhalten von Wahlkampfversprechen gilt bei Will und Co. wohl eher als suspekt).
Wolffsohn wies darauf hin, dass auch Merkel 2008 in der Knesset in Westjerusalem gesprochen habe, und verglich das Trumpsche „Anerkennen von Realitäten“ mit Willy Brandts Anerkennungen der Realitäten in der Ostpolitik. Der Vergleich dürfte manch Linkem – beabsichtigt – weh getan haben. Bei all den langen Jahren der Verhandlungen erkannte der Historiker eher „die Erfolglosigkeit als Prinzip“ und sieht in Trump eine Chance. (Huch! Beifall im Saal!) Selbst die Palästinenser hätten mit ihm einen Spatz in der Hand, besser als die Taube auf dem Dach.
Später wurde sogar festgestellt, dass Trump längst nicht so hirnrissig ist, wie unsere TV-Mädels sich das so vorstellen. Denn Trump hatte vorher Saudi-Arabien und Ägypten auf Kurs gebracht, die ihrerseits die Palästinenser an die Kandare nehmen werden – wegen des gemeinsamen Feindes Iran, für den sie wiederum die USA benötigen. Kein Wunder, dass die derzeitige Intifada recht harmlos verläuft. (Hoffentlich sind am Ende nicht die Europäer jetzt die Deppen, die den Islamisten in den eigenen Grenzen jede Freiheit lassen.)
Der arme Cem, als immerhin Beinahe-Außenminister zur Weisheit verpflichtet, beschränkte sich auf Friedensaufrufe und mahnte bedeutungsschwanger „gerade wir Deutschen seien wegen unserer Geschichte…“ und so weiter. (Er muss sich doch nicht jeden Geschichts-Schuh anziehen.) Sein Gedanke gegen das Ein-Staat-Modell wegen der Fertilität der Muslime war interessant, führt aber vom Thema weg, weil in einer deutschen Talkshow der palästinensische Knoten wohl nicht durchhauen wird.
Mit Verspätung kam aus dem Schnee Herr Asselborn und leistete mal gleich den außenpolitischen Offenbarungseid für die Europäische Union. Die habe sich nicht einmal auf ein Papier geeinigt, das man Bibi Netanjahu bei seinem heutigen Brüssel-Besuch hätte vorlegen können. Ansonsten ist der Jean Sozialist vom Stamme Schulz: Große Klappe, nix dahinter. Wenigstens hat er aber kapiert, dass „der Trump macht, was er sagt“. Im Gegensatz zur EU, die ohne Pause mit vielen Zungen schwätzt.
Stefan Niemann sorgt sich, Trump könne nach der Botschaftsverlegung „nicht mehr zwischen Israel und Palästina vermitteln“, was der aber wohl gar nicht will, und deshalb seinen Schwiegersohn Kushner hinschickt. Vielleicht hat Irene Dische sogar recht damit, dass der Donald nicht einmal weiß, dass es West- und Ost-Jerusalem gibt.
Pflichtgemäß wurde noch Kim Jong Un durchgenommen, schließlich lautete das Thema „Jerusalem-Streit und Nordkorea-Konflikt – wie gefährlich ist Trumps Außenpolitik?“. Auch hier war Donald laut Staatsfunk an allem Schuld, weil der den kleinen Kim ständig beleidige. Cem will Kim versichern, dass kein Regime-Change droht, und man über alles reden wolle, immerhin gebe es noch eine deutsche Botschaft in Pjöngjang (wir sind jetzt zu faul, um zu prüfen, ob die noch aus DDR-Zeiten stammt). Wieder verwies Wolffsohn darauf, dass von Clinton bis Obama auch keinerlei Erfolge vorzuweisen seien, und Trump Kim persönliche Gespräche angeboten habe. Stefan Niemann musste anerkennen, dass unter Trump der Druck auf China, seinem Vasallen auf die Finger zu hauen, deutlich mehr Wirkung zeige als zuvor.
Wie Asselborn dann auf seine Anekdote einer Wüstenreise kam, auf der er lernte, dass die tonangebenden Sunniten in der arabischen Welt Trump inzwischen als „großen Mann“ ansehen, haben wir vergessen, aber es führt zur Conclusio: Trump wirkt, die EU schwätzt. Und es wird von Tag zu Tag unbegreiflicher, wie man sich die Vereinigten Staaten von Europa wünschen kann.
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