Der Spiegel nennt sie „Merkels Kabinettstück“, die FAZ spricht von einer „Reform“, die Welt lobt den „guten Anfang“. Die Bearbeitung von Merkels Liste war Pflichtprogramm für die politischen Beobachter am Sonntag. Die größte Überraschung für die Merkel-Astrologen: Jens Spahn als Gesundheitsminister. (Warum Überraschung? Weil Jens mal Widerworte gegeben hat!) Merkel erklärte die Ernennung in ihrer eigenen Sprache so: Sie habe „Spahn aus einer ‘fachlichen Dimension‘ heraus“ vorgeschlagen. Aus einer fachlichen Dimension heraus wird sie Ursula von der Leyen wohl kaum vorgeschlagen haben, eher aus einer taktischen. Denn wenn es um die Zeit nach Merkel geht, dürfte Uschi wohl endgültig wegen Dilettantismus außer Landes gejagt werden (EU oder NATO? Jedenfalls Brüssel, wo sie geboren wurde). Überdeutlich der Zusatz: „Sie wird meine ganze Unterstützung haben.“
Die acht Gewinner feierten ihre Beförderung wohl im Kreise ihrer Liebsten, bei Anne Will musste jedenfalls der alte Fahrensmann Volker Bouffier mit seiner rauchigen Stimme, die sich hervorragend zum Synchronisieren alter Western eignen würde, die Union vertreten. Also den Merkelteil. Dass es auch noch einen anderen Teil gibt, zeigte der Historiker Andreas Rödder, der bislang im Schattenkabinett von Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz versteckt war – für uns jedenfalls ein vielversprechender Neuzugang auf der TV-Bühne! Der Zeitgeschichtler hofft, dass endlich „inhaltliche Debatten und thematische Offenheit die Alternativlosigkeit in der Union“ beenden mögen. Themen wie der Zustand der Bundeswehr („die Zustände“!) , der Rechtsstaat, die Innere Sicherheit, die EU, die Flüchtlinge, die Energiewende, und dass man Grenzen angeblich nicht schützen könne, seien nie diskutiert worden. Bouffier ließ ahnen, dass sie wohl auch in Zukunft nicht diskutiert werden. Merkel habe nie gesagt, dass man die Grenzen nicht schützen könne, behauptete er allen Ernstes. Will korrigierte: Merkel habe gesagt, dass sie die Grenzen nicht schützen könne. Ach so.
Während der Kameramann, von der Sendung wohl auch gelangweilt, einer Hübschen aus dem Publikum genüsslich über die üppige Oberweite fuhr, dachten wir, dass man an Frank Richter durchaus auch ein gutes Haar lassen kann. Dass der Osten mit seinem Merkelfrust schon deutlich weiter sei als der Westen, hat er klar erkannt. Und wenn es als deutlicher Stupser etwa für die Sachsen gemeint war, dass die Bayern eine eigene CDU (mit S) haben, um ihre Interessen nachhaltig im Bund zu vertreten, und dass das auch für den Osten zu wünschen sei – nicht schlecht, Herr Specht! (Vielleicht eine DDU?)
Aber jetzt kommt erst einmal „Der Parteitag des Aufbruchs“ (Bouffier), bei dem die Mitglieder Merkel und ihre neue Truppe minutenlang beklatschen dürfen (länger als beim letzten mal müssen?). Dann erfindet Annegret Kramp-Karrenbauer die „soziale Marktwirtschaft“ neu. Am Ende der Sendung durfte natürlich der Mahngottesdienst gegen die AfD nicht fehlen. Die Predigt hielt Olaf Scholz, der ansonsten eigentlich nichts sagte. Frank Richter und Volker Bouffier sprachen die Fürbitten.