Tichys Einblick
Der Anfang vom Ende

Anne Will betreibt nun völlig schamlos grüne PR

Anne Will moderiert ihren Talk nur noch bis zum Ende des Jahres. Auf ihrer Abschiedstour scheint sie jedes journalistische Schamgefühl aufgegeben zu haben. Die erste ihrer letzten Sendungen war ein Grünen-Special.

Screenprint: ARD/Anne Will

Der Schwarze Kanal lief in der DDR montags gegen 22 Uhr. Der Sendeplatz des sozialistischen Propaganda-Formats war bewusst gewählt. Davor zeigte das DDR-Fernsehen teure ausländische oder beliebte einheimische Filme – in der Hoffnung, dass dadurch so viele Zuschauer wie möglich vor der Glotze hängen bleiben. Anne Will läuft nach dem Tatort. Wenn ARD und ZDF nicht gerade Live-Fußball zeigen, ist das der beste Sendeplatz im deutschen Fernsehen.

Etabliert hat ihn Sabine Christiansen. Sie talkte von 1998 bis 2007 und deckte somit die komplette Ära Gerd Schröder ab. Und prägte sie. Dass Rot-Grün die Hartz-Gesetze beschlossen hat – inklusive unbefristeter Leiharbeit und Ausbau des Niedriglohnsektors – hängt auch mit der mentalen Vorarbeit Christiansens zusammen. Ihr Stammgast war der Präsident des Industrieverbands BDI und spätere AfD-Politiker, Hans-Olaf Henkel.

Nach 16 Jahren
Anne Will gibt ihre Talkshow am Sonntag ab
Seit 2015 moderiert Anne Will auf dem Sendeplatz nach dem Tatort. Mit dessen Zuschauern im Rücken arbeitete die Moderatorin mit daran, einen grünen Zeitgeist zu etablieren. So erfolgreich, dass diesem nicht nur Linke und Sozialdemokraten ohne eigenen Kompass nachlaufen, sondern auch eine große Menge an Mitläufern in FDP und CDU. Diese Woche hat Anne Will ihren Abschied zum Jahresende verkündet – nun gibt sie offensichtlich jeden Sinn für alte journalistische Tugenden wie Neutralität oder Ausgewogenheit auf.

Bei Will talken: die grüne Vorsitzende Ricarda Lang, die beiden hauptberuflichen „Klima-Aktivistinnen“ Luisa Neubauer und Greta Thunberg sowie der Klimaforscher Mojib Latif, der meint, man dürfe RWE nicht trauen. Dann gibt es noch den Experten Michael Hüther. Er ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Seine dramaturgische Aufgabe bei Will ist es, „die Wirtschaft“ darzustellen. Hüther nahm jüngst an der Klausursitzung der Grünen teil, sagt Sätze wie; „das Klimaproblem ist drängend“ oder „wir reden über Klima.“ Damit ist die Bedeutung der Wirtschaft bei Anne Will dann auch schon zu Ende erzählt.

Die Debatte zieht sich so zäh wie einst der Schwarze Kanal. Auf dem Familientreffen der Grünen wechseln sich zwei Positionen ab: Wir machen schon viel für den Klimaschutz, da müssen wir mit dem Abriss von Lützerath leben und wir machen noch nicht genug. Als Kompromiss einigt sich der grüne Kreisverband Anne Will auf: Wir müssen noch mehr tun. Das liest sich über vier Sätze geschildert bereits zäh – Anne Will zieht das über eine halbe Stunde.

Ein Resümee
Klimabewegte wollen Lützerath zum Symbol machen
Davor geht es um die Ausschreitungen in Lützerath, wo Demonstranten rechtswidrig Gebiete besetzt sowie Steine und Molotow-Cocktails auf Polizisten geworfen haben. Dazu schaltet Anne Will den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul ein. Von ihm profitiert die Moderatorin gleich doppelt. Er dient ihr als Alibi-Christdemokrat und als Chance, „Kritische Journalistin“ zu spielen. So mit ernstem Gesichtsausdruck und bissigen Fragen und so.

Die ersten Tage der Demonstrationen seien friedlich verlaufen, danach sei es zu Ausschreitungen gekommen, sagt Will und fragt den Innenminister: „Was ist da schiefgelaufen?“ Es ist das Leitmotiv des grünen Specials, dass sich der Staat rechtfertigen muss, wenn er sein Gewaltmonopol gegen Rechtsbrecher durchsetzt. Und das – unverschämterweise auch noch – gegen grüne „Aktivisten“. Welches Staats-Verständnis dahinter steht, drückt Neubauer aus, die ebenfalls Mitglied der Grünen ist. Sie sagt über die Rechtsbrüche der Demonstranten: „Es war vielleicht nicht legal, aber in den Augen der Demonstranten legitim.“ Und sie klagt, sie habe von der Polizei die Argumentation gehört: „Es dürfe nicht sein: Die haben da draufgehauen, dann darf das die Polizei auch.“ Neubauer fordert mit diesen wirren Formulierungen also ein, das Gewaltmonopol müsse bei gewalttätigen Demonstranten liegen und die dürften auch entscheiden, was zulässig ist – und nicht etwa das Gesetz. Will widerspricht da nicht. Bei Neubauer zeigt sie keine Lust, eine Journalistin zu mimen.

Schon Wills erste Frage an Reul ist eine Anklage. So geht es weiter. Während Will auf Steine oder Molotow-Cocktails gar nicht eingeht – ganz im Sinne Neubauers – konfrontiert sie den Innenminister mit Vorwürfen zur gewalttätigen Polizei. Die Beweisführung leitet die ARD-Frau aus dem Internet ab. Wobei es scheinbar zwei Sorten von Internet gibt. Das eine, vor dem die ARD immer warnt, weil es nur Hass, Hetze und Fake News verbreite. Aber dann existiert wohl auch das andere Internet, in dem Klima-Extremisten über gewalttätige Polizisten klagen. Dieses Internet scheint für die ARD und Will mehr Beweiskraft zu haben als ein Arzt, ein Richter und ein Priester zusammen.

Rödvinsvänster: "Rotwein-Linke"
Warum "Eliten" wie Greta Thunberg den Kapitalismus hassen
Bliebe noch ein Interview, das Will mit Thunberg auf dem RWE-Abbaugelände geführt hat. Ob Will als Journalistin oder Demonstrantin vor Ort war, erklärt sie nicht – es wird auch aus dem Interview nicht so recht deutlich. Will kündigt ihre Gesprächspartnerin als „der Weltstar der Klimabewegung“ an und so liebedienerisch fragt sie die gut gebräunte Schwedin dann auch.

Es spricht für die Medienerfahrung der 20-Jährigen, dass sie auch auf Wills „Schwarze Kanal“-Fragen interessante Antworten gibt. Will versucht Thunberg davon zu überzeugen, dass der Abriss von Lützerath das Ergebnis eines Kompromisses sei und der Kompromiss doch eigentlich gut sei – fünf Dörfer gerettet, Kohleausstieg fünf Jahre vorgezogen. So als ob die ARD-Frau von Thunberg die Absolution für grüne Politik in Deutschland einholen will. Doch die weist sie zurecht. „Meine Rolle ist es nicht, Kompromissen zuzusehen.“ Ihre Rolle sei es, weitere Forderungen aufzustellen. Immerhin kennt die Klima-Aktivistin ihren Platz. Etwas, das sich über die ARD-Aktivistin nicht sagen lässt. Es sei denn, Anne Will bekennt sich endlich mal als grüne Parteisoldatin – Karl-Eduard von Schnitzler hat ja immerhin offen zur SED gestanden.

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